| | W. Popken im Fenster Selbstportrait 08/2004 | | | | 26.10.2008 500 Ausgaben Tja, nun ist es soweit: 500 Ausgaben sind vollbracht - 500 Wochen, 500 Hauptartikel usw. und so fort, 500 mal Pferdezeitung ohne Pause, Woche für Woche ohne eine einzige Ausnahme. Man könnte schon jetzt ausrechnen, wann die 1000. Ausgabe erscheinen wird - vorausgesetzt, es geht so weiter. Am Anfang stand der Wunsch von Sylvia Frevert, endlich das machen zu können, was sie schon immer wollte: Journalistin sein, Woche für Woche einen Artikel schreiben. Ich habe sie 1998 bei ihrem Vorhaben, sich mit einer Zeitung selbstständig zu machen, beraten, und als dies scheiterte, leichthin gesagt: "Mach's doch im Internet, das ist nicht so teuer und aufwendig." Davon wollte sie nichts wissen, das war ihr zu technisch. Ein halbes Jahr später kam sie auf meine Anregung zurück. Ich fragte sie nach ihrem Geschäftsmodell, aber sie hatte keins. Also entwickelte ich eins für sie, ein Logo, einen Slogan, ein Layout, besorgte einen Provider und war am Nachmittag online. Das war Anfang Januar 1999. "Zeit, deinen ersten Artikel zu schreiben!" Den Rest würde sie schon noch lernen. Aber da hatte ich mich getäuscht. Das Konzept konnte so nicht aufgehen, ich mußte mich selbst mit einbringen. Zu zweit könnte es vielleicht gehen. Nachdem ich eine Reihe von Tests durchgeführt hatte (heute würde man von Milestones sprechen), die allesamt positiv verliefen, gründeten wir eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Ich brachte Pferdezeitung.com mit hinein, sie bekam Pferdezeitung.de übertragen. Erste Etappe Die ersten 135 Ausgaben haben wir gemeinsam gemacht - Sylvia Frevert hat geschrieben und ich hab den Rest erledigt. In unserer GbR waren wir beide gleichberechtigt, aber sie fühlte sich unterlegen und schob mir die Schuld dafür in die Schuhe, daß sich nicht alles so entwickelte, wie wir es gerne gehabt hätten. Wir müßten uns trennen, erklärte sie mir Anfang 2001. Ich versuchte ihr klarzumachen, daß ich vielleicht die Sache alleine betreiben könnte, nicht jedoch sie. Das wollte sie wohl nicht glauben. Schließlich versuchte sie, mich herauszudrängen, was eigentlich nicht möglich war, da die GbR auf fünf Jahre angelegt war. Aber wenn jemand gehen will, kann man ihn nicht halten. Das war im Herbst 2001. Sie ging und erklärte ihren Lesern, sie habe sich von ihrem Techniker getrennt. Nun werde alles besser, größer, schöner. Die Domain Pferdezeitung.de existiert noch immer, wird mittlerweile aber auf ihre neue Homepage umgeleitet. Es wurde nicht alles besser, größer, schöner, sondern es kam erst gar nicht richtig in Gang, und nach einem halben Jahr war nichts mehr übrig als ein Baustellenschild. Das war sehr bedauerlich. Eine bittere Lektion, und vermutlich auch noch teuer dazu. Ich habe gar nicht gerne Recht behalten. Bis heute bedaure ich, daß sie durch juristische Winkelzüge erreicht hat, daß ihre Artikel überhaupt nicht mehr gezeigt werden dürfen, weder hier noch sonstwo. Ihre Artikel habe ich wirklich gerne gelesen und sehr geschätzt, so könnte ich nie schreiben - wenigstens auf ihrer eigenen Homepage würden sie gute Dienste leisten, aber vielleicht schätzt sie sie selber nicht mehr. Schade drum. Gerade die Möglichkeit der ständigen Verfügbarkeit stellt für mich eine der Stärken des Internet dar. Inhalte sollten niemals verschwinden. Zweite Etappe Ich entschied mich, die Sache so weiterzubetreiben, wie bisher - einstampfen könnte ich es immer noch, wenn es denn nicht gehen sollte. Das ist jetzt sieben Jahre her - sieben Jahre mit viel Arbeit und vielen interessanten Artikeln. Bisher ist es immer weitergegangen, und vielleicht geht es auch die nächsten 10 Jahre immer weiter und wir werden tatsächlich die 1000. Ausgabe erleben. Wer weiß? Das ursprüngliche Geschäftskonzept, die Übertragung zweier erfolgreicher Offline-Modelle auf das Internet, nämlich das Magazin und die viel ältere Messe, schlug aus den verschiedensten Gründen nicht so ein, wie es nötig gewesen wäre. Ein paar Jahre lang, vom Herbst 2001 bis Anfang 2004, habe ich die Pferdezeitung nebenher betrieben, war im Hauptberuf Trainer für Datenbanktechnologie und habe in dieser Eigenschaft halb Europa bereist, war ständig unterwegs von Hotel zu Hotel, von Stadt zu Stadt, von Flieger zu Flieger. Auf die Dauer konnte das nicht so weitergehen. Als Hobby war die Pferdezeitung zu arbeitsintensiv, die Kosten ließen sich natürlich genausowenig rechtfertigen. Als dann die Konkurrenz das Konzept abgekupferte und mein Arbeitgeber zugleich die Konditionen drastisch verschlechterte, gab es nur noch die Flucht nach vorn: Das ursprüngliche Konzept mußte nun ernsthaft umgesetzt werden. Dritte Etappe Wer schon so lange Leser der Pferdezeitung ist, weiß, daß auch dem zweiten Ansatz kein Erfolg beschieden war. Im Frühjahr 2006 hätte ich die Pferdezeitung einstellen müssen; es war Zeit, Plan B zu testen. Ich führte ein Abosystem ein. In meinem Selbstverständnis war die Pferdezeitung ein Magazin und eine Messe, die sich allerdings nicht recht entwickeln wollte. Dafür hatten sich die Abteilungen Pferdemarkt und Anzeigenmarkt enorm gemausert. Es war sogar so, daß die meisten Besucher gar nicht wußten, daß die Pferdezeitung ein Magazin ist. Wie peinlich! Deshalb leuchtete diesen Benutzern meine Idee gar nicht ein: Pferdemarkt und Anzeigenmarkt sollten weiterhin kostenlos sein, jedoch nur für Abonnenten. Nach 14 Tagen gab ich nach und führte die Bezahlung von Inseraten ein. Ein Abo konnte unter diesen Umständen als Flatrate begriffen werden. Somit stellte sich die interessante Gretchenfrage: Wie viele Leser hat das Magazin eigentlich, oder genauer gesagt: Wie viele Leser sind bereit, dafür zu bezahlen? 1000 Leser hätten gereicht - unter diesen Umständen könnte man vermutlich kein Printmedium betreiben, aber im Internet würde das gehen. Zwar gab es am ersten Tag eine spontane Sympathiebekundung und 100 Abonnenten, aber ich konnte nicht ewig mit der Entscheidung warten und setzte darauf, daß das 1000 schon noch voll werden würde, obwohl wir noch nicht einmal 500 hatten. Es wurden dann noch ein paar mehr Abonnenten, aber kaum mehr als 500, und von da ab wurden es schon weniger. Es waren sogar weniger als 100 Abonnenten, die nachweislich, weil sie keine Inserate schalteten, nur an den Inhalten des Magazins interessiert waren, das heißt an dem, was wirklich regelmäßig Arbeit machte, abgesehen von den Programmen, die ja nur einmal geschrieben und anschließend bloß gepflegt werden müssen. Diese Erkenntnis war natürlich sehr bitter. Welchen Schluß zieht man daraus? Vierte Etappe Ich habe in meinem Leben schon einige Projekte zu Grabe getragen, die sehr viel Arbeit und Geld verschlungen haben. Das tut natürlich jedes Mal weh, aber lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende, wie man so sagt. Wenn man etwas nicht sterben lassen kann, dann deshalb, weil immer noch Hoffnung besteht, daß doch noch etwas daraus wird. Das, was mir vorschwebt, gibt es nach wie vor nicht im Internet, und es wird dringend gebraucht. Zeit genug, darüber nachzudenken und mir Klarheit zu verschaffen, ist ja inzwischen ins Land gegangen. Daneben stellt sich natürlich für einen Journalisten, der ich inzwischen zweifellos geworden bin, die naheliegende Frage, warum er überhaupt schreibt. Die meisten Journalisten werden das schreiben, was ihr Arbeitgeber erwartet, und möglicherweise darüber hinaus selber keinerlei Ambitionen haben. Manche haben vielleicht Ambitionen, können diese aber nicht im Rahmen ihrer Arbeitsverhältnisse verwirklichen - das ist sicherlich schwierig und tragisch. Ich hingegen kann schreiben, was ich will - das ist ein Luxus. Und merkwürdigerweise ergeben sich immer wieder Themen, die mich fesseln und es sinnvoll erscheinen lassen, daß ich mir die Arbeit mache, denn wenn ich darüber nicht schreibe, wird niemand darüber schreiben. Fünfte Etappe Zu diesem Jubiläum ist es nun wieder Zeit, Bilanz zu ziehen und sich Rechenschaft darüber abzulegen, daß die Entscheidung von 2006 falsch war. Die Pferdezeitung hat seither einen schleichenden Niedergang erlebt. Ganz objektiv gesehen ist die Pferdezeitung ein Anzeigenblättchen, nicht mehr als ein Pferdemarkt mit anhängendem Anzeigenmarkt. Der redaktionelle Teil ist gewissermaßen mein persönliches Hobby, der so gut wie niemanden interessiert. Und seit die Inserate etwas kosten, gehen die Leute lieber woanders hin. Wenn ich so weitermache, werden wir die 1000. Ausgabe auf keinen Fall erleben, weil es keine Leser mehr geben wird. Das dauert gar nicht mehr so lange. Insofern ist fraglich, ob dieses Jubiläum nun ein Anlaß zur Freude ist. Es gibt also nur eine Lösung: Die Pferdezeitung muß wieder kostenfrei werden. Ob sich der Negativtrend dadurch umkehren läßt, ist völlig offen. Wenn nicht, ist auch Plan C gescheitert. Wenn ja, kann man weitersehen. Dann gibt es vielleicht noch eine Zukunft - ich arbeite daran. Die unglaubliche Menge an Arbeit, die mir die Einführung der Kostenpflichtigkeit beschert hat, war natürlich umsonst. Allen Lesern, die die Pferdezeitung durch Abos oder kostenpflichtige Inserate unterstützt haben, danke ich hiermit ganz ausdrücklich und herzlich. Daß deren Engagement nicht ausgereicht hat, ist nicht ihre Schuld. Ein allgemeines Rundschreiben wird in den nächsten Tagen folgen. Außerdem muß ich alle Hinweise auf Kostenpflichtigkeit wieder tilgen. Haiku Zu dieser Situation paßt das folgende Haiku ganz gut: | The Web site you seek Can not be located but Countless more exist. Die gesuchte Site Ist futsch, aber es gibt ja Unzählige mehr. | | | Eben! Man darf sich nicht so wichtig nehmen! | | Chefredakteur und Herausgeber | | | | | |