Rührung oder nicht Über Gewalt, Einfühlung und Gefühle von › Werner Popken
Zu den Themen Kommunikation, Tierschutz |
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Unsere langjährige Kolumnistin › Heidi Keppel wunderte sich in einem Leserbrief, warum ich von den Filmen von » Stacy Westfall so beeindruckt bin, daß sie mich zu Tränen rühren:
| Ich bin ganz erstaunt, dass du von diesen Videos so gerührt bist! Es stimmt schon, dass diese Reiterin hier gute Leistungen zeigt, aber im Prinzip bildet sie ihre Pferde genauso oder ähnlich wie die meisten Westernreiter aus, und der Rest ist einfach Routine. Jeder gute Westerntrainer könnte auf Anhieb eine ähnliche Vorstellung mit seinen routinierten Turnierpferden präsentieren, und ich habe das auch schon des Öfteren auf Turnieren für Showzwecke erlebt. Aber nur, wer seine Pferde auch ohne Gebiss ausbildet und zum Reiten keine Sporen verwendet, bekommt meine Hochachtung! Und noch ein Detail gefällt mir bei dieser "Showdame" nicht: sie stellt sich zu sehr in den Mittelpunkt und hat nicht genug Mitgefühl für ihr Pferd, um es vor den Schmerzen zu bewahren, die sie beim Besteigen des Rückens mit Cowboystiefeln unweigerlich auslöst!
› Leserbrief 2014 | | |
Eben, das wundert mich auch! Gute Leistungen reichen für eine solche Wirkung keineswegs, gute Leistungen bringen sehr viele Reiter, rein technisch könnten das eine Menge Leute zeigen, da bin ich mit Heidi Keppel einer Meinung. Mich wundert allerdings, daß sie gegen die emotionale Ausstrahlung so immun ist, daß sie den fundamentalen Unterschied zu hervorragenden reiterlichen Leistungen nicht spürt und gewissermaßen päpstlicher als der Papst ist. Selbst meine Frau, die zwar viele Veranstaltungen gesehen, aber ansonsten mit Pferden eigentlich nichts zu tun hat und der ich deshalb diesen Film gewissermaßen als Test vorgespielt habe, spürte diese Ausstrahlung sofort und unmittelbar, ohne Brille, Erläuterung und sonstige Hilfsmittel, konnte sich dagegen gar nicht wehren. Die Frage nach der Rührung oder Nichtrührung muß also genauer untersucht werden.
Genauso interessant ist aber auch die zweite Frage, die nach der Ausbildung, die der Präsentation vorausging. Natürlich liegt diese gerade bei solchen Vorführungen nahe, wie nämlich man die Pferde so weit bekommen hat, daß man reiterliche, genauer gesagt sportliche Leistungen ohne Zwangsmittel vorführen kann. Ging das ohne Zwang oder nicht? Irgendwann habe ich mal einen deutschen Dressurreiter erwähnt, der sein Pferd auf einem Turnier außer Konkurrenz und ohne Zäumung geritten hat, möglicherweise auch ohne Sattel - ich war nicht dabei und habe das, wenn ich mich recht erinnere, nur in einem Interview mit ihm gelesen.
Aber eins ist klar: Selbstredend ist dessen Pferd ganz konventionell ausgebildet worden und hinterher konnte es das, die Leistungen wurden einfach abgerufen, wie es heißt, man ließ also gewissermaßen einen Automaten arbeiten - das ist ja nach wie vor die klassische Vorstellung von Dressur oder Erziehung bei Tieren. Der Könner formt ein "tierisches Produkt", das man glücklicherweise auch noch verkaufen kann. So wird Dressur schließlich doch noch enorm einträglich - nicht über die Gewinnssummen bei den Turnieren. Wer Geld hat, kauft sich die sportliche Leistung, läßt wie üblich andere für sich arbeiten und setzt sich schließlich auf den teuren Automaten drauf. Und wehe, der bringt es jetzt nicht!
Immer noch spukt uns der » Pawlowsche Hund im Kopf herum - dabei müßte uns doch inzwischen längst klar sein, daß wir selbst viel mehr Tier sind als wir meinen und uns demgemäß ebenfalls als konditionierte Automaten auffassen müßten. Komisch, daß nach wie vor alle davon ausgehen, daß Tiere keine Gefühle und schon gar keine Seele haben, keine Schmerzen empfinden, eben einfach so etwas wie selbstbewegende Roboter sind. Umgekehrt wird erst ein Schuh draus: Der Pawlowsche Hund zeigt einfach nur, daß wir selbst konditioniert werden können, aber doch nicht, daß der Hund ein Roboter ist!
Dieser Vorwurf des Ausnutzens einer vorher von anderen, nämlich von Könnern konventionell und mit der üblichen Gewalt durchgesetzten Konditionierung für seine eigenen, "weichen" Zwecke wurde ja auch Klaus Ferdinand Hempfling gemacht, der so wunderbar auf seinem spanischen Hengst aussah: Der Hengst könne das, da könne sich jeder draufsetzen und dann gut aussehen. Deshalb habe ich anlässlich meiner Artikelserie über ihn » Sabine Birmann angerufen und sie provozierend gefragt, ob ihr ehemaliger Lehrer überhaupt reiten kann. Wer auf einem nackten Pferd inmitten einer Herde dieses in seine eigene Richtung lenken könne und die Herde ihm folge, der könne wohl reiten, meinte sie. Das hat Hempfling schon in den neunziger Jahren auf Videos dokumentiert - allerdings können Videos genauso wie Filme beliebig manipuliert werden. Auch im erwähnten Film » The Path of the Horse von » Stormy May spielt er wieder eine wichtige Rolle. An Hempfling kommen wir also so schnell nicht vorbei.
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