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Galerie · Stiegl Bräu
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Unbekannt, Österreich
Werbung für die Stiegl Brauerei
Wandmalerei, ca. 4x5m
Salzburg
Foto vom 27.6.2003

Auf meinem Weg vom Tagungslokal zum Hotel hatte ich das Gemälde entdeckt; auf dem Weg vom Hotel zum Bahnhof nahm ich meine Chance war, machte mit dem Trolley an der Hand einen kleinen Umweg und schoß ein paar Fotos von der Wandmalerei.

Ich hielt diese für eine naheliegende und relativ platte Werbung. Viele Brauereien nutzen die positive Wirkung der ehemals eingesetzten Pferdegespanne. Habe ich nicht neulich noch einen Bierdeckel mitgenommen, der ein Brauereigespann zeigte?

Heute wollte ich dieses Bild zum Anlaß nehmen, allgemein über Wandmalereien mit Pferden zu schreiben. Meine Sammlung reichte dafür sicher aus. Dann aber entdeckte ich die Web-Seite der » Stiegl Brauerei und fand so viel interessante Informationen, daß ich diese Ausgabe ausschließlich der Stiegl Brauerei widmen will.

Dieses Bild ist nämlich nicht nur eine Werbung. Es ist ein Bekenntnis der Brauerei zu ihrer Heimat, ihrer Geschichte und ihrer Verpflichtung. Die Stiegl Brauerei ist nicht irgendeine Brauerei, das Gespann ist nicht irgendein Gespann, das Gemälde beschreibt nicht die Vergangenheit, sondern die Gegenwart und vielleicht auch die Zukunft.




Kommentar · 02.11.2003
Von   Werner Popken

Gesamtansicht, Giebelanschnitt · © 2009  
Gesamtansicht, Giebelanschnitt
Das geht aus dem Bild natürlich nicht hervor. Es ist vermutlich das Werk eines Werbegrafikers, das noch nicht einmal die Realität beschreibt, sondern rein auf die Wirkung hin angelegt ist. Die Pferde stürmen davon, besonders das linke Vorderpferd, als gelte es, ein römisches Wagenrennen zu gewinnen.

Dabei sind die Brauereipferde Schrittpferde, wie jedermann weiß. Zwar können diese auch für römische Wagenrennen eingesetzt werden, wie auf etlichen Hengstparaden gezeigt, aber das entspricht weder dem Naturell noch den Erfordernissen des Einsatzes. Brauereipferde ziehen nun einmal Brauereiwagen, die sehr kunstvoll beladen sind.

Diese Wagen mit zig Fässern, leer oder gefüllt, würde man ungern in hohem Tempo durch die Straßen jagen; schon gar nicht in engen Kurven. Das Gespann ist, vermutlich aus kompositorischen Gründen, in einer Kurve dargestellt. Andernfalls hätte man eine entsetzlich lange Zeichnung, die sich auf der Hauswand gar nicht gut machen würde.

Dasselbe Problem hat man, wenn man Gespanne fotografieren will. Entweder man kann alle Einzelheiten gut sehen - dann ist das Gespann recht klein auf dem Foto, Himmel und Erde hingegen nehmen mehr Platz ein als erwünscht.

Oder man hat das Gespann voll im Bild, dann kann man weder von der Kutsche noch von den Pferden viel erkennen - lediglich die Vorderpferde kommen gut raus, alles andere ist dermaßen verkürzt und verdeckt und gerafft, daß das Gehirn erheblich arbeiten müßte, um die wirklichen Verhältnisse nachvollziehen zu können.




Galerie · Die Komposition


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Kompositionslinien · © 2009  
Kompositionslinien
Selbstverständlich hat sich der Künstler für die verkürzte Ansicht entschieden. Das Durcheinander einer solchen Ansicht hat er bewußt entzerrt, um das Bild einfach und klar zu halten. Den Wagen konnte er durch dessen Länge und Höhe leichter glaubhaft ins Bild setzen, als wenn eine kleine und kurze Kutsche, wie sie bei heutigen Wettbewerben eingesetzt werden, hätte dargestellt werden müssen.

Das linke Stangenpferd ist überhaupt nicht abgebildet - es sind überhaupt nur drei Pferde zu sehen. Das fällt gar nicht auf. Die Pferde sind in ihrer Dynamik so wunderbar gestaltet, daß man dem Künstler die Lüge sofort abkauft.

Betrachten Sie einmal die drei Köpfe - jeder ist individuell gestaltet, der erste und der dritte haben durch ihre Haltung einen gewissen Bezug, wobei die Haltung aber keineswegs identisch ist.

Man könnte nun vermuten, daß irgendein Hinweis auf das vierte Pferd zwischen den Hinterbeinen der Vorderpferde zu identifizieren sein müßte, aber bei genauer Betrachtung stellt man fest, daß das nicht der Fall ist. Die Hinterbeine des rechten Vorderpferdes sind beide zu erkennen, wenngleich das eine perspektivisch nicht ganz korrekt erscheint.

Wenn die Andeutung der anderen Beine dem linken Stangenpferd gehören würden, hätte das linke Vorderpferd keine Hinterbeine. Überhaupt wird es in dieser Gegend ein wenig unklar. Das Auge stört sich aber nicht daran, es nimmt die Kunst als Kunst und nicht als Wahrheit und liest das Bild als Beschreibung: da hinten ist noch irgend etwas, was immer es ist, diese Einzelheiten interessieren nicht.

Das ist so ähnlich wie mit den Ohren oder Haaren oder sonstigen Einzelheiten - es muß nicht genau stimmen, es muß nur glaubhaft sein. Oder genauer gesagt: hinreichend glaubhaft, denn irgendwo ist eine Grenze, wo das Auge nicht mehr mitmacht und sich getäuscht fühlt.

Die Kunst besteht also darin, sich immer diesseits dieser Grenze zu bewegen. Gerade die Plakatkunst nutzt die Fähigkeit des Auges, Einzelheiten zu ergänzen. So kann man in verschiedener Hinsicht reduzieren: zum Beispiel hinsichtlich der Farben, der Einzelheiten, der Farbflächen usw.

Wir alle kennen Plakate, die lediglich aus schwarzen und weißen Farbflächen bestehen. Ein Schattenriß oder Scherenschnitt ist ein Spezialfall. Damit wird eine natürliche Situation nachgeahmt, denn wenn die Kontraste zu stark sind, die Sonne zu sehr brennt, dann sehen wir tatsächlich nur noch mit eingeschränktem Farbspektrum, und wenn zu wenig Licht da ist, dann können die Farben ganz verschwinden.

Das Farbspektrum bei diesem Bild ist übrigens ebenfalls stark eingeschränkt, was durch die Färbung der Pferde naheliegt. Lediglich die Fässer bringen Brauntöne ins Bild, die jedoch so gedeckt sind, daß sie nicht stören.

Ich konnte mich natürlich nicht zurückhalten und mußte die Komposition untersuchen. Wir sehen, daß der Goldene Schnitt in diesem Bild keine Rolle spielt, dafür aber die Halbierenden und Viertelungen eine desto größere, und zwar sowohl vertikal als auch horizontal. Auch die Diagonalen sind kaum wirksam, lediglich das Rad wird durch eine Diagonale betont.





Galerie · Die Brauerei


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Prachtfahrt · © 2009  
Prachtfahrt
Portrait · © 2009  
Portrait
Soweit ist die Sache nachvollziehbar: Die Werbeagentur erhält den Auftrag, eine vorhandene Wand ohne Fenster, die von der Hauptstraße aus gut sichtbar ist, zu Werbezwecken zu nutzen. Da Bier als solches wenig hergibt, liegt es nahe, auf das Umfeld zurückzugreifen.

Schließlich ist Bier eine Flüssigkeit; zumindest müßte man das Behältnis mit darstellen, also ein Glas mit Bier zum Beispiel. Oder man bringt den Menschen mit ins Spiel, der das Bier trinken will und soll. Alle diese Bildideen sind aber wenig spezifisch. Man könnte sie für jede Art Bier benutzen. Wie kann man das Bier, das Stiegl herstellt, herausstellen?

Ich habe nicht damit gerechnet, daß das Gemälde einen speziellen Bezug zu Stiegl hat. Da hatte ich mich sehr getäuscht. Stiegl hat nicht nur früher irgendwann mal ein solches Prachtgespann gehabt, diese Brauerei unterhält auch heute noch einen Fahrstall.

Das ist nicht ungewöhnlich. In meiner Gegend hat zum Beispiel die Herforder Brauerei ein Vierergespann mit Süddeutschen Kaltblütern; beim Wettbewerb auf der PferdeStark 2003 haben die sich wacker geschlagen. Auf der holländischen Insel Ameland habe ich einmal das Gespann eine Amsterdamer Brauerei gesehen, die acht Shire Horses einsetzten.

Ungewöhnlich ist, daß die Brauerei Stiegl mit diesem Gespann wochentäglich in den Salzburger Stadtteilen Maxglan, Riedenburg und Aiglhof sowie in der Nachbargemeinde Wals-Siezenheim das Bier an ausgewählte Kunden ausliefert. In der Innenstadt dürfen die schweren Wagen nicht fahren, weil die Verkehrsbehinderung zu stark wäre. Dort würde manch ein Wirt die Werbewirkung gern mitnehmen. Anderen Kunden, die in diesen Genuß kommen, ist es egal, wie das Bier angeliefert wird.

Früher einmal hatte die Stiegl Brauerei bis zu 26 Gespanne, wobei auch Ochsen eingesetzt wurden, diese jedoch nur für kurze Entfernungen. Heute sind es nur noch Gustl, Fritz, Peter und Friedl, die die Arbeit verrichten. Es sind Tigernoriker, Nachkommen einer der fünf heute noch existierenden Zuchtlinien. Die Seite » Pferdestärken der Stiegl Brauerei ist auch hinsichtlich der Norikerzucht sehr informativ.

Das Gespann tritt natürlich neben der täglichen Arbeit auch auf Festivals und Turnieren auf und nimmt selbst an Turnieren teil. Die Seite » Bierwagen-Geschicklichkeitsfahren informiert darüber, daß in Haag am Hausruck ein Bierwagen-Geschicklichkeitsfahren veranstaltet wurde, das interessanterweise die Disziplinen Noriker-Zweispann und Noriker-Vierspann definiert hatte. Die Brauerei Stiegl konnte in beiden Fällen den ersten Platz erringen.

Hatte man auch Disziplinen für die Süddeutschen, Schleswiger, Schwarzwälder, Bretonen und wie sie alle heißen? Wenn man nur genügend differenziert, kann jeder den ersten Platz erringen. Das war mir beim Western-Turnier schon aufgefallen: In manchen Disziplinen gab es so wenig Teilnehmer, daß die Teilnahme an sich schon zu einem Sieg reichte.





Galerie · Brauerinnen


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Feuriger Ausdruck - gehen die durch? · © 2009  
Feuriger Ausdruck - gehen die durch?
Aber ich will nicht lästern. Die Brauerei Stiegl, die übrigens seit 1492, im Jahr der Entdeckung Amerikas, nachweisbar ist und immer in privater Hand war, hat in den letzten Jahren einen enormen Aufschwung genommen. Mit Recht kann diese Brauerei stolz auf ihre Leistungen sein. Dazu gehört auch die sehr informative Web-Seite, bei der mich nur gestört hat, daß ständig PopUps zur Teilnahme an einem Wettbewerb aufforderten.

Wußten Sie schon, daß das Brauen von Bier Frauensache war? Die Seite » Braumeisterinnen informiert über einen Fülle hochinteressanter geschichtlicher Hintergründe. Martin Luther zum Beispiel hat das Bier besonders geschätzt, das seine Frau gebraut hat; diese war bekanntlich früher Nonne und hatte im Kloster das Brauen gelernt.

Die Äbtissin Hildegard von Bingen hat vor 1000 Jahren über das Brauen geschrieben und Hopfen als Zugabe empfohlen, um das Bier haltbarer zu machen. Aber man kann die Kunst des Bierbrauens viel weiter zurückverfolgen. Das erste Rezept stammt von den Sumerern und ist damit mindestens 4000 Jahre alt. Hammurabi, König von Babylon, berühmter Gesetzgeber, bedrohte Wirtinnen mit der Todesstrafe, wenn sie minderwertiges Bier anboten.

Im Bundesland Salzburg war es bis ins 18. Jahrhundert üblich, Brauereien nur an Frauen zu vererben. Noch heute gibt es in Österreich zwei Brauereien, die Frauen gehören und von ihnen geführt werden.

Die römische Bezeichnung für Bier, Cervisia, bekannt durch Asterix, leitet sich ab von der Göttin Ceres, die für das Getreide verantwortlich war. Die Angelsachsen benutzen ein abgeleitetes Wort für Getreide, welches inzwischen als Fremdwort in der deutschen Sprache gelandet ist: Cerealien, worunter wir heute alle möglichen Zubereitungen für ein gesundes Frühstück verstehen.

Die Brauerei Stiegl (der Name leitet sich vom ursprünglichen Sitz her, Braustatt am Stiegl, eine kleine Gastwirtschaft an einer kleinen Gasse = Stiege, » Die Stiegl-Geschichte) verbreitet sogar wissenschaftliche Erkenntnisse über die Bekömmlichkeit: » Bier ist gesund. War Bier früher ein Volksgetränk, das schon zum Frühstück eingenommen wurde und einen entsprechend schlechten Ruf hatte, wandelt sich Bier heute zu einem Spezialgetränk, das es in vielen verschiedenen Ausrichtungen gibt und den Weg in die feine Küche und die feine Gesellschaft sucht und findet (» Kulturgetränk Bier).

Wir Pferdefreunde hoffen, daß die Brauereien sich noch lange den Spezialpferderassen verpflichtet fühlen, die jahrhundertelang geholfen haben, das Bier an die Kunden auszuliefern. Ob die Pferde tatsächlich noch ihren alten Pflichten nachkommen oder nicht, ist für den Pferdefreund vielleicht nicht so wichtig. Den Pferden nutzt es bestimmt, wenn sie täglich ihre Arbeit tun können. Dabei werden sie aber nie so aussehen, wie auf dem Gemälde. Das ist der Unterschied zwischen Werbung und Realität.



Quellen / Verweise


  1. » Stiegl Brauerei
  2. » Pferdestärken "Geballte Pferdestärke"
  3. » Bierwagen-Geschicklichkeitsfahren
  4. » Braumeisterinnen "Die Braumeisterin lebe hoch!"
  5. » Die Stiegl-Geschichte
  6. » Bier ist gesund "Das ideale Sportgetränk"
  7. » Kulturgetränk Bier "Biergenuss in Reinkultur"


Fotos
©  Gerd Hebrang



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