Unbekannt, Thrakien Zierbeschlag, Ausschnitt Silber, vergoldeten, Höhe 5 cm Schatzfund von Letniza, Bezirk Lowetsch 400 -350 v. Chr. Historisches Bezirksmuseum Lowetsch (Gold der Thraker, Archäologische Schätze aus Bulgarien)
In der letzten Woche hatten wir uns ein erstaunliches Ensemble angeschaut: vier Zierbeschläge für ein Pferdegeschirr (› Hochzeit). Der Katalog der Ausstellung wimmelt von Beschlagteilen für Zaumzeug, Geschirre und Wagen. Ich habe nicht gezählt, aber mir scheint fast, als gäbe es davon viel mehr als von Schmuckstücken wie Ohrringen, Armreifen und dergleichen (siehe z. B. Ohrstecker in › Die Pferde).
Manche dieser Zierbeschläge sind als mehr oder weniger komplizierte geometrische Figuren gestaltet; im Film › PferdeStark habe ich eine ähnlich einfache zeitgenössische Verzierung am Zaumzeug eines Kaltblüters gesehen - so etwas gibt es also heute noch. Sehr viele, vielleicht die meisten dieser Beschläge sind jedoch darstellend gestaltet, wie dieses Beispiel.
Die Gruppe der Beschläge der letzten Woche erzählte einen Mythos nach und war deshalb verständlich. Diese Szene hingegen könnte einfach eine Jagd beschreiben. Es gibt aber sehr viele ähnliche Stücke, die sich nicht so einfach deuten lassen. Im Abschnitt › Der Held des letzten Beitrags habe ich erwähnt, daß eine bulgarische Wissenschaftlerin genau diese Reiter entschlüsseln möchte. Ob sie Erfolg gehabt hat, ist mir nicht bekannt.
Kommentar · 30.05.2004 Von › Werner Popken
Bei der hier vorstellten Arbeit handelt es sich um eines der Highlights der Ausstellung, denn sie ist auf dem Rückumschlag abgebildet. Der Katalog beschreibt das Fundstück wie folgt:
| Unregelmäßige Form; teilweise von Eierstab umrandet, der von den Figuren unterbrochen wird. Dargestellt ist ein Reiter im Kampf mit einem Bären. Auf seinem Hengst sitzende, schwingt er die Lanze mit der rechten Hand, während er mit der linken die Zügel hält. Er trägt ein Panzerhemd und Beinschienen mit Menschenmaske am Knie. Diese erinnern an den Fund von Wraza. Unter dem Pferd liegt ein Wolf auf dem Rücken. | | |
Der Reiter scheint von den Füßen bis zum Hals in Metall gerüstet zu sein. Insbesondere trägt er Beinschienen mit einem abschreckenden Gesicht als Abschluß über dem Knie (siehe › Thrakische Quadriga). Die Rüstung mag auf der Jagd nach gefährlichen Tieren sinnvoll sein, die Maske wird allerdings unwirksam sein. Aber auch das mag noch hingehen, denn dem Ritter ist nicht zuzumuten, für Jagd und Krieg jeweils zwei vollständige Rüstungen vorrätig zu halten.
Pferd und Reiter sind stereotyp gestaltet; die Figur der letzten Woche ist ganz ähnlich. Insbesondere wiederholen sich die Auffälligkeiten am Pferd, etwa der deutlich gezeichnete Schlauch oder die Schmuckteile an den Beinen. Die Reiterfigur wiederholt sich gleichermaßen auf vielen Plaketten, die Randfiguren aber ändern sich. In der letzten Woche gab es gar keine zusätzlichen Figuren, der Hintergrund war ornamental ausgefüllt. Hier sind zwei wilde Tiere hinzugefügt, deren Jagd lebensgefährlich sein kann.
Die Szene ist also durchaus realistisch gestaltet. Man kann sich vorstellen, daß der Ritter zunächst den Wolf erlegt hat und nun dem Bären nach dem Leben trachtet. Dieser richtet sich auf, greift nach einem Pferdebein und droht das Pferd in den Kopf zu beißen. Mit dem Angriff auf das Bein mag das Schicksal des Pferdes schon besiegelt sein, aber das Leben des Bären ist ebenfalls zu Ende, denn die Lanze berührt schon den Kopf und der Ritter wird den Bären in der nächsten Sekunde zermalmen.
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