| | W. Popken im Fenster Selbstportrait 08/2004 | | | | Meine Meinung zu dem Buch: von › Gerd Hebrang
Roger Kupfer hat in fast allen Disziplinen des Westernsports Meisterschaften auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene gewonnen. Er gehörte zu den ersten Mitgliedern der NRHA Germany und wollte, wie er im Vorwort bekennt, erst mit 60 Jahren sein erstes Buch schreiben, hat aber dann durch Zureden seiner Frau und seiner Texterin und Fotografin schon im Mai 2006 sein erstes Buch vorgelegt, dem bisher keine weiteren gefolgt sind.
Die Resonanz bei Amazon ist zwar überaus positiv, aber gering: Es gibt nur eine einzige Rückmeldung. Der Verlag wirbt mit Pressestimmen:
| "schmucke Aufmachung", "gelungen" (Pegasus, April 2007) | | |
Das ist ja nun schon fast peinlich. Könnte das daran liegen, dass der Autor es wagt, Kritik zu üben an den herrschenden Zuständen? Kupfer behauptet nicht, das Rad neu erfunden zu haben; er beruft sich auf Reitkulturen in aller Welt:
| Lange vor meiner Zeit haben einfühlsame Reiter erkannt, dass Pferde Kreaturen sind, wie genauso Schmerz empfinden können und mit unterschiedlichen Charaktereigenschaften und Temperamenten ausgestattet sind wie wir Menschen.
So entwickelten sich in den Ländern unserer Erde zwar Reitkulturen, in denen unterschiedliche Pferderassen zum Einsatz kamen und unterschiedliche Reitausstattung genutzt wurde. Die Ziele waren jedoch meist dieselben: mit möglichst energieschonendem Einsatz die Arbeit von Pferderücken aus zu verrichten. In der Praxis heißt das: Reiten mit einhändiger Zügelführung und fein abgestimmter Hilfengebung. Das ist das Ergebnis einer langen Reitkultur, auch im Westernreiten. Doch seit einigen Jahren vermisse ich diese Kultur. Dieses Buch ist ein kleiner Beitrag, um die Reitkultur im Westernreiten wiederzubeleben und ein paar Denkanstöße zu geben.
a.a.O., Seite 5 | | |
Vielleicht hängt die Entscheidung, das Buch schon jetzt zu schreiben, auch mit seinem Entschluss zusammen, das » Cowboy-College zu gründen, dem das vorletzte Kapitel und der letzte Abschnitt im letzten Kapitel gewidmet ist. Ein Blick auf diese Seite legt allerdings den Schluss nahe, dass dieses Unternehmen nicht den gewünschten Erfolg hatte.
Beim Cowboy-College geht es unter anderem um das Roping, also die Arbeit mit dem Lasso in der Rinderherde. Dabei glaubt der Autor, dass landwirtschaftliche Betriebe mit Mutterkuhhaltung einen sinnvollen Einsatz dieser Technik erlauben. Die Einleitung zu diesem Kapitel wird mit einem großformatigen Foto flankiert, das den Autor beim Wurf des Lassos zeigt. Man ahnt auf diesem Foto auch, dass er sehr korpulent ist, aber das muss für seine Reitkünste ja nichts bedeuten, wie ich an der Figur des Rufus Hannassey aus dem Film » Weites Land schon zeigen konnte.
Die Kühe und Kälber sind allerdings überhaupt gar nicht wild und stehen etwas gelangweilt herum, dicht zusammengedrängt, nach vorne durch einen weiteren Reiter mit gewaltigen Sporen und wuchtigem, verziertem Gebiss, dessen lange Stangen auch noch durch eine schwere Kette mit den Zügen verbunden sind, der extrem schief auf seinem Pferd sitzt. Man fragt sich angesichts dieser friedlichen Kühe und Kälber, wo der Sinn einer solchen Übung liegen soll. Die Kühe stehen so dicht nebeneinander, dass völlig unklar ist, wo die malerische Schlinge, die genau im richtigen Augenblick eingefangen wurde, landen wird. Die Bildunterschrift lautet: „Die Arbeit draußen inmitten einer Rinderherde ist für jedes Pferd eine »Frischzellenkur«.“
Auf der nächsten Seite ein weiteres malerisches Foto mit einer Rinderherde, die sich offensichtlich irgendwohin bewegt, begleitet von einem Reiter. Die Bildunterschrift erläutert: „Auf der Ilztal-Ranch im Bayerischen Wald werden die Rinder zu Pferde versorgt.“ Ich wusste gar nicht, dass es auch in Deutschland Ranches gibt, aber es leuchtet natürlich ein, dass man aufgrund der zunehmenden Spezialisierung auch einen Fachbegriff für einen auf Viehhaltung reduzierten Bauernhof braucht.
Ob die Tugenden eines Cowboys auf einem modernen Betrieb wirklich gebraucht werden, muss freilich nicht diskutiert werden, wenn man vom Mythos des Cowboys fasziniert ist.
| MYTHOS COWBOY
Wie ist es möglich, dass eine Ära, die nur knapp 30 Jahre dauerte, eine Heldenfigur hervorbringt, die fast schad- und kritiklos die Zeiten überdauert, und sogar das „gute alte Europa“, insbesondere Deutschland, so in seinen Bann zieht? Diesen Fragen will ich ein wenig auf den Grund gehen. Dabei gibt es kaum dokumentarische Berichte über das wirkliche Cowboyleben, ja, man weiß noch nicht einmal, wie viele Cowboys ist tatsächlich gab. Man hat versucht, anhand der Größe der Viehherden auf den „trails“, die in Rechnungsbüchern verzeichnet sind, hochzurechnen und ist auf etwa 35.000 Menschen gekommen. Genauso wenig weiß man etwas über das Durchschnittsalter der Cowboys, der geographischen oder ethnischen Herkunft dieser Landarbeiter.
MIT LONGHORNS FING ALLES AN
Nach dem amerikanischen Bürgerkrieg (1861-1865) stand Texas vor dem Bankrott. Es gab Millionen von verwilderten Rindern, die man Longhorns nannte. Diese Tiere waren Nachfahren der Rinder, die mit den spanischen Conquistadores in die Neue Welt zogen. Sie waren robust und widerstandsfähig und hatten sich schnell an das raue Klima gewöhnt. Für die heimgekehrten Texasrancher war es zunächst mühevoll, die wilden Tiere einzufangen, aber die hungernde Bevölkerung im Norden musste mit Fleisch versorgt werden. Im Jahre 1866 trieb der Viehbesitzer Jim Dougherty die erste Herde nach Kansas. Diesem Beispiel folgten andere. Ebenso verlangte die unaufhörlich wachsende Zahl der Siedler im Westen nach Nahrung. Texas hatte eine neue „Goldader“ entdeckt: Die Rinderzucht. Das Zeitalter der Cowboys begann.
DIE KURZE ZEIT DER TRAILS
Rindertreiben war ein Saisongeschäft, von April bis Oktober gab es auf den Ranches und Viehtrecks genug zu tun. Ab November begann eine harte Zeit, der Cowboy wurde ausbezahlt und sich selbst überlassen. Manche hatten Glück und bekamen eine Beschäftigung über den Winter, andere zogen los und wurden nicht selten zu kriminellen, zu „outlaws“. Bis etwa 1895 ging die Zeit der großen Viehtreckskommandant trugen das sich rasch ausbreitende Schienennetz der Eisenbahngesellschaften, die Verbreitung der Stacheldrahtzaun, über Erweiterung und Krankheiten zu einem schnellen Ende dieser Ehre bei. In dieser Zeit vergrößerte sich die Zahl der Arbeitslosen Cowboys. Die Männer, die nicht sesshaft werden konnten oder wollten, schlossen sich zu Banden zusammen und überfielen die Eisenbahn, um ihren Hass auf staatliche Einrichtungen auszudrücken. „Kleine“ Leute blieben verschont, was ihn schnell eine heldenhafte Aura verlieh.
Obwohl der Alltag eines Cowboys eintönig, rau und die Arbeit schlecht bezahlt war, wurde er von den Städtern, vornehmlich aus dem Osten, beneidet. Sie romantisierten dieses, in ihren Augen abenteuerliche Leben, das frei war von gesellschaftlichen Zwängen und materiellem Streben. Das ungebundene Leben in der Natur, nur einen gerechten Ehrenkodex verpflichtet, in dem jeder für das Gute kämpft, verkörpert den amerikanischen Pioniergeist in seiner reinen Form. Chronisten und Romanschreiber waren schnell zur Seite und beschrieben ein Bild, das es so nie gegeben hat.
a.a.O., Seite 132 | | |
Begleitet sind diese informativen Zeilen durch zwei Fotos, die in der Historien-Show in Pullman City aufgenommen wurden. Sie zeigen, dass der Mythos immer noch lebt und die Massen anzieht. Im oberen der beiden Bilder wird der amerikanische Bürgerkrieg inszeniert, im unteren werden Rinder durch eine Stadt getrieben.
Auf den folgenden Seiten wird nachgezeichnet, wie dieser Mythos durch » Buffalo Bill, dass Hollywood Kino und die amerikanische Besatzungsmacht (durch die der Autor an das Westernreiten geriet) den Mythos nach Deutschland gebracht haben. Dann kam die Zeit, wo die Westernreiterei um definiert wurde als Sport. Das Cowboy-Image wurde lästig.
| Über den Sport haben die Westernreiter versucht, ein neues Image aufzubauen. Gerade die Spezialisierung führte zu einer Anhebung der Qualität. Später kamen auch die traditionellen Rinderdisziplinen dazu wie Cutting, Working Cowhorse, Team-oder Cattle-Penning. Damit war man wieder etwas näher dran an der eigentlichen Arbeit eines Cowboys. Vor einigen Jahren hat man zum Beispiel versucht, Roping einzuführen, ist dann allerdings an einer gewissen Unkenntnis gescheitert. Damals wusste keiner, dass man die Rinder auch trainieren muss. Für die Zuschauer ergab das ein sehr chaotisches Bild.
DER „ALLROUNDER“ IST EIN AUSLAUFMODELL
Andere Disziplinen wurden immer spezieller und jeder wollte immer mehr Sport. [...] Mittlerweile ist es soweit, dass ein einziges Pferd nicht mehr in allen Disziplinen mithalten könnte. [...] Nachdem der Weg der Spezialisierung durchlebt ist, sieht man, dass viele Leute das Wesentliche einer Pferdeausbildung nicht mehr erkennen. Der Weg des Trainings wird immer mehr abgekürzt, es wird wesentlich mehr an den Manövern gearbeitet, anstatt an der Basis und der Gymnastizierung des Pferdes. Irgendwann überlegt man und denkt, es muss doch etwas mehr geben, als nur noch den Stress, aus Turnier zu fahren. Jedes Pferd muss hundertprozentig laufen, man hat nicht mehr viel Zeit für eine viele gerechte Ausbildung. Die Idee vom Allrounder, vom Vielseitigkeitspferd in Westernreiten, die ist weg. Es hat keiner mehr etwas anderes gemacht als Reining, Reining, und nochmals Reining.
a.a.O., Seite 136 | | |
Der Mann war ausgebrannt. Und dann besann er sich auf etwas Neues:
| Irgendwann war mir klar, ich musste etwas machen, was für meine Seele richtig ist.
a.a.O., Seite 138 | | |
Ein erstaunlicher Satz. Der Mann hat nicht nur eine Seele, er redet auch davon und nimmt ihre Bedürfnisse ernst.
Er (oder seine Texterin) kann aber auch sehr gut Zusammenhänge herstellen. Die ersten beiden Kapitel „IM GALOPP DURCH DIE GESCHICHTE“ und „ALLES WESTERN - ODER WAS?“ bringen sehr wenig für die tägliche Praxis, sind aber ein Vergnügen zu lesen und bereiten die Grundlagen für die Ethik des Autors vor.
| EINE RASSE IM WANDEL
[...] Die Spezialisierung im Sport, also die Konzentration auf einzelne Turnierdisziplinen, zieht eine ebensolche Selektion in der Zucht nach sich. Innerhalb der Rasse haben sich verschiedene Typen und Schläge herausgebildet. Diese Spezialisierung geht nicht ohne Probleme vonstatten. Das Ansehen der Quarter-Horse-Zucht hat schwere Einbußen erlitten durch das massenweise Auftreten von Hufrollenentzündungen und die Labilität der Gleichbeine. Es kommt - wie bei anderen Pferderassen auch - sehr auf die Anpaarung an. Jeder, der sich intensiv mit dem Thema Zucht beschäftigt, weiß, dass Pferde mit einem stabilen Fundament, (sic!) diese Eigenschaften verlieren, wenn sie zu stark mit Vollblütern beziehungsweise Arabern gekreuzt werden. Und im Falle des Quarters musste man lernen, dass man ein Pferd mit übertriebenem Muskulatur- und Fleischansatz nicht mit dünnen Beinen und kleinen Hufen züchten sollte. Je mehr man wieder zu einem einheitlichen Exterieur kommt - athletischen Körperbau mit dazu passenden Beinen - umso weniger hat man das Problem des frühzeitigen Verschleißes.
Neben den bekannten Auswüchsen in der Zucht kommt die Problematik des frühen Anreitens dazu, die sich meines Erachtens als schwerwiegender darstellt. Zu früh und zu schnell wird im Training vorgegangen, speziell für die Futurities, das sind Wettbewerber für dreijährige Pferde. Wenn man ein solches Futurity-Pferd vor sich sieht, hat dieser „Teenager“ schon fast zwei Jahren Training hinter sich. Mit etwa 18 oder 20 Monaten wird es angeritten. Gerne wird erzählt, das Pferd geht wieder auf die Koppel, um in Ruhe weiter zu wachsen, aber bei den meisten Trainern wird durchgeritten. Mit drei Jahren ist ein Pferd weder ausgewachsen noch reif genug für diesen Stress. Und durch zu frühes und zu schnelles Training entstehen Labilität im Knochen-, Bänder- und Sehnenapparat. Der Begriff des „frühreifen“ Pferdes ist medizinisch nicht zu stützen. In erster Linie handelt es sich um einen wirtschaftlichen Umstand. Jedes Pferd, das lange im Stall steht, kostet nun mal Geld!
a.a.O., Seite 33,34 | | |
Und das Geld hat den Sport geprägt und das Westernreiten, so wie er es kannte und liebte, ruiniert. Im zweiten Kapitel erzählt der Autor vieles aus seiner eigenen Geschichte, die gleichzeitig die Geschichte des Westernsports in unserem Lande ist.
Im dritten Kapitel „DIE AUSBILDUNG EINES JUNGEN PFERDES“ wird Roger Kupfer schließlich ziemlich konkret und diskutiert im einzelnen gut illustriert sein Stufenprogramm, wobei er nicht umhin kommt, wieder über die Entwicklungen zu klagen, die durch die Professionalisierung und den steigenden finanziellen Druck entstanden sind.
Im vierten Kapitel „FREIES REITEN“ werden die Feinheiten vorgestellt, wobei der Autor sehr deutlich zwischen Reiten und Abrichtung unterscheidet. Eine Kostprobe aus dem Abschnitt „DAS ZUSAMMENSPIEL DER HILFEN“:
| Der Reiter muss hier also das Gefühl entwickeln, wie und wann sein Pferd die Anlehnung und die treibende Hilfe braucht. Zunächst natürlich im Schritt, dann im Trab. Im „jog“ ist es sicherlich einfacher als im „extended trot“, sollte aber nach einer gewissen Zeit möglich sein. Diesen „Jog“ gibt es nur in Westernreiten. Dieser gleichmäßig langsame kurze Trab ermöglicht viele Dinge, die sonst nur schwierig zu gestalten wären. Für den Reitschüler ist das zusammenwirken der Hilfen in einem langsamen Tempo besser zu erfühlen und damit überschaubarer. Allerdings besteht für das Pferd der Nachteil, dass der Rücken in dieser Gangart kaum gymnastiziert werden kann. Für einen gewissen Zeitraum nutze ich im Unterricht diese Gangart. Um allerdings Tragkraft zu entwickeln und etwas für den Pferderücken zu tun, braucht man den Schwung. Nur dann erfolgt die notwendige Dehnung und Biegung der Hanken, damit das Pferd unter seinen Schwerpunkt kommt. Ich arbeite also langsam an dem Zusammenspiel dieser Hilfen, bis das Pferd in Selbsterhaltung geht. Dabei bestimme ich den Rahmen. Habe ich diesen Rahmen erreicht, bin ich glücklich mit diesem Gefühl, dann komme ich langsam von der Anlehnung zum losen Zügel. Ob ein Pferd korrekt geht, vermittelt mir das Bewegungsbild. Ich will kein Pferd, das nach unten gedrückt ist und hinten nicht nach kommt, sondern ich will ein Pferd, das von hinten kommt und dann leicht wird in der Hand, wobei der höchste Punkt das Genick sein sollte!
a.a.O., Seite 107 | | |
Diese ausführlichen Eindrücke sollten Ihnen deutlich machen, dass sich das Studium dieses Buches lohnt. Der Autor hat etwas zu sagen, und er sagt es gut. Sein Anliegen ist ehrenwert und verdient Unterstützung. Es ist ein Segen, dass er sich zur Abfassung dieses Buches hat durchringen können. Daher wünsche ich diesem Buch viele begeisterte Leser und eine nachdrückliche Wirkungsgeschichte. Möge diese Rezension dazu beitragen.
erschienen 26.12.10
Siehe auch die folgenden Rezensionen: Ausgabe 236, Hackl, Bernd / Steen, Carola: › Basistraining für Pferde, Richtig ausbilden, Problemen vorbeugen Ausgabe 539, Holm, Ute / Steen, Carola : › Westernreiten - Ranchpferde ausbilden und trainieren
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