| | W. Popken im Fenster Selbstportrait 08/2004 | | | | Meine Meinung zu dem Buch: von › Werner Popken
Das Vorwort zu diesem Buch hat � Heather Blitz geschrieben, eine amerikanische Grand-Prix-Reiterin, die im Dezember diesen Jahres nach vielen Jahren in Europa wieder in die USA zur�ckkehren wird. Sie hat laut Selbstauskunft seit 1993 mit der Autorin gearbeitet und schreibt ihre internationalen Erfolge im wesentlichen dieser zu.
Ihre eigenen Kurse werden unter dem Titel � Mind Your Riding vermarktet, und so hei�t auch ihre eigene Internetseite im Untertitel - ein ganz deutliches Bekenntnis zu ihrer Lehrerin, die ihre Methode "Ride With Your Mind" genannt hat, abgek�rzt RWYM. Diese ist anscheinend auch sehr gesch�ftst�chtig; ihr � RWYM Newsletter, der auch das von ihr gegr�ndete "RWYM Network" unterst�tzen soll, ist bis auf eine kurze Leseprobe kostenpflichtig. �berhaupt gibt es auf ihrer Internetseite eine Menge zu kaufen, nicht zuletzt Kurse mit der Meisterin.
Frau Blitz beschreibt sich selbst als talentierte Reiterin, die ohne die Hilfe der Autorin viele Fehler nicht bemerkt h�tte und in viele Sackgassen geraten w�re. Das sei ihr insbesondere aufgegangen, als sie sich entschlossen habe, f�r die USA auf der Olympiade zu starten. Sie beeilt sich aber gleich zu betonen, dass jeder Reiter, auch der Anf�nger, von ihrer Methode profitieren kann. Aber nicht nur Reitern, sondern auch Trainern und Reitlehrern empfiehlt sie dieses Buch, auf dass diese ihren Sch�lern besser helfen k�nnen.
Nun gut, wieder ein Buch von jemandem, der genau wei�, wie es geht, und auf jeden Fall und ohne weiteres jedermann helfen kann. Selbstverst�ndlich geht es um grunds�tzliche biomechanische Fragen, man findet anatomische Zeichnungen, K�rper�bungen mit dem Stuhl oder mit einem Partner, wobei die Autorin sich auch als Modell zur Verf�gung stellte. Viele Illustrationen zeigen auch die Olympiareiterin mit ihrem preisgekr�nten Pferd Otto; ihre Meistersch�lerin hat n�mlich nicht nur das Vorwort geschrieben, sondern dient auch als Anschauungsmaterial. Der Anspruch wird durch folgende Schilderung noch einmal untermauert:
| Ich begegnete Heather zum ersten Mal 1994 als Folge einer Verkettung von gl�cklichen Zuf�llen: Eine ihre Sch�lerinnen besuchte an einem regnerischen Tag ein Turnier. Bei einem Wolkenbruch suchte sie Zuflucht an einem Buchstand und begann, in einem meiner ersten B�cher zu bl�ttern. Nachdem ihr Interesse geweckt war und sie es gekauft hatte, wollte sie auch nach meiner Methode unterrichtet werden. Sie und andere Sch�ler von Heather legten zusammen und bezahlten Heather einen Flug nach Kalifornien, wo sie schlie�lich an einem meiner Kurse f�r Lehrer teilnahm.
Die erste intensivere Begegnung erfolgte ein Jahr sp�ter, als ich von einem anderen professionellen Reiter eingeladen wurde, in Louisiana zu unterrichten. Ich erinnere mich an die gro�e, attraktive Frau, die damals 1994 ruhig im Hintergrund sa� (in einer f�r Amerikanerinnen untypischen Weise) und mir kaum Hinweise darauf gab, was sie dachte.
Heather und einige ihrer Sch�ler ritten in meinem Kurs in Louisiana; in Heathers erster Stunde wurde klar, dass sie ihre Sch�ler hervorragend ausgebildet, bei sich selbst aber einige wichtige Punkte �bersehen hatte. Es war allerdings auch sofort sichtbar, dass sie die F�higkeiten besa�, ungew�hnlich gut zu reiten.
Unsere erste Stunde war so beeindruckend und "umw�lzend", das ich dar�ber in meinem Buch "For the Good of the Rider" schrieb. Heather begann in R�cklage mit starker Aufrichtung des Oberk�rpers; sie zeigte die gleiche Haltung wie Diane in Kapitel 6.
Ich schnallte ihr die Steigb�gel 3 Loch k�rzer und versuchte sie - gegen betr�chtliche Widerst�nde - davon zu �berzeugen, ihre Rippen in Richtung H�fte nach unten fallen zu lassen. Sie gab sp�ter zu, dass sie, als sie schlie�lich tat, was ich verlangte, in Wirklichkeit dachte: "Ich werde sie umstimmen - sie wird sicherlich aufgeben." Als ich weiterhin auf meiner Anweisung bestand, zeigte ihr das Pferd sehr schnell den Wert der vorgenommenen Ver�nderungen in ihrer Haltung - und das Unterrichten wurde stufenweise einfacher. Das war der Beginn einer engen Freundschaft und Lehrer-Sch�ler-Beziehung, welche jetzt schon 12 Jahre dauert, in denen Heather einen bis drei meiner Kurse im Jahr besucht. a.a.O., Seite 30 | | |
Die Autorin ist also sehr erfolgreich; da es sich beim Reiten um eine k�rperliche Angelegenheit handelt, mag man sich zun�chst wundern, warum die Autorin die Rolle des Vorstellungsverm�gens (wie ich den Begriff "Mind" hier �bersetzen m�chte) so betont. Vermutlich ist jedem klar, dass k�rperliche Aktionen weitgehend unbewusst ablaufen und leicht verkrampft, auf jeden Fall aber v�llig falsch wirken, wenn man bewusste Korrekturen daran vornehmen m�chte. �hnlich wie man nicht auf Befehl spontan sein kann, kann man im Grunde auch nicht auf Befehl nat�rlich und unverkrampft sein.
Deshalb haben viele schon nach Wegen gesucht, dieses Dilemma zu umschiffen, und sind auf unser Vorstellungsverm�gen gesto�en. Unter dem Stichwort "Mentales Reiten" gibt es viele derartige Ans�tze, die den K�rper und seine Bewegungsabl�ufe gewisserma�en durch das Vorstellungsverm�gen �berlisten. Man liest immer wieder davon, dass man im Geiste reiten solle, und zwar bei jeder Gelegenheit, vielleicht nicht gerade beim Autofahren, aber etwa vor dem Schlafengehen.
Als Beispiel f�r die Vorgehensweise der Autorin zitiere ich aus dem eben erw�hnten Kapitel 6:
| [...] Foto 6.4 ist im ausgesessenen Trab am Anfang der Stunde aufgenommen. Diane wirkt straff und wie "aufpoliert". Man k�nnte glauben Diane reitet in feinster Haltung, jedoch ist sie am schlimmsten desorganisiert. Sie lehnt sich deutlich nach hinten; ihre Schultern sind hinter dem Ges�� und dieses wiederum hinter den F��en; der Absatz ist zu tief und zu weit vorne. Wenn wir das Pferd unter ihr wegziehen w�rden, w�rde sie auf dem Hintern landen.
Warum ich das so schlecht finde? Wenn Sie sich Dancer auf den Fotos 6.1, 6.2 und 6.4 ansehen, werden Sie feststellen, dass er zu tief und zu eng im Hals ist und "bergab" l�uft. Wenn alle Fotos ganz am Anfang der Stunde aufgenommen w�ren, w�re das nicht verwunderlich; das Problem ist jedoch, das Diane diese Haltung nicht so leicht ver�ndern kann. Es gibt einen gro�en Unterschied, ob jemand sein Pferd bewusst zu Anfang tief und sp�ter h�her einstellt, oder ob er keine andere Wahl hat, als das Pferd tief zu reiten. Im aktuellen Fall tr�gt Dianes Haltung zum Problem bei. Die Meister der Versammlung - von denen es in jeder Reitergeneration sowieso nur wenige gibt - wird man in den seltensten F�llen mit dem Oberk�rper hinter der Senkrechten sehen.
Lassen Sie mich die zugrunde liegende Biomechanik erkl�ren. Stellen Sie sich einen Reiter auf der Diagonalen im Mittel- oder starken Trab vor. Viele Reiter lehnen sich dabei nach hinten und bringen so ihren Schwerpunkt hinter den des Pferdes. Um die Dynamik, die das hervorruft, zu verstehen, stellen Sie sich vor, Sie st�nden auf einer Wolldecke auf einem polierten Boden. Wenn jemand die Decke nach vorn unter ihren F��en wegzieht, kippen Sie nach hinten; je mehr Sie nach hinten kippen, umso mehr rutscht die Decke nach vorn. Die gleiche Erfahrung haben Sie vielleicht beim Skilaufen gemacht, wenn Ihr Inneres beim Gedanken, sich den Berg hinunterzust�rzen, ins Zittern kam; instinktiv haben Sie sich zur�ckgelehnt - und sind damit sehr viel schneller geworden, als wenn Sie den Mut gehabt h�tten, ausbalanciert �ber Ihren Skiern stehenzubleiben. Wenn Sie sich auf dem Pferd zur�cklehnen, wird es auch unter Ihnen davonlaufen - mit dem Effekt, dass Sie zu einer Art Wasserskil�ufer werden, der vom pferdischen �quivalent eines Motorbootes mitgezogen wird.
Sollten Sie unvern�nftig genug sein, sich noch weiter zur�ckzulehnen, als das Pferd vom Ihnen weg beschleunigt, sagt Ihr K�rper nach den Gesetzen der Physik zum Pferd: Los, schneller ... Auch, wenn Sie mit aller Kraft am Z�gel ziehen und denken dass Sie "Whoa, whoa" sagen - Sie betr�gen sich selbst (siehe Abb. 6.2). Diese Fehleinsch�tzung der Wirkung unseres Verhaltens ist sowohl in unseren Instinkten als auch in unserer Kultur verankert.
Punkt 1 ist, dass Ihr Zug am Z�gel das Pferd dazu animiert, noch st�rker dagegen zu ziehen, weil es sich eingeengt f�hlt. Selbst wenn das nicht der Fall ist, bleibt immer noch Punkt 2: Ihre K�rperposition bringt das Pferd (die Decke, den Ski, das Boot) dazu, fortgesetzt von Ihnen weg zu beschleunigen. In anderen Zusammenh�ngen lernen wir meist sehr schnell, das wir dazu verurteilt sind, zu verlieren, wenn wir gegen die Gesetze der Physik handeln. Als Reiter sind wir in dieser Hinsicht jedoch besonders schwer von Begriff. a.a.O., Seite 117,118 | | |
Alle Kapitel werden in dieser Weise anhand der konkreten Probleme einer Sch�lerin illustriert; konsequenterweise tauchen deren Namen in der Kapitel�berschrift auf. Die Autorin unterstreicht ihren Anspruch, f�r Reiter jeglichen Kalibers zu arbeiten, indem sie nicht nur olympiareife Sch�lerinnen pr�sentiert, sondern beispielsweise auch solche, die sich dem Rentenalter n�hern. F�r das Kapitel 2.8: "Oberk�rper ausrichten" bat die Autorin eine Sch�lerin, die in ihrer Jugend erfolgreich Pferde in mittelschweren Pr�fungen vorgestellt hatte und als Amateur-Trainer ausgebildet war. Neben ihrem Hauptjob im Marketing hatte sie immer ein paar Reitsch�ler ausgebildet.
Seit sie jedoch entlassen war, hatte sie sich in ihrem Dorf freiberuflich etabliert und aus Neugier an einem Kurs "Bewusstheit durch Bewegung" teilgenommen, ein Bestandteil der Feldenkrais-Methode zur Wiederherstellung des Bewegungsgef�hls. Damit konnte sie an den Schmerzen im R�cken arbeiten, die sie seit einer ernsthaften Verletzung im Kindesalter, die sie durch intensives Schwimmtraining erworben hatte, so sehr qu�lten, dass ihr manchmal die Tr�nen in die Augen schossen. Infolgedessen sitzt diese Frau schief auf dem Pferd; dieses hat nat�rlich auch seine Geschichte und wird im einzelnen ebenfalls vorgestellt.
| Ihre alte Verletzung hat unausl�schliche Spuren hinterlassen; sie hat eine deutlich sichtbare Verdrehung im Oberk�rper nach links - zur weniger �blichen Seite. In den letzten drei Jahren hat sie einige Schichten der Zwiebel abgesch�lt - sowohl durchs Reiten selbst als auch durch die Feldenkrais-Arbeit; beides hat ihre reiterliche Entwicklung beschleunigt und ihr ein besseres K�rpergef�hl beschert. Foto 8.1 zeigt sie auf der linken Hand von hinten: Obwohl ihr Ges�� mittig auf dem Sattel platziert ist (nicht wie bei Sue auf Foto 7.6), beschreibt ihre Wirbels�ule eine C-Kurve nach links, so dass ihr Kinn links von der "Mittellinie" des Pferdes ist. a.a.O., Seite 151 | | |
Teil 2 des Buches hei�t "Der Kurs", Teil 1 "Theorie"; dessen erster Abschnitt besch�ftigt sich mit dem Lernen an sich. Der Kurs endet mit der fortgeschrittenen Arbeit, also �bungen auf h�chstem Niveau, wobei wiederum Heather der Hauptdarstellerin abgeben darf.
In der Einleitung beschreibt die Autorin, wie sie sich auf ihre zahlreichen Reisen vorbereitet und welche Rolle dabei Reisef�hrer spielen.
| Wenn Sie dieses Buch lesen, hoffe ich, dass Sie sich gleichfalls auf eine Reise begeben. Denn dies ist ein Reisef�hrer oder auch eine Karte, welche den Weg von verschiedenen Standpunkten aus zum Ziel, dem geschickten und feinf�hligen Reiten, zeigt. Es gibt jedoch nicht zwingend eine Verbindung zwischen dem In-die-Hand-Nehmen einer Karte und der eigentlichen Reise. Manche Leute schauen einfach aus Interesse oder zur Zerstreuung in eine Karte. Hoffentlich wissen sie dann auch, dass sie nur zweckfrei schauen. Wenn sie auf eine Speisekarte schauen, wissen sie sicherlich dass sie die Mahlzeit noch nicht gegessen haben. Ich bin jedoch nicht davon �berzeugt, dass alle Leute, die ein Buch wie dieses lesen, wissen, dass sich jede Aktion nur in ihren K�pfen abspielt - auch wenn sie angesichts einiger Geschichten oder ungew�hnliche Ideen nicken, nachdenken, kichern oder seufzen. a.a.O., Seite 10 | | |
So ist es! Man muss ein solches Buch nat�rlich erst einmal kaufen und studieren, den Inhalt sacken lassen und im Herzen bewegen, dann aber in der t�glichen Praxis umsetzen. Und dazu empfiehlt es sich unter Umst�nden auch, Kurse zu belegen, wie das die Spitzenreiterin Heather Blitz seit Jahren tut und auch in Zukunft zu tun gedenkt. Jedenfalls m�chte die Autorin ihre fortgeschrittenste Sch�lerin bis zum Sieg bei den Olympischen Spielen begleiten.
Im Epilog wird die Analogie zur Karte noch einmal ganz konkret:
| Dieses Buch habe ich geschrieben, weil ich die Karte, die ich f�r gute Reitf�higkeiten entwickelt habe, �ber das Level hinausbringen wollte, das ich bis jetzt beschrieben habe. Ich wollte einen �berblick �ber gutes Reiten geben, wie ich es zurzeit verstehe - einschlie�lich der Seiteng�nge; ich wollte Ihnen helfen, zu verstehen, dass die Phrasen und Anweisungen der g�ngigen Reitlehren, die Sie so oft geh�rt haben, eine Bedeutung (in der Gehirnkarte) haben k�nnten, die sich von derjenigen, die Sie bis jetzt damit verbunden haben, deutlich unterscheidet. Ich wollte Ihnen klarmachen, wie leicht dies in einer Kultur geschehen kann, die eine undeutliche Sprache benutzt und routinem��ig ein Z f�r ein A ausgibt. a.a.O., Seite 223 | | |
Also: Viel Vergn�gen!
erschienen 01.11.09
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