| | Moderner, sportlicher Pferdetyp Schnappschuß April 2008 bei Kasselmann | | | |
| | | W. Popkens gute Aphrodite selig, geboren 1978, ein typischer Hannoveraner alten Typs | | | |
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Natürliche (klassische) Ausbildung Lösen, Stellen und Biegen, Gedanken zur Zucht von › Gudrun Schultz-Mehl
Zum Thema Ausbildung |
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WIR SITZEN HEUTE IM VERGLEICH ZU FRÜHEREN WARMBLÜTERN VORWIEGEND AUF BEWEGUNGFREUDIGEN PFERDEN MIT LEICHTEM KÖRPERBAU Die züchterischen Bemühungen, die nach dem zweiten Weltkrieg vor allem darauf ausgerichtet waren, elegante und rittige Pferde zu züchten, haben den Reitern von heute diese vielen eleganten, hoch im Blut stehenden und beweglichen Pferde, die dem Typ des Vollblüters ähneln, zur Verfügung gestellt. Sie können wie die Forellen durch die Ecken flutschen. Sicher entsprechen diese hochbeinigen, zartgliedrigen und feinnervigen Pferde dem Wunschdenken und dem ästhetischen Empfinden von Reitern eher als das frühere stämmige und rumpfige ‚Wirtschaftspferd', das bis nach dem zweiten Weltkrieg auch für die Reiter noch die Regel war. Dieses hat damals in erster Linie als Helfer in der Landwirtschaft, als vierbeiniger Soldat und als Beförderungsmittel im Alltag der Menschen eine Rolle gespielt und wurde erst in zweiter Linie als Sport- und Freizeitpferd eingesetzt. Viele der Pferde waren im Alltag Arbeitspferde, wurden aber außerdem als Reitpferde genutzt. Natürlich erforderte diese ‚Doppeltätigkeit' der Pferde einen passenden Pferdetyp, ein zwar auch bewegungsfreudiges, aber rumpfigeres, kräftiges Pferd mit strammem Rücken, ein Pferdetyp zwischen Kaltblüter und Vollblüter = den Warmblüter älteren Schlags. Das Warmblutpferd spielt heute die dominierende Rolle in der weltweiten Reiterei, entspricht aber als Sportpferd inzwischen in großer Zahl mehr dem Typ des Vollblüters. Das hat den Reitern für den Spring- wie auch für den Dressursport wunderschöne, hervorragende Pferde gebracht. Für die Masse der Reiter jeglicher Couleur sind sie meiner Meinung nach aber häufig eine Nummer zu groß, was ihren anfälligeren Rücken, ihr Wesen und Temperament, ihr ‚Interieur' angeht. Da wünschte ich mir bei den Unterrichtsstunden in Vereinen und sonstigen Ausbildungsbetrieben für die dort vorherrschende Masse der Auch-Reiter den früheren Typ des solideren Hannoveraners, Holsteiners, Baden-Württembergers zurück, um nur einige zu nennen. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir bei den Pferden zur Zeit meiner Jugend und auch noch ein bis zwei Jahrzehnte nach dem zweiten Weltkrieg mit derart vielen Rückenproblemen bei Pferden zu kämpfen hatten und derart überzogene Anforderungen an die Sättel stellten, während man es bei unseren heutigen Pferden zunehmend mit Rückenproblemen zu tun hat und fast ein Pferdeleben lang fortdauernd auf den akkurat passenden Sattel achten muss. Natürlich: gute Reiter und richtiges Reiten sollen vor diesen Problemen schützen - so einfach wäre das. Aber auf welchen Pferden sollen denn die Reiter zu guten Reitern ausgebildet werden? Da liegt der Hase im Pfeffer: die für die Masse der Reiter im Typ mental und körperlich geeigneten Pferde werden in der Sportreiterei nicht mehr verlangt und deshalb kaum mehr gezüchtet. Die Zucht ist über die große Masse der Durchschnittsreiter hinweggegangen. Haflinger, Tinker, die kleinen Isländer und ähnliche Tragpferde können dem lernenden Reiter nicht zu dem Reitgefühl verhelfen, das doch das höchste Glück der Erde sein soll. Wenn er dann später auf einen der heutigen Warmblüter umsteigt, dann wird er mit ganz anderen Bewegungen konfrontiert als denen, die er bisher kannte. Er wird zunächst auf diesen Pferden wieder zum Anfänger und wird neu lernen müssen. Man hat dem Turniersport den Vorrang gegeben und vernachlässigt, Warmblüter zu züchten, die auch unter einem weniger talentierten und unter einem ungeübten Reiter so leicht keinen Schaden nehmen, vor allem, was deren Rücken anbelangt. Die Sucht, im internationalen Sport möglichst besser zu sein als andere, spielt auch beim wettkampfmäßigen Reiten eine so hervorgehobene Rolle, dass die Pferdezucht sich vor allem dieser Forderung stellte. Dass die Masse der Reiter aber an diesen Wettkämpfen gar nicht teilnimmt, wurde nicht berücksichtigt. ‚Kracher' zu züchten war und ist die Devise, auch wenn vor allem die Pferde die Leidtragenden sind, wenn sie sich unter Reitern bewegen müssen, die ihnen nicht gewachsen sind oder von denen sie nur mit einiger Gewalt beherrscht werden können. Durch diesen Gedankensprung zum Thema Warmblutzucht komme ich aber zum positivem Aspekt der auf den heutigen Stand hochgezüchteten ‚Bewegungskünstlern'. Dieser zeigt sich unter anderem auch durch die größere seitliche Beweglichkeit; dem gut ausgebildeten Reiter genügen daher auch leichtere Hilfen, um korrekte Stellung und Biegung bei ihnen zu erreichen. Damit sind wir wieder beim Thema.
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