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Bericht Zum Thema  Pferdemarkt · Gesamttext
Inhaltsverzeichnis Ausgabe 214.03 der Pferdezeitung vom 04.05.03
 Menü Hauptartikel 214
 Europas größter Pferdemarkt 
 Pferdehändler  "Meine" Händler  Vertrauen
 Liebe auf den ersten Blick  Der Pferdepaß  Qualität des Angebots  Kaufen und Verkaufen  Leserresonanz
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Hartware und Lebendware

    Europas größter Pferdemarkt   
    Der Markt in Hamm in Zeiten des Umbruchs   
von   Werner Popken



Immer wieder einmal habe ich davon gehört, aber noch nie war ich da: Pferdemarkt in Hamm. Zweimal im Monat findet der Markt in Hamm statt, jeweils in den geraden Wochen am Mittwoch, von 8:00 bis 14:00 Uhr. Gegründet wurde er 1948 in Dortmund, in den 60er Jahren ist er nach Hamm umgezogen, in die » Zentralhallen.

Hamm ist nicht gerade aufregend als Stadt und Standort, ein bißchen bedeutender als Kaunitz durch das Oberlandesgericht, aber keineswegs schick. Die Richter und Anwälte am Oberlandesgericht mokieren sich ein bißchen über diese Stadt und ziehen es im allgemeinen vor, in Münster zu wohnen und täglich nach Hamm zu pendeln.

Wer hätte gedacht, daß an diesem unscheinbaren Ort Europas größter regelmäßiger Pferdemarkt stattfindet? Man wundert sich. Es gibt vermutlich größere Pferdemärkte, aber die finden nicht regelmäßig und schon gar nicht so häufig statt.

Ziemlich in der Nähe, vielleicht eine halbe oder dreiviertel Stunde Autofahrt entfernt, gibt es schon den nächsten regelmäßigen Pferdemarkt: in Kaunitz. Kaunitz ist im Vergleich zu Hamm ein Riesenrummel. Die Pferde spielen dort nur eine ganz untergeordnete Rolle; es gibt alle möglichen Tiere dort zu kaufen, von Würmern über Federvieh, allen Arten von Haustieren bis hin zu Pferden und auch sonst noch alles, was man auf einem Flohmarkt erwarten würde.

Das ist in Hamm ganz anders. In Hamm gibt es nichts außer Pferden und Pferdezubehör. Als wir 1995 das erste Mal in Kaunitz waren, haben wir die Pferde zunächst überhaupt nicht gefunden und wunderten uns schon sehr (siehe  Kaunitz). Dann haben wir jemanden fragen müssen, der sich auskannte. In Hamm braucht man niemanden zu fragen - es gibt nichts anderes, man kann die Pferde nicht übersehen.

In Kaunitz habe ich 1995 auf dem monatlich stattfindenden Markt (jeweils am ersten Samstag) Cara und Smoky gekauft und diesen Kauf niemals bereut, obwohl manch einer die Hände über dem Kopf zusammenschlagen würde ob solcher Unvorsichtigkeit (siehe  Etwas für mich). Wir hatten so gut wie keine Ahnung und Pferdehändler sind ja, wie jeder weiß, ausgemachte Ganoven. Das inzwischen ungebräuchliche Wort Roßtäuscher beschreibt sehr genau, was sich der Volksmund unter einem Pferdehändler vorstellt. Auf einem Markt ohne Beratung durch einen vertrauenswürdigen Experten ein Pferd zu kaufen - davon wird einem jeder abraten, der sich in der Materie auskennt.



Pferdehändler


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Der Stock weist den Pferdehändler aus
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Der schaut dem Pferd ins Maul
Die meisten Menschen würden viel lieber privat kaufen als bei einem Händler. Das erscheint so selbstverständlich, daß man vermutlich gar nicht darüber nachdenkt. Aber ist das wirklich so selbstverständlich?

Ich habe mich darüber immer gewundert. Wenn eine Privatperson ein Pferd verkauft: welche Motive stecken dahinter? Kommt diese Person mit dem Pferd nicht mehr klar? Hat dieses Pferd Mängel, so daß es nicht mehr brauchbar ist? Soll über diese Mängel hinweggetäuscht werden, damit der Kauf zustandekommt?

Mit anderen Worten: Wieso sollte eine Privatperson vertrauenswürdiger sein als ein Händler? Im Gegenteil: ein Händler dürfte vertrauenswürdiger sein, weil er vom Handel lebt. Würde er mit gezinkten Karten spielen, wäre das direkt geschäftsschädigend - in ziemlich kurzer Zeit wäre sein Ruf ruiniert.

Astrid Lindgren schildert das sehr einfühlsam in der Szene, wie Michel sein Pferd Lukas auf dem Markt in Lönneberga bekommt: Der Pferdehändler muß zu seinem Wort stehen, sonst hätte er sich unter den Bauern unmöglich gemacht (siehe  Michel aus Lönneberga).

Dabei ist ein Händler in einer wesentlich schlechteren Situation als ein Züchter. Der Züchter kann die Qualität seines Produktes in einem gewissen Maße beeinflussen, die Erziehung und die Ausbildung sogar ziemlich gut.

Der Händler dagegen kennt die Vorgeschichte der Pferde, die er kauft, im Regelfall nicht. Er muß sich also vor allen Dingen auf seine Erfahrung stützen, damit er seinerseits nicht hereingelegt wird und problematische Pferde ankauft, die er nur mit einem gewissen Risiko verkaufen kann.

Der Privatmann kann in der Regel eine solche Erfahrung nicht entwickeln, weil er zu selten Pferde kauft. Er läßt sich vielleicht auch vom Gefühl leiten und übersieht Anzeichen, die dann später dazu führen, daß er seinen Fehler erkennt und sich unbedingt von diesem Pferd wieder trennen will, vielleicht sogar trennen muß. Der Händler ist wesentlich weniger in dieser Gefahr, weil er ständig kauft und verkauft und sein Gefühl deshalb meistens unbeteiligt ist.

Vergleichen wir die Sache doch einmal mit dem Autokauf: Ein Händler sollte das Auto, das er verkauft, zuverlässiger beurteilen können als der durchschnittliche Laie, der alle paar Jahre einmal ein Auto kauft.

Der Privatverkäufer versteckt seine Absichten im Regelfall hinter seiner Unwissenheit und behauptet, von Autos rein gar nichts zu verstehen und deshalb auch keine Aussage über die Qualität des angebotenen Fahrzeuges machen zu können. Bei ihm sei das Auto immer absolut zuverlässig gelaufen. Wer ist noch nicht beim Autokauf übers Ohr gehauen worden?

Die entsprechenden Kaufverträge sehen denn auch normalerweise vor, daß eine Gewährleistung ausgeschlossen ist: "wie besichtigt und probegefahren". Wenn am nächsten Tag der Auspuff abfällt, hat der Käufer Pech gehabt. Das hätte er vielleicht sehen können. Ein Händler hätte das sehen müssen und er hätte es auch gesehen, schon um sich den Ärger zu ersparen und seinen guten Ruf zu schonen.


"Meine" Händler


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Ein schicker Haflinger vor der Halle
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Johannes Kleinehellefort und Frau
Beim Pferdehandel hat sich ebenfalls ein Gewohnheitsrecht herausgebildet, das eine Gewährleistung im Regelfall ausschließt, ausgenommen bestimmte Hauptmängel (siehe  Gewährsmängel und das neue Recht beim Pferdekauf).

Das macht durchaus Sinn bei lebenden Tieren, denn das Verhalten eines Tieres hängt natürlich sehr davon ab, wie man mit ihm umgeht, und darüber hat der Verkäufer ab Zeitpunkt des Verkaufs keine Kontrolle mehr. Er kann dafür also auch keine Verantwortung übernehmen.

Darauf hatte mich der Verkäufer meines Pferdes ausdrücklich hingewiesen. Als Aphrodite im Hänger stand, erklärte der Züchter den Gefahrenübergang als vollzogen, sobald der Hänger von seinem Hof gerollt sein würde (siehe  Aphrodite).

Ich kann mich noch genau erinnern, wie mich dieser Satz beeindruckt hatte. Darüber hatte ich mir noch nie Gedanken gemacht, diese Redewendung war mir neu; ich verstand den Sinn aber sofort. Ich stand im Begriff, die volle Verantwortung für ein riesiges Tier zu übernehmen, das ich überhaupt nicht kannte. Was würde da passieren?

Der Verkäufer konnte nicht wissen, wie gut oder schlecht ich mit Pferden umgehen konnte. Er konnte keine Verantwortung für mein Verhalten übernehmen. Der Zeitpunkt der Übergabe mußte deshalb genau definiert werden.

Ich war mir aber auch nicht genau darüber im klaren, was ich da eingekauft hatte. Aphrodite war hinter dem Bauern hergelaufen wie ein Hund - das hatte mich sehr für sie eingenommen. Das war die Aphrodite, wie sie sich mit dem Züchter darstellte. Mit mir sollte die Sache ganz anders aussehen.

Sie hatte praktisch ihr ganzes Leben auf dem Hof des Züchters verbracht. Dieser Bruch mußte doch für sie traumatisch sein - und das war es auch. Aber das war es nicht allein. Sie war nie "in die weite Welt" hinausgekommen und hatte wahnsinnige Angst vor allem Neuen. Das hatte ich nicht erkannt und das hatte der Züchter auch mich deutlich gemacht - im Gegenteil, er hatte Bedenken in diese Richtung heruntergespielt: "Noch letzte Woche war sie mit auf einem Ausritt dabei". Genau: in einer Gruppe mit Pferden, die sie kannte, in einer Landschaft, die sie kannte.

Fast ein ganzes Jahr habe ich sehr um sie gekämpft. Aber schließlich lernte sie doch, mir zu vertrauen, das Neue wurde zur Gewohnheit und sie gewann ihr altes Wesen wieder. So lernte ich, was es bedeutete, die Verantwortung für Aphrodite zu übernehmen. Für diese ganzen Schwierigkeiten konnte ich nun aber keineswegs den Verkäufer haftbar machen.

Bei meinem Besuch in Hamm habe ich die beiden Händler wiedergetroffen, von denen ich damals gekauft habe. Der eine, Johannes Kleinehellefort, hat uns die wunderbare Hessenstute Cara verkauft (siehe  Dillenburger Ramsnasen als Ahnen).


Vertrauen


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Eugen Bruschinski
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Ein beeindruckender Riese
Kleinehellefort hat mich sofort erkannt und angesprochen. Wir hatten uns in Kaunitz mehrfach wiedergesehen, unter anderem wegen des Fohlens, das er ohne Wissen mitverkauft hatte (siehe  Finnabair).

Stets hatte er versichert, daß er auf seine Reputation bedacht ist und von zufriedenen Kunden lebt. Leider kann ich nicht ständig Pferde kaufen; meine Kundenzufriedenheit hat ihm also nicht unmittelbar genützt.

Heute möchte er nicht mehr als Händler auftreten. Die Zeiten haben sich geändert, er hat seinen Stock an den Nagel gehängt und ist Züchter geworden. Das ist auch kein leichtes Brot, und als ich ihm erzählte, welch bitteres Ende Cara erlebt hat (siehe  Sorgenkind Cara), konnte er mit ebenso haarsträubenden Geschichten aufwarten.

Der andere, Eugen Bruschinski, der uns den guten Smoky verkauft hat, konnte sich nicht an mich erinnern. Er ist jetzt über 70 Jahre alt und leidet unter allgemeinem Gedächtnisschwund: In ein paar Stunden werde er sich nicht mehr an das erinnern können, was wir beide jetzt besprechen. Bruschinski hat vor ein paar Jahren das Fohlen gekauft, das Cara gebracht hat; auch daran konnte er sich nicht mehr erinnern.

Aber er versicherte erneut, wie damals schon, daß auch er, wie jedermann, leben müsse, und versuche, auf anständige Art sein Geld zu verdienen. Das hatte mir seinerzeit bereits gefallen. Die Verhandlung mit ihm habe ich in sehr guter Erinnerung.

Und dann sprach er aus, was bei Geschäften den Ausschlag gibt: "Ich schaue den Menschen an, und dann weiß ich, mit wem ich es zu tun habe." Genau. Wir schauen dem anderen in die Augen und dann sagt uns unser Gefühl, ob wir vertrauen können oder nicht.

Ich hatte damals das Gefühl, Johannes Kleinehellefort und Eugen Bruschinski vertrauen zu können - mein Gefühl hat mich nicht getrogen.

Das Vertrauen spielt immer eine große Rolle, aber besonders unter Pferdehändlern. Bekanntlich schließen die ihre Geschäfte mit Handschlag ab. Ich habe einen solchen Handschlag fotografiert, aber leider ist das Foto nichts geworden: die Lichtverhältnisse waren zu schlecht und die Bewegung zu schnell.

Die Pferdehändler sind leicht zu erkennen: Sie tragen alle eine bestimmte Art Spazierstock. Leider habe ich versäumt, danach zu fragen. Aber vielleicht wissen sie gar nicht, warum sie das tun. Bruschinski hat seinen Stock ebenfalls Zuhause gelassen, weil er beide Hände für seinen Gehwagen braucht. Die Beine und das Herz wollen nicht mehr so recht.


Liebe auf den ersten Blick


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Noch etwas mißtrauisch
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Erinnerung an alte Zeiten
Als ich in die Halle kam, sah ich zunächst die fliegenden Händler mit dem üblichen Zubehör und bekam einen ersten Eindruck über die Größe der Halle: nicht besonders groß, etwa so groß wie die in Kaunitz, die vollständig von Kleintieren bevölkert ist: Die Pferde stehen draußen, ganz am Rande des Geländes - deshalb haben wir sie erst gar nicht entdecken können.

In Hamm sah ich die ersten Pferde ziemlich bald. Etwa ein Drittel der Halle wird durch die Zubehör-Händler eingenommen, der Rest gehört den Pferden. Die können sich über Mangel an Platz nicht beklagen. Dafür hörte ich allenthalben Klagen der Händler, ob es nun Pferdehändler oder Zubehörhändler waren. Der Markt war nicht mehr das, was er einmal gewesen war.

Ein großes, schönes Pferd zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Es wurde von einer Frau bewundert, die nach dem Händler Ausschau hielt; aber niemand wußte Bescheid. Das wunderte sie doch sehr. Wollte der etwa gar nicht verkaufen?

Wie sich herausstellte, wollte sie eigentlich gar nicht kaufen, denn sie hatte bereits ein Pferd, das sie vollständig auslastete. Dieses große, ruhige Tier hatte es ihr aber angetan, alle Vorsätze gerieten ins Wanken. Ich konnte das gut verstehen: dieses Pferd gefiel mir auch sehr. Es war sehr zutraulich und fing bald an, mit der Frau zu schmusen.

Die Frau wurde begleitet von ihrem Nachbarn, der vor 30 Jahren regelmäßig diesen Markt besucht hatte und mir nun einen Begriff davon gab, wie es hier einmal ausgesehen hatte. 400 Pferde drängten sich hier, jetzt mochten es vielleicht um die 40 sein. Dazu kamen noch etwa 80-100 Kühe. Das Standgeld kostete 3 Mark. Und dann hörte ich eine Geschichte über die rauhen Sitten der Pferdehändler.

Der eine hatte dem anderen etwas per Handschlag verkauft und anschließend hatte man den Handel in der Kneipe begossen. Währenddessen war es den Pferden wohl zu eng geworden, es war zu einer kleinen Keilerei gekommen, das verkaufte Pferd wurde an einem Bein verletzt und stand nun auf drei Beinen. Der Käufer war natürlich empört, hatte er jetzt doch ein unbrauchbares Pferd.

Der Verkäufer hatte aber leichtes Spiel: "Ich habe dir ein Pferd mit vier Beinen verkauft, und deshalb mußt du zahlen. Wenn das Pferd jetzt nur noch drei Beine hat, ist das nicht mein Bier." So mußte der Käufer also den Schlachter kommen lassen und in den sauren Apfel beißen, wie weiland der Pferdehändler bei Michel in Lönneberga.

Der Erzähler fand diese Geschichte offenbar nicht gut; bei einem Kauf von Privat könne man doch eine Probezeit von vier Wochen vereinbaren und das Pferd zurückgeben, wenn man damit nicht klarkomme. Das war mir neu; Verträge können aber beliebig ausgehandelt werden, warum also nicht auch eine Probezeit vereinbaren? Das hängt überhaupt nicht davon ab, ob man den Vertrag mit einem Händler macht oder mit einem Privatmann.


Der Pferdepaß


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Ein wunderschönes Gespann
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... und noch eines
Es ist mit Sicherheit nicht üblich, eine Probezeit mit Rückgaberecht zu vereinbaren, auch nicht beim Gebrauchtwagenkauf. Es geht immer um den Gefahrenübergang: Als Verkäufer habe ich keinen Einfluß auf die Ware, wenn der Erwerber sie übernommen hat. Wie mag der wohl mit dem Auto umgehen? Und wenn dann etwas kaputtgeht? Wieso sollte der Verkäufer dafür geradestehen müssen?

Wieviel mehr muß das beim Verkauf lebender Tiere gelten? Man kann die Frage aber auch umgekehrt stellen: Würde der Verkäufer das Tier jedem beliebigen Käufer anvertrauen? Privatleuten und Züchtern ist es in der Regel nicht egal, in welche Hände das Tier kommt. Zuweilen vergewissern sie sich, daß es die Pferde gut haben und behalten sich vor, den Kauf rückgängig zu machen, wenn sie Bedenken haben (siehe  Das Geschäft).

Ist es einem Händler egal, wer das Pferd kauft? Vermutlich schon eher, da er die Tiere nur kurzzeitig in seinem Besitz hat und einfach viel zu viele durch seine Hände gehen müssen, als daß er sich um jedes einzelne besondere Gedanken machen könnte.

Aber das war ja nur eine Randbemerkung, eigentlich ging es um den Niedergang des Marktes. Die Klage des alten Mannes, der der früheren Blüte des Marktes nachtrauerte, wurde von praktisch Jedermann mit diesen oder jenen Worten wiederholt. Diese Klagen waren auch für jemanden wie mich, der zum erstenmal auf diesen Markt war, gut nachzuvollziehen. Es war nicht zu übersehen, daß mindestens doppelt so viele Pferde gut Platz gehabt hätten.

Die Besucherzahlen hätten ebenfalls gern um ein Vielfaches größer sein können, noch dazu, wo es keinen Eintritt kostet. In Kaunitz wird Eintritt verlangt, wenn auch nur wenig. Die Frage liegt also auf der Hand: Warum geht es mit dem Markt abwärts? Manche meinten sogar, lange könne es nicht mehr so weitergehen.

Viele Theorien wurden entwickelt, aber in einem war man sich einig: der Pferdepaß hat den Markt ruiniert. Der Pferdepaß ist schuld, daß nicht nur der Markt in Hamm leidet, die ganze Branche ist am Ende. Diese Klage hörte ich schon am Eingang, wo jemand indianischen Schmuck feilbot. Diese Klage wiederholte der Händler, dem das Pferd gehörte, in das sich die Frau verguckt hatte.

Genauer gesagt: es hatte ihm gehört, er hatte es gerade verkauft. Den Preis wollte er nun nicht mehr nennen: " Die Karten werden neu gemischt." Dafür wollte er mir das Haus verbieten, er sei im Vorstand der Interessengemeinschaft, von den Journalisten habe er die Nase voll, ich dürfe hier nicht berichten und schon gar nicht fotografieren. Damit hatte ich nun gar kein Problem. Ich wollte dem guten Mann etwas über Pressefreiheit, Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit und Informationspflicht der Journalisten erzählen, aber er ereiferte sich immer mehr, so daß ich mich zunächst einmal seinem Zorn widmen mußte.


Qualität des Angebots


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Nicht mehr viel los
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Gebrauchsfertig
Er wollte sich aber nicht beruhigen lassen und stürmte hinaus, um den Vorstand zu alarmieren und mir das Handwerk zu legen. Ich hatte ihn bald vergessen. Ich war mir sicher, daß rechtlich nichts gegen meine Absichten einzuwenden war. Die ganze Sache fand ich doch eher belustigend. Ich konnte mir schon vorstellen, warum er sauer auf die Journalisten war.

Der Pferdemarkt in Hamm war seinerzeit immer wieder in die Schlagzeilen gekommen. Hier wurden die Pferde an die Schlachter verscherbelt, hier konnte man Elend sehen, hier konnte man den einen oder anderen Skandal konstruieren. Für Tierschützer war der Pferdemarkt in Hamm ein gefundenes Fressen.

Davon konnte nun aber gar keine Rede mehr sein. Im Gegenteil: Ich war vollkommen überrascht über die Qualität der Pferde. Eines war schöner als das andere, das große Pferd, das die Frau bezaubert hatte, war keine Ausnahme, sondern die Regel: Hier standen so gut wie keine Pferde, die einen nicht auf der Stelle verzaubern konnten. Diese Entwicklung kam nicht von ungefähr.

Sie ist unter anderem eine Konsequenz des Pferdepasses. Auf diesen Markt kommt kein Pferd ohne Paß. Aber das reicht noch nicht einmal: Es muß die Untersuchung des Tierarztes überstehen. Natürlich kann die nur oberflächlich sein, aber immerhin: Die gröbsten Auswüchse lassen sich mit einer kurzen Prüfung sicher verhindern.

Die Qualität des Angebots sprang jedem in die Augen, auch denen, die den Pferdepaß für das ganze Elend verantwortlich machten. Keines der Pferde hier war reif für den Schlachter. Wo werden diese Geschäfte heute gemacht?

Nach wie vor haben viele Pferdebesitzer offenbar keine Pässe für ihre Pferde - wir auch nicht. Und viele Käufer sind daran auch nicht interessiert. Also geht alles weiter wie zuvor, bis auf die offiziellen Veranstaltungen wie den Pferdemarkt in Hamm, wo Kontrollen dafür sorgen, daß solche Tiere nicht angeboten werden können. Vermutlich wird man in Kaunitz heute auch kontrollieren, ich war schon lange nicht mehr da.

Alle waren sich einig, daß der Pferdepaß nicht mehr aus der Welt zu schaffen ist. Wieso ist er eigentlich ein so großes Problem, fragte ich mich und einen der Händler, die im Rahmen des Pferdemarktes Hamm eine maßgebliche Rolle spielen. Wenn gleiche Bedingungen für alle gelten, kann es doch eigentlich keine Probleme geben.


Kaufen und Verkaufen


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Mini-Pferd, Züchterin mit Pferdepaß
Die Kosten zum Beispiel, die mit dem Pferdepaß verbunden sind, haben alle gleichermaßen zu tragen. Üblicherweise werden Kosten auf den Käufer abgewälzt, wenn es möglich ist - andernfalls muß der Verkäufer sich die Mehrkosten aus den Rippen schneiden.

Da hatte ich aber etwas ganz Wesentliches übersehen! Diese Bedingungen gelten zwar gleichermaßen für alle, die an diesem Markt teilnehmen wollen, aber natürlich nicht für diejenigen, die außerhalb des Marktes verkaufen. Oder anders gesagt: Die Bedingungen verhindern, daß ein großer Teil des Angebotes überhaupt auf dem Markt erscheint.

Die Händler sind nämlich nicht nur hier, um zu verkaufen, sie kaufen auch ein. Sie können hier also Pferde ohne Paß weder kaufen noch verkaufen. Damit ist der Markt für die Händler weniger interessant geworden, und für das Publikum natürlich auch.

Auf der anderen Seite begrüßt das Publikum natürlich die Qualitätsverbesserung. Fast alle Pferde waren sorgfältig herausgeputzt und zurechtgemacht - ich kam aus dem Staunen fast nicht mehr heraus. Nach allem, was ich gehört hatte, erwartete ich Kaunitzer Verhältnisse. Dort machte man sich keine Mühe. Die Pferde wurden hingekarrt, angebunden, verkauft und gegebenenfalls wieder weggeschafft. Ein Pferdemarkt ist ja kein Opernball, nicht wahr?

Fast wäre ich ratlos wieder heimgefahren. Ich habe aber meine Chance genutzt und mit vielen Menschen gesprochen. Dabei habe ich eine ganze Reihe von interessanten Geschichten erfahren, die ich gerne noch erzählen möchte, und schließlich habe ich auch ein bißchen mehr Einsicht in die Mechanismen des Pferdemarktes bekommen. Daher: Fortsetzung folgt in der nächsten Woche.



Quellen


  1. » Zentralhallen
  2.  Kaunitz, Hauptgeschichte
  3.  Etwas für mich, Hauptgeschichte
  4.  Michel aus Lönneberga, Galeriebeitrag
  5.  Gewährsmängel und das neue Recht beim Pferdekauf, Tipp
  6.  Aphrodite, Hauptgeschichte
  7.  Dillenburger Ramsnasen als Ahnen, Hauptgeschichte
  8.  Finnabair, Hauptgeschichte
  9.  Sorgenkind Cara, Hauptgeschichte
  10.  Das Geschäft, Hauptgeschichte



Abbildungen
©  Gerd Hebrang


Leserresonanz


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3 Leserresonanzen zu Ausgabe 214 vom 04.05.03


28.04.03
 
Kommentar zu Seite   ›  /214.03/Europas_größter_Pferdemarkt/


06.05.2003 13:36:43

Pferdemarkt in Hamm

Hallo lieber Herr Stürenberg,

mit großem Interesse habe ich Ihren Artikel über den Pferdemarkt in Hamm gelesen, weil ich selber in Hamm wohne und diesen auch regelmässig besuche. Meine Stute habe ich ebenfalls von einem Händler gekauft, der auch regelmässig den Pferdemarkt besucht, aber dort nicht selber ausstellt. Die übliche Meinung vieler Händler hier in der Gegend zum Pferdemarkt ist diese : "Wenn Du ein Pferd nicht mehr los bekommst, bring es zum Pferdemarkt." Sozusagen als letzten Versuch bevors dann zum Abdecker geht. Mittwoch nachmittags nach dem Markt kann man am Hammer Bahnhof beobachten wie viele nichtverkaufte Pferde auf einen Zug nach Frankreich verladen werden. Auch ich habe bereits einmal sehr schlechte Erfahrungen gemacht. Zwar habe ich das damalige Pferd nicht direkt vom Markt gekauft, aber von einem Händler, der den Markt besuchte und beobachtete wie ich mich für ein Pferd interessierte. Sein Kommentar dazu: "Sie wollen doch nicht etwa hier ein Pferd kaufen? Ich habe eine schöne Stute stehen bei mir, die sollten sie sich mal anschauen!" Gesagt, getan, verliebt und gekauft. Die Stute ist nach 6 Wochen zu ihm zurück gegangen, mit enormen Verlust für mich, weil sich rausstellte das sie unter Kissing Spines litt. Eine Bekannte hat vom Markt eine Apfelschimmelstute gekauft (das schöne Gespann auf ihrem Foto steht genau an derselben Stelle am oberen Ende der Halle, würde mich also nicht wundern, wenn eines davon genau diese Stute ist). Nach drei Tagen stellte sich heraus das die Stute unter Spat litt. Sie hat sie zurück gegeben und 14 Tage später stand sie wieder am Markt. Sicherlich, als eher unerfahrener Käufer, der den Markt einmal im Jahr besucht, mag die ganze Szenerie sehr ansprechend sein, aber als regelmässiger Besucher erlebt man manchmal sein blaues Wunder. Jemandem der null oder wenig Ahnung vom Pferdekauf hat, würde ich nicht empfehlen dort ein Pferd zu kaufen. Die Tierärztin überprüft nur die Pferde die in die Halle geführt werden, draussen findet man dann die, die niemals Zugang bekommen hätten. Letzte Woche erst fand ich dort einen Händler vor der ca 6 Pferde an einen Hänger gebunden hatte, die alle so dermassen lange Hufe hatten, das sie sich schon nach oben bogen.

Wobei ich hier natürlich nicht alle über einen Kamm scheren möchte. Unser Hufschmied zum Beispiel hat ein lammfrommes kerngesundes Pferd vom Markt gekauft, aber der hat auch Ahnung und weiss worauf er achten muß.

Meine Empfehlung an alle privaten Pferdekäufer ist diese: durchaus kann man ein Pferd bei einem Händler kaufen, würde ich auch immer wieder machen bevor ich privat kaufe, aber, Leute seit nicht so blauäugig auf einem Markt zu kaufen. Fahrt lieber persönlich direkt zum Händler, schaut Euch an wie die Tiere gehalten werden und wie man in gewohnter Umgebung mit Ihnen umgeht. Und reitet Probe! Das ist auf einem Markt nämlich nicht möglich!!

Der Markt ist für mich deshalb immer interessant, weil man dort für Zubehör und Futter sehr gute Preise bekommt. Und genau dafür ist er auch allen sehr zu empfehlen. Der Haupthändler ziemlich direkt im Eingangsbereich ist die Firma Pfitzner (Pfiff Reitsportartikel) und man bekommt vieles auf dem Markt günstiger, als im Laden. Auch Derby Futtermittel kann man sehr günstig kaufen.

Also in jedem Fall ist der Markt zwar weiter zu empfehlen, aber Leute, wenn Ihr dort wirklich ein Pferd kaufen wollt, nehmt Euch jemanden mit der richtig Ahnung und Erfahrung hat!

Moni


04.05.03



Pferdemarkt

wo und wann findet denn der pferdemarkt genau statt??

mfg mirjam


04.05.03



Hohenzollernbrücke

Sehr geehrter Herr Stürenberg,

mit Interesse habe ich den Artikel über das Standbild auf der Hohenzollernbrücke gelesen, muß Sie aber -als Kölnerin-dahingehend berichtigen, daß der Kölner Hauptbahnhof kein Kopfbahnhof ist und auch noch nie war.

Mit freundlichen Grüßen

Isolde Undorf



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Bericht Zum Thema  Pferdemarkt · Gesamttext
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