| | | | Fohlenhof Hau, Haupt- & Landgestüt Marbach | | | |
| Das Lehrbuch läßt durchblicken, daß manche Hengste auf einem "Natursprung" bestehen, sich also weigern, auf das Phantom abgelenkt zu werden. Zum anfänglichen Training wird man vermutlich auf eine Stute gar nicht verzichten können; auch junge Pferde müssen erst einmal lernen, was es mit der Sexualität auch sich hat und wie man sie ausführt. Das ist ein weiterer Grund, warum Stutenhalter gerne auf den Natursprung verzichten; junge Stuten ersparen sich dann diesen Lernprozeß, der unter Umständen sehr viel Streß produziert und möglicherweise sogar ein Trauma auslöst. Parallelen zu entsprechenden Vorgängen unter Menschen dürfen Sie gerne ständig ziehen.
Da die Animierstute den Samen nicht empfangen soll, kann man ruhig eine kräftige Kaltblutstute verwenden, die zum Schutz gegen Verletzungen durch instinktgetriebene Zwangshandlungen des Hengstes noch mit einer schweren Lederdecke geschützt wird, am besten mit einem hohen Wulst versehen, in die sich der Hengst verbeißen darf. Die Stute ihrerseits wird vorsorglich in eine Art Zwangsjacke gesteckt, damit sie den Hengst nicht verletzen kann. Die ganze Angelegenheit ist also reichlich widerwärtig - falls Sie das nicht unmittelbar empfinden, empfehle ich die Transposition auf die menschliche Parallelsituation.
Die Animierstute muß inzwischen ebenfalls strengen gesundheitlichen Anforderungen genügen, was den Aufwand und die Kosten in die Höhe treiben würde, hätte man nicht neue Techniken entwickelt; diese bestehen darin, die Rosse der Stute durch Medikamente zu beschleunigen und zu verlängern. Im Ausland werden dazu Östrogene eingesetzt, die bei uns nicht zugelassen sind. Diese führen jedoch auch unter Umständen zu medizinischen Schwierigkeiten. Inzwischen setzt man Stuten ein, deren Eileiter durchtrennt worden sind; diese befinden sich sozusagen im Dauereinsatz.
Der Hengst wird, nachdem er sich hinreichend anregen durfte und im Grunde zum Sprung bereits ist, noch einmal beiseite geführt; dadurch dürfte sich seine Triebspannung erheblich steigern und möglicherweise mit Frustration anreichern. Wenn er dann endlich darf, läuft das Instinktprogramm vollautomatisch und unumkehrbar ab, so daß der Besamungstechniker den Schlauch rechtzeitig ergreifen und in das vorbereitete Gefäß stecken kann, wobei er peinlich darauf zu achten hat, daß dieser auf keinen Fall mit der Stute in Berührung kommt, um eine etwaige Verunreinigung auszuschließen. Nach einer Weile kann man versuchen, den Hengst komplett auf das Phantom umzulenken; gelingt das, kann man die Stute sogar in einen Verschlag stecken und damit die möglichen Komplikationen verringern.
Übrigens gewinnt man menschlichen Samen ganz ähnlich, nur daß man auf die Anwesenheit einer Frau ganz verzichten kann - Bilder tun es auch, bewegt oder unbewegt, und auf den Besamungstechniker kann man verzichten, weil der Mann sich selbst um die Angelegenheit kümmern kann. Eine Anleitung oder ein Training scheint nicht nötig zu sein; die entsprechende Fertigkeit wird stillschweigend vorausgesetzt. Diese Fertigkeit braucht man nicht nur zur Gewinnung von Samen zur künstlichen Befruchtung, die ja auch bei Menschen inzwischen Routine geworden ist, sondern auch zur Kontrolle, ob eine » Vasektomie, also eine Sterilisation des Mannes, erfolgreich war. Also alles ganz "natürlich" und menschlich und keineswegs irgendwie aufregend.
Die künstliche Besamung wurde bei der Rinderzucht schon in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts in großem Stil eingeführt, um Infektionskrankheiten zu bekämpfen (» Leben aus dem Eis). Angesichts der langen Tradition der künstlichen Besamung nicht nur bei den Rindern, sondern auch bei allen anderen Nutztieren und sogar beim Menschen, verwundert es, wie rückständig die Pferdezucht in dieser Hinsicht noch ist. Dabei wird doch diese genauso wie die Nutztierwirtschaft in erster Linie wegen der Gewinnabsicht betrieben. Auch unter diesem Gesichtspunkt hat die künstliche Besamung nur Vorteile.
Über die Probleme und Schwierigkeiten erfährt man kaum etwas. Gibt es keine? Das wäre ungewöhnlich. Es soll tatsächlich Hengste geben, die bei der Samengewinnung nicht mitspielen. Vielleicht wird man denen in Zukunft mit neuen Techniken helfen können. Ich muß darüber in den letzten Tagen gelesen haben, habe mir allerdings leider den Beleg nicht notiert. Wenn ich mich recht erinnere, hat man ein Medikament oder einen Stimulator entwickelt, mit Hilfe dessen eine Ejakulation ausgelöst werden kann.
Dann kommt es noch darauf an, den Samen rechtzeitig bereitzustellen. Die Stuten sind ja nur für eine bestimmte Zeit empfänglich. Der Züchter muß diesen Zeitpunkt gut bestimmen können und unverzüglich den Samen abrufen. Dieser muß produziert und angeliefert werden. In Deutschland wird überwiegend mit Frischsamen gearbeitet, Tiefgefriersamen hat nur einen Marktanteil von 5%. Das liegt anscheinend daran, daß die Züchter damit ursprünglich schlechte Erfahrungen gemacht haben - bei all dem Aufwand ist nichts herausgekommen. Angeblich soll das an der mangelnden Erfahrung der beteiligten Ärzte gelegen haben. In Frankreich wird überwiegend mit Tiefgefriersamen gearbeitet. Daraus wird ein technologischer Vorsprung abgeleitet, der die deutschen Hengsthalter ins Hintertreffen führen könnte (a.a.O.).
Denn gerade für sportlich sehr erfolgreiche Hengste ist es nicht zumutbar, auf Abruf des Züchters als Samenproduzent zur Verfügung zu stehen. Mit der Gefriertechnik kann die Gewinnung von der Anwendung zeitlich getrennt werden. Zwar muß ein größerer Aufwand getrieben werden, aber da die Portionspreise bei erfolgreichen Hengsten ohnehin höher liegen, rechnet sich das Verfahren. Im übrigen bin ich davon ausgegangen, daß die deutschen Hengsthalter als Marktführer auch den Exportmarkt für Samen beherrschen. Angesichts der schnellen Verderblichkeit des Frischsamens ist ein Agieren mit diesem Produkt auf dem Weltmarkt ausgeschlossen. Ich wundere mich, daß man ohne Not der Konkurrenz das Feld überläßt. Oder sollte ich die Zahlen falsch verstanden haben? Verkaufen deutsche Hengsthalter Tiefgefriersamen der gewünschten Spitzenqualität im Ausland, während im Inland überwiegend Frischsamen nachgefragt wird?
Der wichtigste Einwand allerdings ist: Die Methode muß funktionieren. Anscheinend gibt es viele Fälle, wo es trotz wiederholter Besamungen nicht zu Befruchtung kommt. Hier wird einfach behauptet, daß die betreffenden Anbieter schlechte Ware produzieren und sich deshalb automatisch selbst vom Markt ausschließen. Die Fruchtbarkeitsrate insgesamt soll mit dieser Methode höher liegen als beim Naturverfahren, was ihren Erfolg rechtfertigen würde.
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