|  | | "Ware" Pferd - Szene vom Fohlenhof Hau, Land- und Hauptgestüt Marbach |  |  |  |
Die Ware Pferd Reproduktionstechnik als Antwort auf wirtschaftliche Zwänge von Gerd Hebrang
Zu den Themen Besamung, Zucht |
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Ist ein Pferd eine Ware? Schwer zu sagen. Überhaupt: Das Verhältnis Mensch und Tier - ein sehr heikles Thema. Nehmen wir als einfaches Beispiel eine Mücke - nur wenige Menschen würden dieser ein Lebensrecht zubilligen, die meisten reflexhaft zuschlagen, wenn sich die Gelegenheit ergibt, und das Tier ohne Bedenken töten. Ganz anders stellt sich die Situation bei einem Hund oder einer Katze dar: Die emotionale Bindung zwischen Haustier und Besitzer kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Nun liegt es auf der Hand, daß sowohl ein Insekt eine primitivere Lebensform darstellt als auch keinerlei sinnvolle Kommunikation mit diesem denkbar sein dürfte. Deshalb fühlen wir uns berechtigt, den Quälgeist ohne Nachdenken und Schuldgefühl zu beseitigen, selbst wenn unser Leben durch dessen Existenz in keiner Weise tangiert wird. Im übrigen dürfte der größte Unterschied darin bestehen, daß die als Haustiere bezeichneten Tiere unser Leben teilen, die anderen, als Ungeziefer bezeichneten, aber gefälligst nicht, und wenn sie sich über unsere Vorstellung hinwegsetzen, greifen wir zur Notwehr.
Hunde und Katzen, in geringerem Maße auch andere Haustiere wie Hamster, Vögel, Reptilien, Fische, stellen, wenn auch in mehr oder weniger eingeschränkter Weise, Kommunikationspartner dar, die eine besondere Wertschätzung genießen. Der Mensch lebt halt nicht gern allein, und wenn er sonst schon niemanden hat, der ihm zuhört, so freut er sich desto mehr über den treuen Hund, der vollständig auf seine menschliche Bezugsperson fixiert ist - viel intensiver und konstanter, als ein Mensch das jemals tun würde.
Pferde sind für diese Art von Symbiose nicht ganz so gut geeignet, weil sie sich nicht im Wohnzimmer halten lassen. Pferde verbringen daher den Großteil ihres Tages ohne Mensch und vermissen diesen, ganz im Gegensatz zum Hund, normalerweise auch gar nicht. Insofern ist ein Pferd eher Katze als Hund. Auf der anderen Seite ist nicht von der Hand zu weisen, daß Pferde wie Katzen große Kuscheltiere sind, die sich gerne putzen und striegeln lassen und alleine durch ihre Freßgeräusche Wohlbefinden verursachen können. Pferde eine Ware? Nicht doch!
Und dann gibt es da noch die sogenannten Nutztiere. Diese leben zwar nicht unbedingt im Haus, aber doch am Haus, sind also in gewisser Weise Haustiere, werden aber üblicherweise nicht ins Herz geschlossen. Wenn das doch der Fall sein sollte, ergeben sich die naheliegenden Konflikte. Michel aus Lönneberga kann da schöne Geschichten über sein Schweinchen erzählen ( Alles, alles - ohne Geld!). Als angehender Bauer durfte sich Michel eigentlich keine Sentimentalitäten erlauben - sein Vater war entsprechend sauer.
Bauern sind nämlich unsentimentale Produzenten. Sie produzieren pflanzliche und tierische Lebensmittel. Die Verbraucher kaufen das Fleisch heute natürlich im Supermarkt. Daß das Filet oder die Wurst einmal Teil eines lebendigen Tiers war, läßt sich meistens ganz gut ausblenden. Hauptsache, die Ware ist frisch und billig. Woraus sich der Zwang für den Produzenten ergibt, günstig zu produzieren. Die Ware "Tier" nämlich.
Waren in meiner Kindheit die landwirtschaftlichen Betriebe noch extrem vielseitig, sind diese heute meistens extrem spezialisiert. Bauernhöfe im herkömmlichen Sinne gibt es nur noch in Bilderbüchern für die ganz Kleinen. Hühner, Enten, Schweine, Schafe, Ziegen, Kühe, Pferde - alle diese Haus- und Nutztierarten wurden gehalten, und die Pflanzenproduktion war ähnlich vielseitig. Selbstverständlich hatte die Bäuerin auch noch einen Gemüse-, Kräuter- und Blumengarten. Man kann das alles sehr schön in jedem bäuerlichen Freilichtmuseum bewundern.
Diese Zustände gehören endgültig der Vergangenheit an. Hühner, Enten, Gänse, Puten, Schweine, Rinder, Kühe gibt es nur noch in Massentierhaltung. Früher zog der Bauer die Ferkel seines Wurfs selber groß und mästete sie, um sie anschließend zu schlachten. Heute hat er sich nicht nur für eine diese Tierarten entschieden, also zum Beispiel für Schweine, sondern sich auf eine bestimmte Lebensphase dieser Tiere spezialisiert. Man nennt diese Tätigkeit ganz allgemein Viehzucht.
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