Leserbrief 1790 zu Ausgabe 365 29.03.06
Leserbrief
Sehr geehrter Herr Popken,
mit großem Interesse habe ich in den Artikeln zur Methode Dr. Straßer gestöbert. Als Hufpflegerin bin ich vor sechs Jahren bei Ihr ausgebildet worden. Seitdem genieße ich die Vorteile ihrer Methode. Und ich schlage mich mit den Nachteilen herum. Dennoch bin ich dabei geblieben. Nun möchte ich mich dazu äußern.
Die Methode Dr. Straßer ist absolut logisch aufgebaut, in jedem Punkt nachvollziehbar und meines Erachtens theoretisch zu 100% erfolgreich. Dieses Ideal streben wir als Hufpfleger bzw Hufheilpraktiker immer an. Jedoch ergeben sich in der Praxis einige Probleme.
1. Die Methode ist noch jung. Frau Dr. Straßer forscht ständig weiter. Manchmal entdeckt sie dabei, dass Kleinigkeiten, die eine große Wirkung haben, doch anders gemacht werden sollten. Um ein einfaches Beispiel aufzugreifen: Als sie anfing, war sie der Meinung, der Strahl sollte nicht geschnitten werden. Diese Meinung hat sie geändert. Wir können davon ausgehen, dass sie - und das spricht für sie - weiterhin ihre Methode hinterfragt und versucht, evt Schwächen oder Fehler auszumerzen. Wir müssen und wollen uns jedes Jahr fortbilden und immer wieder wartet sie mit neuen Informationen auf, die sich in der Praxis als äußerst hilfreich erweisen.
2. Als Wissenschaftlerin hatte Frau Dr. Straßer zu Anfang große Schwierigkeiten ihr Wissen allgemein verständlich zu präsentieren. Viele Auszubildende haben erst Jahre später bei Fortbildungen begriffen, was sie meint, weil sie dann bessere Erklärungen gefunden hatte. Dadurch sind in der Praxis viele Fehler gemacht worden, die in unserem Beruf leider zwangsläufig zu Lasten der Pferde gehen -das lässt sich nicht ändern.
Aber 3. und wichtigstens ist die Straßer-Methode ein ganzheitliches Konzept, dass nur dann eine Heilungsgarantie geben kann, wenn das Umfeld des Pferdes stimmt. Welches Pferd hat denn 24 Stunden Bewegung auf verschiedenen Böden, Fütterung mit qualitativ hochwertigem Heu, Reiten oder Fahren nach physiologischen Grundsätzen, Zusatzbehandlung durch Homöopathie o.ä., usw usf....?? 1%? Oder 0,5? Selbst die schönsten Offenställe bestehen - zumindest hier in Norddeutschland - zu 99% aus weichen Böden. Das ist nicht pferdegerecht!
Ich als Hufpfleger muss immer entscheiden ob ich unter den nicht ganz optimalen Bedingungen, die ich vorfinde, überhaupt anfangen kann. Wenn ich dann anfange, ist das Problem oft, dass Pferdebesitzer nicht zuhören oder nicht genügend kommunizieren. Ein Beispiel dazu. Wir lassen uns alle unterschreiben, dass wir den Pferdebesitzer darüber aufklären, dass sein Pferd in der Heilungsphase evt stark lahmen wird. Eine Kundin, die mich nachher verklagen wollte, sagte zu mir wörtlich "naja ich dachte, das ist so wie ein Narkose-Zettel, da unterschreibe ich auch, dass ich evt nicht mehr aufwache, aber das passiert doch nicht!"
Solange Kunden diese Aufklärungsgespräche nicht ernst nehmen, muss es zwangsläufig dazu kommen dass sie nachher die Behandlung abbrechen und über die Methode wettern! Manche Menschen schicken ihre totkranken Pferde zu Straßer in die Hufklinik und kaum dass sie wieder laufen können, werden sie wieder in die Box gesperrt.
Die Straßer-Methode ist keine Methode mit der man Hufe behandelt. Dass die Hufe gesund werden ist nur eine Art Nebenprodukt. Man hilft dem Pferd vielmehr auf allen Ebenen gesund zu werden. Ich schneide die Hufe aus. Alles andere muss der Besitzer machen. Und das ist im Wesentlichen eins: Umdenken.
Wer das nicht tut, darf m.E. nicht über die Methode meckern.
Leider suchen die Menschen immer noch nach jemandem, der kommt und ihr Pferd gesund macht. Wir alle müssen immer wieder hinterfragen, warum unsere Pferde überhaupt krank geworden sind und dann - das ist der Kernpunkt der Methode Straßer - die Ursache abstellen!
Arbeiten wir daran - zum Wohle der Pferde!
Mit freundlichem Gruß
Lioba Jung
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