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| Mit Pferden sprechen Teil 2 | | |
"Warum hat das Pferd denn jetzt schon zu traben begonnen? Ich habe doch noch gar nichts gemacht!" "Dann hast du wahrscheinlich daran gedacht, dass du bald antraben willst." "Aber wie kann das Pferd denn das wissen? Kann es etwa Gedanken lesen?" "Ja, das kann es! Wenn es konzentriert mitarbeitet, spürt es genau, was du denkst."
Solche und ähnliche Dialoge habe ich mit meinen Reitschülern sehr oft geführt. Kinder können sich mit der Tatsache, dass zwischen ihnen und dem Pferd eine gedankliche Kommunikation stattfindet, meist sehr schnell anfreunden, Erwachsene hingegen stehen diesem Phänomen oft sehr skeptisch gegenüber. Obwohl einige Menschen schon sehr aufgeschlossen für übersinnliche Wahrnehmungen sind, ist es den meisten doch bedeutend lieber, wenn man ihnen andere glaubhaftere Erklärungen anbietet.
Gedankliche Kommunikation hat für viele Menschen etwas Unheimliches, Mystisches an sich, obwohl es im Grunde genommen die natürlichste Sache der Welt ist, welche eigentlich ständig, allerdings meist unbewusst ausgeübt wird. Dies ist sicher einer der wichtigsten Gründe, warum so genannte Pferdeflüsterer so sehr darauf beharren, dass ihre Ausbildungsmethoden auf reiner Körpersprache beruhen, obwohl gedankliche Kommunikation gerade bei diesen Menschen einen sehr hohen Stellenwert einnimmt. Einige von ihnen befürchten wahrscheinlich, dass ihre Glaubwürdigkeit darunter leiden könnte, wenn sie dies zugeben würden, andere wiederum sind sich dieser Tatsache vielleicht selbst nicht richtig bewusst, weil sie die Kraft der Gedanken generell unterschätzen oder den Pferden solche �Leistungen� nicht zutrauen.
Schließlich wird das Pferd immer wieder als ein ausschließlich von seinen Instinkten gesteuertes Lebewesen bezeichnet, tiefere, menschlich anmutende Gefühle und zusammenhängendes oder gar schlussfolgerndes, logisches Denken wird diesen Tieren gerade von so genannten Profis meist nicht zugestanden. Diejenigen Pferdebesitzer, die es aber geschafft haben, eine wirklich innige Beziehung zu ihrem vierbeinigen Reitpartner aufzubauen, werden mir jedoch sicherlich zustimmen, wenn ich behaupte, dass diese überaus sensiblen Tiere diesbezüglich sogar so manchem Menschen überlegen sind. Gedankenlesen ist für die meisten Pferde jedenfalls eine einfache Übung, sofern sie wirklich daran interessiert sind, mit uns zusammenzuarbeiten.
Die meisten Menschen hingegen müssen die Fähigkeit zur bewussten gedanklichen Kommunikation erst wieder erlernen, wobei dafür eigentlich nur ein wenig Konzentration und regelmäßige Übung erforderlich ist. Wer sich von den möglicherweise auftretenden anfänglichen Schwierigkeiten, die durch unsere �zivilisierte� Denkweise entstehen können, nicht abschrecken lässt, wird bald merken, dass diese �neue� Form der Verständigung binnen kürzester Zeit zu einer so selbstverständlichen Tätigkeit wird wie das regelmäßige Atmen. Damit erreicht man letztendlich wieder den anfänglichen Zustand, nur dass man sich dann dieser vorher unbewussten Einflussnahme auf das Pferd bewusst ist und sie somit nun gezielt steuern kann. Dies klingt jetzt vielleicht ein wenig verwirrend, doch ein einfaches Beispiel wird Ihnen verdeutlichen, was ich meine.
Ich habe mein Grundstück in mehrere Koppeln eingeteilt, damit die Wiese in Etappen abgefressen werden kann, und damit meine Pferde bei Regenwetter nicht das ganze Gras zerstören. Je nach Wetterbedingungen, Graswuchs oder anderen Umständen entscheide ich jeden Morgen neu, auf welche Koppel ich meine Pferde geben möchte. Früher, als ich noch mehr Pferde besaß, ließ ich diese gruppenweise (da sich nicht alle miteinander vertrugen) nur stundenweise auf diverse kleinere Wiesenkoppeln, was zeitweise anstandslos klappte, doch an manchen Tagen zu einem richtigen Fiasko ausartete, weil die Tiere nicht in die von mir gewünschte Koppel gehen wollten. Durchgerissene Elektrozäune und ein heilloses Durcheinander waren oft die Folge.
Ich habe damals oft geflucht, aber mir auch Gedanken darüber gemacht, warum meine Pferde tageweise so unterschiedlich reagierten. Anfangs schob ich dieses Verhalten auf Wind, Insekten oder furchterregende Gegenstände, bis mir eines Tages auffiel, dass meine Pferde nur dann so widerspenstig waren, wenn ich mein Vorhaben sozusagen in letzter Sekunde geändert hatte. Wenn ich also ursprünglich geplant hatte, die Pferde auf die Koppel 1 zu geben, es mir aber aus unterschiedlichen Gründen kurz vorher anders überlegt und ihnen Koppel 2 geöffnet hatte, versuchten fast alle, verzweifelt irgendwie auf Koppel 1 zu gelangen, niemals jedoch wären sie auf die Idee gekommen, z.B. auf Koppel 3 oder 4 entweichen zu wollen, obwohl diese unter Umständen sogar das schmackhaftere Gras anzubieten gehabt hätten.
Nachdem ich dieses besondere Verhalten nun immer wieder bewusst feststellen konnte, wurde mir klar, dass meine Pferde meine ursprüngliche Absicht auf gedanklichem Weg empfangen und sich darauf eingestellt hatten. Die kurzfristige, sehr spontane Änderung meines Vorhabens konnten die meisten von ihnen nicht so rasch nachvollziehen und waren deshalb sehr verwirrt. Völlig fixiert auf meine ersten Gedanken versuchten sie, diesen �Anweisungen� notfalls mit Gewaltanwendung nachzukommen.
Die Reaktionen der einzelnen Pferde fielen natürlich nicht ganz gleich aus, weil jedes Tier einen anderen Charakter und � wenn man es so nennen will � einen unterschiedlichen Intelligenzquotienten besitzt und dementsprechend auf neue Situationen mehr oder weniger flexibel reagiert. Trotzdem konnte ich in allen diesbezüglichen Fällen deutlich erkennen, dass meine Gedanken der Auslöser für das zuvor unverständliche Verhalten meiner Pferde waren. Ich habe mich daraufhin für diverse ungerechte Beschimpfungen bei ihnen entschuldigt und gehe seither sehr überlegt mit meinen Gedanken um, was auch tatsächlich den gewünschten Erfolg gebracht hat.
Dies ist etwas, was jeder Mensch ohne weiteres selbst schaffen kann, ohne die Hilfe von professionellen �Gedankenlesern� in Anspruch nehmen zu müssen.
Sofern Sie die nötige Ruhe und Geduld aufbringen können, um Ihre Konzentration völlig unverkrampft ganz auf Ihre eigenen Gedanken zu lenken, anstatt diese wirr durch die Gegend schießen zu lassen, werden Sie es binnen kürzester Zeit schaffen, mit Ihrem Pferd auf diese Weise in Kontakt zu treten. Dann ist es nur noch ein kleiner Schritt zur vollständigen Kommunikation, indem Sie lernen, die Gedanken Ihres Pferdes aufzufangen. Meist äußert sich dies in einem plötzlichen Einfall oder einer vagen Ahnung, was Ihr Pferd in diesem Moment gerade denken oder fühlen könnte.
Versuchen Sie diese neuartigen Erfahrungen nicht mit dem Verstand zu analysieren, denn damit würden Sie die beginnende Kommunikation nur blockieren, sondern geben Sie sich diesen Empfindungen einfach hin und lassen Sie sich von den harmonischen Schwingungen, die dadurch schon bald zwischen Ihnen und Ihrem Pferd entstehen werden, tragen.
Geben Sie Ihrem Pferd in ruhiger Form gedankliche Anweisungen und warten Sie geduldig, was passiert. Die Antwort wird sich entweder in der Befolgung Ihrer Wünsche und in einem gedanklichen Widerhall zeigen. Kommt Ihr Pferd Ihren Wünschen nicht nach und Sie haben plötzlich eine Eingebung, die Ihnen sagt, dass diese Übung z.B. zu schwer oder schmerzhaft für Ihr Pferd ist, dann sollten Sie darauf hören, denn dann haben Sie mit großer Wahrscheinlichkeit die Gedanken Ihres Pferdes aufgefangen.
Natürlich funktioniert dies nicht bei jedem von heute auf morgen, doch wer ehrlich an einer gedanklichen Kommunikation mit seinem Pferd interessiert ist, der wird dieses Ziel früher oder später ganz bestimmt erreichen. Vergleichen Sie diese Art der Kontaktaufnahme am besten mit dem Einstellen eines Radiosenders, dessen Frequenz Sie nicht kennen. Es wird vielleicht ein Weilchen dauern, bis Sie den perfekten Empfang gefunden haben, aber letztendlich wird sich die Suche bestimmt lohnen.
Um das �Sprachthema� zu vervollständigen, werden wir uns nächste Woche mit der Körpersprache genauer auseinandersetzen und dabei überlegen, ob es diesbezüglich zwischen Mensch und Pferd wirklich so viele Unterschiede oder nicht doch auch einige Parallelen gibt.
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