| | | | | Jean Marc Imbert, Equitana 2005 | | | |
| Da im Falle dieses Wettbewerbmitschnitts nichts verkauft werden soll, spricht einiges dafür, daß viele Menschen dadurch einfach stark berührt wurden, so wie ich, und es allein aus diesem Grunde an Freunde, über ihre Blogs und E-Mails weiterempfehlen. Die Präsentation in der Fernseh-Talkshow gehört selbstverständlich ebenfalls zu dieser viralen Erfolgsgeschichte, auch die Moderatorin war offenbar ergriffen. Und ich setze diese virale Verbreitung jetzt fort. Ich bin sicher, jeder, der durch diese Filme ergriffen wird, macht es genauso.
Zunächst also Stacy Westfall. Was geht hier vor? Warum gehen mir diese Szenen so sehr zu Herzen, daß meine Gefühle wild werden und nicht zu halten sind?
Ich beginne mit dem neuesten Video » Stacy Westfall 2007 NRHA Futurity Invitational Freestyle. Die Veranstaltung fand vom 20. November bis 1. Dezember 2007 in der Oklahoma State Fairgrounds Arena in » Oklahoma City, OK, statt, vor also noch nicht einmal einem Jahr. Es handelt sich hierbei um ein im Grunde ganz normales, regelmäßig veranstaltetes Westernturnier, die Jahresschlussveranstaltung des größten Verbandes, der sich dem Reining verschrieben hat.
Jedes Jahr treffen sich hier die Besten der Besten dieser Disziplin, um sich zu messen. Heutzutage werden bestimmt alle Veranstaltungen gefilmt, insbesondere die der Superstars, und anschließend auf YouTube veröffentlicht. Jeder, der eine Eintrittskarte hat und eine entsprechende Digitalkamera besitzt, kann das unschwer bewerkstelligen.
Stacy Westfall gehört nicht zu den Superstars, obwohl sie durchaus beachtliche sportliche Erfolge vorzuweisen hat. Dieses Video zeichnet sich auch nicht durch den Beweis aus, daß sie ihre Rivalen übertreffen kann. Sie zeigt im Grunde dasselbe, eine ganz normale Reining, wie man sie in jedem Wettbewerb zur Genüge sieht, und dennoch etwas ganz Anderes, etwas Unvergleichliches. Das erkennen die Menschen und sind betroffen.
Das Video ist seit 1. Dezember 2007 online, wurde also unmittelbar nach der Veranstaltung veröffentlicht, vermutlich von einem Teilnehmer, der den Ritt von der Tribüne aus gefilmt hat, und allein diese Fassung wurde auf YouTube bereits über 80.000 mal angesehen, das sind im Durchschnitt über 8000 mal im Monat, fast 300 mal am Tag, zehnmal pro Stunde. Manche, ich zum Beispiel, haben es sich mehrfach angeschaut. Das ist aber nur eine Version dieses Videos, das unter verschiedenen Titeln eingestellt worden ist, die ihrerseits wieder viele Male angeschaut und kommentiert wurden.
Was ist die Sensation? Stacy Westfall reitet ohne Zaumzeug und Sattel, und sie reitet eine klassische Reining, die Königsklasse des Westernreitens. Aber das allein erklärt die Wirkung nicht, kann es nicht erklären. Denn reiten, auch ohne Zaumzeug und Sattel, können viele, gut reiten können alle, die auf solchen Veranstaltungen auftreten, und manch einer der Superstars würde sich die Sache vielleicht ebenfalls ohne Zäumung zutrauen, möglicherweise sogar ohne Sattel.
Wenn es nur darum ginge, könnte die Angelegenheit als mehr oder weniger billiger Stunt eingeordnet werden, als erstaunliche, vielleicht sogar bewundernswerte artistische, sportliche Extremleistung, wie sie heutzutage inflationär jederzeit an jeder Ecke vollbracht werden, manchmal allein nur deshalb, um ins Guinness Buch der Rekorde eingetragen zu werden. Nichts ist abgefahren genug, als daß nicht irgendjemand das Kunststück vollbringen würde. Üblicherweise zuckt man die Schultern und sagt: Na und?
Oder man fragt sich: Wie macht der das? Und versucht sich selbst an einem solchen Kunststück. Tatsächlich verwechseln viele Leute die Fertigkeit mit der Wirkung und fragen nach technischen Einzelheiten, wollen in Kursen erfahren, wie sie es macht, um es anschließend nachmachen zu können. Dabei ist die technische Seite vollkommen nebensächlich; man fragt sich während des Rittes nicht wirklich, wie sie sich auf dem Pferd hält, wie sie das Pferd dirigiert, wie sie das Pferd überhaupt dazu bekommen hat, solche nicht ganz einfachen Übungen so selbstverständlich abzuspulen - es geht um etwas ganz anderes. Der Unterschied wird am ehesten deutlich, wenn man sich die wohlbekannte Stimmung in Erinnerung ruft, wie sie in einer der vielen Pferdeshows entsteht, wo Könner dem staunenden Publikum zeigen, was sie drauf haben, und sich dafür bewundern lassen.
Davon habe ich im Laufe der Jahre sehr viele gesehen und fotografiert, auch ausgiebig darüber geschrieben (zum Beispiel anlässlich der HOP TOP Show der Equitana 2005 › Moments & Miracles, › K.K.Z. und F.R.E.A.A.E., › Feuer, Nebel, Tanz); als aufmerksamer Leser werden Sie sich beispielsweise an Namen wie Lorenzo oder Jean Marc Imbert erinnern, die durchaus Erstaunliches mit ihren Pferden in vollkommener Freiheit präsentieren.
Das sind aber lediglich Artisten, reine Künstler, und man weiß zur Genüge von Zirkusleuten, daß solche Sachen durchaus möglich sind, nein, nicht nur das, sondern zum professionellen Standard dieser Sparten gehören. Wer da mitspielen will, muß so etwas zeigen können, sonst braucht er gar nicht erst aufzutreten. Man bewundert diese Leute, man staunt, man zollt ihnen unbedingt Respekt und ist vielleicht sogar begeistert, aber man ist nicht wirklich ergriffen, man wird nicht zu Tränen gerührt, schon gar nicht geschüttelt, obwohl es diese Artisten manchmal direkt darauf anlegen, etwa Jean Marc Imbert - eine solche Wirkung würde ihn zum Superstar machen, wenn sie ihm denn gelingen würde.
Dieses Video von Stacy Westfall ergreift, weil von der ersten bis zur letzten Sekunde ein Zauber über der ganzen Handlung liegt, der ganz unprätentiös eine Sehnsucht der Seele verwirklicht. Hier zeigt sich eine ganz normale Frau, keine Artistin, mit ihrem ganz normalen Pferd, keinem Zirkuspferd, in vollkommener Harmonie, nicht im Rahmen einer Show, deren Aufgabe es ist, die Leute zu bezaubern, sondern auf einem Turnier, wo solide Leistungen gefragt sind und sonst nichts. Es ist wie bei allen großartigen Arbeiten, die direkt zum Herzen sprechen und die Seele und das Gemüt ergreifen - man kann es kaum fassen, sich aber der Wirkung nicht entziehen.
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