Man muß vor dem Tod keine Angst haben, wie schon » Epikur bemerkte:
| Das schauerlichste Übel also, der Tod, geht uns nichts an; denn solange wir existieren, ist der Tod nicht da, und wenn der Tod da ist, existieren wir nicht mehr.
» Epikur | | |
Der gute Philosoph hat leider zwei ganz wesentliche Einzelheiten übersehen, wofür er aber nicht gescholten werden soll, weil das nicht offensichtlich und schon gar nicht durch bloßes Denken zu ergründen ist: erstens darf man annehmen, daß der Sterbende, bevor der Tod eintritt, bei vollem Bewußtsein, über sich selbst richtet, indem er sein ganzes Leben noch einmal wertend erlebt (» Nahtod-Erfahrung), und zweitens ist die Seele unsterblich, sie schleppt also gegebenenfalls eine gewaltige Hypothek mit sich, an der man nicht tragen möchte - wobei die moderne Wissenschaft natürlich gar nicht weiß, was die Seele ist, und insofern darüber nichts aussagen kann, sondern lieber den bequemen Ausweg wählt und deren Existenz kurzerhand leugnet.
So schön kann das Resultat eines Verbrechens gar nicht sein, daß es sich angesichts des Todes lohnen könnte - leider denkt niemand daran, wenn er seiner Seele etwas antut. Denn wenn auch im Leben nichts gewiß ist, so doch eines: Sterben müssen wir alle, todsicher, ausnahmslos. Mediziner, die sich mit Sterbenden beschäftigen, wissen genau, wie sich das anfühlt:
| Was Marcus Schlemmer und Matthias Gockel beschreiben, ist ein Kulturwandel: Von einer Medizin, deren oberster Zweck es ist, Leben zu verlängern, zu einer Medizin, deren Ziel es ist, die Leiden der Patienten zu lindern. Es ist ein Prozess, der Ärzten und Schwestern einiges abverlangt, zum Beispiel, existenzielle Fragen nicht mit medizinischem Fachwissen abzutun. "Man muss in der Lage sein, sich mit seinem eigenen Tod auseinanderzusetzen", sagt Marcus Schlemmer. "Wer das verdrängt, kommt mit der Situation nicht zurecht. Man kann sich nicht emotional abschotten wie ein Chirurg. Die Erfahrung, täglich mit sterbenden Menschen umzugehen, beeinflusst mein Leben. Wir lernen hier von den Patienten, dass am Ende das Sportboot, die Villa oder der Titel als Universitätsprofessor nicht das Wesentliche sind, sondern die Begegnungen mit Menschen."
» Zeit zu leben, Zeit zu sterben | | |
Die negative Aussage ist sicherlich richtig und überhaupt nicht neu und überraschend, sondern im Gegenteil altbekannt: alles Irdische ist eitel. Die positive Aussage ist hingegen etwas merkwürdig. Ob der Arzt die Sache schon richtig verstanden hat? Freilich, wo und von wem könnte er erfahren, worauf es wirklich ankommt? Seine Sterbenden wissen es doch auch nicht, sie wissen inzwischen nur, was es mit Sicherheit nicht ist.
Womit ich wieder bei meiner Frage bin: Was sind die Beweggründe, die Menschen antreiben, warum streben sie alle nach oben, warum wollen sie alle die Größten sein, koste es was es wolle, warum spannen sie unter Umständen rücksichtslos Tiere für ihre Zwecke ein?
Die Antwort ist meines Erachtens ziemlich einfach. Es ist immer dasselbe, und das kann auch gar nicht verwundern, weil wir im Grunde alle gleich sind. Zwar haben wir ganz verschiedene Anlagen mitbekommen und unterschiedliche Erfahrungen gemacht und daraus wiederum ganz unterschiedliche Schlüsse gezogen, so daß wir in jeder Hinsicht ganz individuell sind, nämlich insofern als keine zwei Menschen einander gleichen, weder heute noch in der Vergangenheit noch in der Zukunft.
Zudem ist jeder in seinem Körper eingeschlossen, kann also nur für sich sprechen und nur bedingt für den anderen. Das ist auch richtig so, weil jeder, zumindest als Erwachsener, nur für sich selbst verantwortlich sein kann. Was bei Kindern als natürlicher Egoismus gilt und für dieses Alter durchaus entschuldigt wird (» Kleinkinder können nicht fair sein), findet sich jedoch auch bei Erwachsenen gleichermaßen, und zwar durchgängig:
Ich, ich, ich! Ich, ich, ich! Ich bin der Größte! Ich zeige euch allen, daß ich besser bin! Ich will gewinnen! Ich will im Rampenlicht stehen, ich will auf dem Treppchen ganz oben sein, ich möchte mich - einmal wenigstens, am besten aber für immer - überlegen fühlen, glücklich sein, mich entspannen können. Manchmal verkleidet sich der Ehrgeiz auch als: Ich bin der Geringste unter euch, ich bin am demütigsten, ich opfere mich am meisten auf - es ist zu offensichtlich, daß auch hier derselbe Mechanismus am Werke ist, lediglich mit anderem Vorzeichen.
Nun könnte man den warnenden Zeigefinger erheben und "böse, böse, böse" rufen, aber das wäre ganz unangemessen, denn diese Eigenschaft des Menschen ist höchst interessant und kann sowohl Gutes wie auch Böses bewirken. Warum das so ist, und was das für die Pferdewelt bedeutet, kann ich erst im nächsten Artikel dieser Folge erörtern.
Quellen / Verweise
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- » Tao
- » Win-Win
- » Evolutionstheorie
- » Charles Darwin
- » Richard Dawkins
- » Das egoistische Gen
- » "Die Zeit der Frauen ist angebrochen"
- » Adolf Würth GmbH & Co. KG
- » Badische Stahlwerke GmbH
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