|  | Irmgard v. Opel avancierte in der 2. Hälfte der 20er Jahre zur erfolgreichsten Amazone Deutschlands. Als erste Frau, hier auf Ahog, gewinnt sie 1934 das Deutsche Spring-Derby. |  |  |  |
| |  | Käthe Franke, geb. 1897, blickt auf eine herausragende Turnierkarriere zurück. |  |  |  |
| |  | Sie gewinnt über 800 Prüfungen in Dressur und Springen (mit Trakehner-Stute Pardubitz). |  |  |  |
| Im St. Georg wurde das Thema jedenfalls kontrovers diskutiert:
| Es kann über Damen- und Herrensitz noch kein endgültiges Urteil gefällt werden, da wir in Deutschland nahezu keine Damen mit vollständig gleichmäßig ausgebildete Muskulatur haben.
Nur einseitig entwickelt sind selbst jene, die nach beendigter Schulzeit Sport betrieben und Turnstunden genommen haben. Kreuz-, Bauch und Innenseite der Ober- und Unterschenkelmuskulatur sind am wenigsten ausgebildet und sind doch beim Reiten die Hauptsache. Ohne sie ist an richtiges Reiten im Herrensattel nicht zu denken. (...) a. a. O., Seite 60/61 | | |
Es geht nichts über gut gepflegte Vorurteile. Und die widerlegt man einfach durch Tatsachen. Voraussetzung dafür ist natürlich, daß die Frauen überhaupt antreten dürfen. Das mußte freilich erkämpft werden. Aber dann! Nicht erst in jüngster Zeit zeigen die Damen den Herren, was eine Harke ist.
Käthe Franke hat sich seit 1919 gegen große männliche Konkurrenz in sämtlichen Disziplinen des Reit- und Fahrsports durchgesetzt. In allen Sätteln und Prüfungsarten sammelt sie über 800 goldene Schleifen. Kette Franke ist Schülerin des bekannten Berliner Dressurausbilders August Staeck, der zunächst als Stallmeister des Tattersall am Kurfürstendamm, dann im Tattersall des Westens zahlreiche Amazonen fördert.
Unter ihnen befindet sich auch Hertha Potthoff, die im Januar 1926 Ehefrau von Gustav Rau wird. Damit dürfte sich die Frage erübrigen, was Gustav Rau von der Damenreiterei hielt. Man darf annehmen, daß er begeistert war über die Leistungen der Damen, denn um die Leistungen ging es ihm ja immer, und wer Leistungen brachte, konnte seines Beifalls sicher sein, auch wenn er sich vorher noch so vehement dagegen ausgesprochen haben sollte.
Und Beifall spenden konnte er wahrlich großzügig und reichlich. Im Sommer 1924 richtete der Aachen-Laurensberger Rennverein, der seit 1898 Flach- und Hindernisrennen veranstaltete, zum erstenmal ein Reitturnier aus. Gustav Rau jubelte im St. Georg:
| Laßt mich in begeisterten Worten ein Loblied singen! Es braucht hier keine künstliche Ekstase. Das ist ein Turnierplatz, wie man ihn überall haben sollte. Groß, weitläufig, übersichtlich, mit allen notwendigen Gebäuden und Nebenplätzen und hergerichtet wie die hängenden Gärten der Semiramis; sprudelten doch zwei Fontänen am Eingang, prangten doch Blumenbeete inmitten des Platzes, säumten diese grüne Girlanden, Hunderte von wehenden Fahnen und die Wappen aller rheinischen Städte ... Nirgends haben wir eine zweckdienlichere Anlage wie in Aachen gesehen. Wohltuend wirkte vor allem der geschmackvolle Schmuck der Bahn. Der Rheinländer ist hier ebenso Lebenskünstler wie in vielen anderen. Wenn wir an die trostlose Nüchternheit so vieler norddeutscher Turnierplätze denken, dann wird einem der prachtvolle Aachener Platz besonders lieb und wert. a. a. O., Seite 65 | | |
Und nun wird Aachen im Jahre 2006 Schauplatz des "Weltfestes des Pferdesports"! Das alles fing im Jahre 1924 an. Ein bedeutsames Jahr! Für die ersten fünfzehn Jahre der FN habe ich vier Ausgaben gebraucht, für dieses eine Jahr eine ganze Ausgabe. Es bleiben 80 weitere Jahre - wenn ich so weitermache, brauche ich noch fünfzehn Ausgaben!
Trotzdem bereue ich es nicht, in dieser Woche so ausführlich geworden zu sein. Es ist wichtig, die eigenen Wurzeln zu kennen, zu wissen, wann alles begann, was noch heute unser Leben bestimmt. Mittelalterliche Turniere haben ihren Reiz, aber doch sehr wenig Einfluß auf das heutige Turniergeschehen. Demgegenüber sind die heutigen Bedingungen dem hochgradig verpflichtet, was kurz nach dem Ersten Weltkrieg Form annahm.
Das 19. Jahrhundert war endgültig vorüber, eine ganze Welt war zusammengebrochen, eine Welt, die in sich problematisch geworden war und nun in einer gewaltigen Katastrophe hinweggefegt wurde. Die moderne Welt, wie wir sie heute kennen, entwickelte sich. Sportlich gesehen war das Jahr 1924 ein gewaltiger Aufbruch. Für die deutsche Pferdezucht sah die Situation nicht ganz so gut aus. Aber darüber mehr in der nächsten Woche.
Ausgehend vom Stichwort » Ruhrbesetzung habe ich über die Arbeit an diesem Artikel hinaus vieles erfahren, was die wirtschaftlichen und politischen Hintergründe dieser Zeit verständlicher werden läßt. Wenn Sie interessiert sind und die Zeit erübrigen können, empfehle ich, sich über die diversen Links der Wikipedia in dieses Thema einzuarbeiten. Für mich war die Lektüre hochinteressant, denn auch das gehört zu unserer Geschichte und zu unserem Erbe. Man kann die Gegenwart nicht verstehen, wenn man die Vergangenheit nicht kennt, und die Zukunft deshalb nicht gestalten.
Quellen / Verweise
- Sport und Zucht,
Ausgabe 317 - Susanne Hennig: 100 Jahre FN, FN-Verlag 2005
- » Der Tag von Stockholm
- » Ruhrbesetzung
- » Alfons Lütke Westhues
- » Dithmarschen und seine Reiter
- Fahren in Bockholter Szenarien, Impressionen von zwei großen Turnieren im Münsterland,
Ausgabe 287 - Zugpferde einmal anders, Zweispänner-Turnier der Spitzenklasse in Greven-Bockholt,
Ausgabe 288 - Vom Fahren auf S-Niveau, Der Donau-Alpen-Pokal als Erfolgsgeschichte des Fahrsports,
Ausgabe 289 - Einfuhrland,
Ausgabe 316 - 100 Jahre FN, Jubiläum der Deutschen Reiterlichen Vereinigung
Ausgabe 315 · Teil 1 - Verbandsgründung, erste Erfolge, Männer der ersten Stunde legen den Grundstein für die Gegenwart
Ausgabe 316 · Teil 2 - Krieg und Nachkriegszeit, Gewaltige Veränderungen in jeder Hinsicht
Ausgabe 317 · Teil 3
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Fotos
© Quelle: FN, Privatarchiv H. Munzendorf, Susanne Hennig: 100 Jahre FN, FN-Verlag 2005
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