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Editorial zu Ausgabe 482 | ||||||||||||||||||||||||
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Gutmenschen Sind wir nicht alle extrem gutwillig? Wer will schon böse sein? Man weiß ja, daß das schlimm enden muß. Also engagieren wir uns alle für die Umwelt, den Frieden, das Klima und was dergleichen hehre Dinge noch mehr sind. Hauptsache, wir haben das Gefühl, unsere Anstrengungen lohnen sich und wir tragen dazu bei, diese Welt zu retten. Toll, so ein Gefühl! Das läßt man sich etwas kosten. Öko-Bio darf, nein muß sogar etwas teurer sein, denn wenn es kein Opfer ist, ist es nichts wert. Und wenn man doch einmal gegen eine dieser unausgesprochenen Doktrinen verstößt, etwa weil man schneller fährt, als das Umweltgewissen es erlauben würde, bezahlt man mit dem entsprechend schlechten Gefühl. So ist die Welt wieder in Ordnung und man mit sich selbst im reinen. Medienzauber Woher wissen wir, was erlaubt ist und was nicht? Natürlich aus den Medien. Die sind ja informiert und erläutern uns genau, was gut ist und was nicht. Da alle anderen dieselben Informationsquellen haben, sind wir uns einig, und Einigkeit macht selbstgewiß. Wir wissen also genau, wo es langgeht. Der Klimawandel wird unausweichlich sein, er wird katastrophale Folgen haben, und wir Menschen sind schuld - um nur eines der vielen Themen herauszugreifen, die die Gottesähnlichkeit des Menschen untermauern. Ach wenn es so einfach wäre! Dabei liegt es doch auf der Hand, daß die Dinge viel komplizierter sind, wir viel weniger wissen, als wir meinen, und viel weniger bewirken können, als wir uns anmaßen. Unsere liebe Erde hat - so viel wissen wir definitiv - stets und ständig Klimawandlungen durchgemacht, von denen die meisten wesentlich dramatischer waren als die, die wir jetzt erstmals durch Messungen live und bewußt miterleben - wobei das noch zuviel gesagt ist, denn auch die kleinen Eiszeiten der letzten paar 1000 Jahre sind von Menschen bewußt erlebt worden, schon allein deshalb, weil sie extrem darunter gelitten haben. Diese Selbstgewißheit ist erstaunlich, denn trotz immer unsere Anstrengungen wissen wir immer noch nicht, wie das tägliche Wetter entsteht und wie es sich innerhalb der nächsten Tage entwickeln wird. Kein Wunder, daß einige Wissenschaftler vor 20 Jahren noch eine kommende Eiszeit prophezeit haben. Und da der Anstieg der Temperaturen im Moment doch nicht so dramatisch ist wie vorhergesagt, tobt erneut der Streit der Meinungen, und zwar desto heftiger, je mehr man mutmaßen muß (siehe z. B. » Erderwärmung macht zehn Jahre Pause). Darüber hinaus können jederzeit die entsetzlichsten Vulkanausbrüche passieren, deren Einfluß auf das Wetter ebenfalls nicht kalkuliert werden kann. Auf jeden Fall würden diese aber zu einer globalen Abkühlung führen, die möglicherweise sogar das Ende unsere Welt bedeuten könnte. Da die Erde sich aber trotz aller Wechselfälle nicht selbst vernichtet hat, darf man davon ausgehen, daß dies auch in absehbarer Zeit nicht der Fall sein wird. Die These von der Erde als einem lebenden Organismus (» Gaia-Hypothese) wird inzwischen kaum noch diskutiert. Statt dessen schwelgt der Mensch, besonders in seiner Inkarnation als Journalist, in Allmachtsphantasien. Und alle anderen glauben es. Katastrophen Die » ZEIT hat in dieser Woche einen interessanten Artikel veröffentlicht: » Die Konjunktur der Ängste. Darin findet sich folgender Passus des "Risikoberaters Peter Sandman von der amerikanischen Princeton-Universität":
Risikoberater: Wieder ein Beruf, von dem man sich nichts träumen lassen würde. Wenn die renommierte Princeton-Universität so einen beschäftigt, muß ja was dran sein. Was schließen wir daraus? Die Katastrophenszenarios der Medien, die uns so sehr beunruhigen, daß wir unser Leben ändern und Opfer bringen, sind heiße Luft und lenken nur ab, sie rechtfertigen sich ausschließlich aus dem Geschäftsmodell des Journalismus, der Sensationen verkaufen muß, und wer auf deren Angebote hereinfällt, hat selber schuld. Das betrifft übrigens auch die beteiligten Wissenschaftler, die ja ebenfalls ihre eigene Bedeutung verkaufen müssen, damit ihre Forschung und damit ihr Lebensunterhalt auch weiter finanziert wird. Ökostrom Ein anderer Artikel in derselben Ausgabe rechnet haarklein vor, wie der Kunde - also Sie und ich - eingeseift wird:
Die Entillusierung ist durchaus willkommen. Es ist nicht so einfach, die Welt zu retten. Allerdings wäre es unangemessen, in Resignation zu verfallen oder sich der Katastrophenstimmung hinzugeben. Alles wandelt sich bekanntlich ständig, doch die wirklich bewegenden Änderungen könnten sich an ganz anderer Stelle vollziehen. So spielen die Märkte in diesem Jahr unglaublich verrückt, aber auch davon ist die Welt auch noch nicht untergegangen. Unter anderem explodierten die Energiepreise, was jeder an der Tankstelle und an der Heizungs- und Stromrechnung merkt. Das aber wiederum ist - wenn man es richtig betrachtet - eigentlich notwendig und längst überfällig, damit die notwendigen Investitionen und Anstrengungen dort vorgenommen werden, wo wirkliche Änderungen von weitreichender Wirkung zu erwarten sind. Wenn wir in Westeuropa unsere Glühbirnen durch Energiesparlampen ersetzen, wird das wenig bringen. Wenn das Autofahren, Heizen und alles andere, was am Strom hängt und unser modernes Leben prägt, nicht mehr bezahlt werden kann, setzt das Entwicklungen in Gang, die wirklich klimarelevant sind. Zur weiteren Lektüre empfehle ich:
Megaschweinerei Aber das sind natürlich auch wieder Informationen von Journalisten und Wissenschaftlern, die ihre eigenen Interessen verkaufen wollen. Das Internet bietet nun erstmals die Möglichkeit, unzensierte Meinungen zur offiziellen Meinungsmache zu veröffentlichen. So ist zum Beispiel der letztgenannte Artikel aus » Spektrum der Wissenschaft übernommen, wie fast alle interessanten Artikel im » Spiegel, der ansonsten inzwischen auf » Bild-Niveau angelangt ist. Und dort findet sich ein interessanter Leserbrief zu diesem Artikel:
Genau: die Politik wird von den Reichen und Mächtigen gemacht, und die wollen weder ihren Reichtum noch ihre Macht verlieren. Wenn die Karten neu gemischt werden, ist alles offen - also muß das um jeden Preis verhindert werden. Es sei denn, man hängt sich rechtzeitig in die neue Sache rein und vergrößert Reichtum und Macht auf diese Weise noch mehr. Wetten, daß die Energiekonzerne und Autohersteller sofort dabei sind, wenn die Würfel gefallen sind? Da die Möglichkeiten des Einzelnen, die Welt zu retten, so sehr beschränkt sind, sollte man sich nicht so leicht ein schlechtes Gewissen machen lassen. Im übrigen ist es gar nicht unsere Aufgabe, die Welt zu retten. Das war eine der ersten Lektionen, die ich im Internet gelernt habe. |
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