| | Mittelschritt: Pferd verwirft sich = linkes Ohr tiefer. Zu viel innerer Zügel, der hart wirkt, weil er aus dem ganzen Arm rückwärts "zieht". | | | |
| | | Korrekter Schritt einer jungen Friesen-Stute, korrekter Sitz der Reiterin | | | |
| | | Mit hingegebenem Zügel - Reiterin sollte gerade jetzt ihr Bein lang machen | | | |
|
Die gute Hand und Schenkellage Eine klassische Reitlehre in Briefform - Teil 6 von › Gudrun Schultz-Mehl
Zum Thema Ausbildung |
|
|
5. Oktober Liebe Nora, mir ist ganz klar, dass Dein reiterlicher Ehrgeiz bisher auf eine harte Probe gestellt wurde. Dein ‚Einsatz' im Sattel von KORALLE hätte noch keinen Zuschauer vom Hocker reißen können. Aber Du musst die Situation berücksichtigen, dass in Euer beider Fall ein ‚rohes', das heißt völlig ungeschultes junges Pferd einer ebenso, (zumindest als Ausbilderin) ungeschulten Reiterin überlassen ist. Diese Situation bedingt ein ganz anderes Ausbildungsmuster, als es normalerweise mit einem erfahrenen Ausbilder und mit Hilfe eines erfahrenen Reiters möglich wäre. Der Weg von Dir und KORALLE muss speziell durchdacht und logisch aufgebaut werden, damit Du hoffentlich auf ihm, wenn auch in längeren Zeitintervallen, die gleichen Ausbildungsziele erreichen kannst wie Diejenigen, die Halle und erfahrene Ausbilder, am Boden wie im Sattel, zur Hilfe haben. Deine Geduld musst Du also auch weiterhin unter Beweis stellen. ‚Mühsam nährt sich das Eichhörnchen, jedoch munter hüpfend von Ast zu Ast', sprich: von Lektion zu Lektion, Ausbildungsstufe zu Ausbildungsstufe. Meine ‚nachdenkliche' Hilfe - gegen Deine Geduld, ist das ein gutes Abkommen für uns beide? Ich denke schon. Heute soll es aber einen großen Schritt weitergehen, besser gesagt: ‚Tritt'. Du hast mir ja bei unserem letzten Gespräch versichert (und auf der DVD, die ich von Euch beiden bekam, ist das zu sehen), dass Du fast keinerlei Schwierigkeiten bei den bisherigen Lernvorgängen mit Koralle hattest, versuchen wir es also ab heute auch mit dem Trab. Dazu sind vorher aber einige Erklärungen nötig, welche Rolle die Hand des Reiters und seine Schenkel spielen. Im Schritt kann man mit beiden keinen großen Schaden anrichten, wenn's aber daran geht, im Trab das Pferd mit dem Zügel beziehungsweise mit der Hand und mit dem Schenkel richtig zu beeinflussen, statt zu stören, dann nimm Dir vorher genügend Zeit für meine nachstehenden Gedanken, ehe Du Dein Pferd im Trab reitest. Denke daran, dass es bisher noch kein Gewicht tragen musste, sondern in Freiheit völlig unbelastet traben konnte. Mit KORALLE heute anzutraben ist etwas ganz anderes, als wenn Du Dich bisher auf den Rücken von Schulpferden Deines Vereins im Trab vorwärts bewegt hast. Jetzt musst Du viel mehr darauf achten, das Gleichgewicht Deines Pferdes möglichst wenig zu stören. Also darf vor allem die Verbindung Hand-Pferdemaul nicht zu stark werden, sondern sie muss ganz leicht bleiben, um dem Pferd genügend Freiheit im Hals zu erhalten, der ja als Balancierstange dient. Es wäre natürlich fatal, wenn Dein Sitz noch nicht so unabhängig wäre, und dass Du gelegentlich die Zügel als ausgleichende Stütze zur Hilfe nehmen musst, ich hoffe also, dass Du absolut sicher und im Rhythmus leichttraben kannst. DEINE HÄNDE GEHÖREN DEM PFERD Voraussetzung ist, dass Du vom Sattel aus bereits im Schritt eine leichte Verbindung zwischen Deiner Hand über den Zügel zum Pferdemaul herstellen kannst, indem Du mit leicht vortreibenden Schenkelhilfen das Pferd animierst, sich an Deine sich ruhig anbietende Hand heranzudehnen und sich über diese Verständigungsstation sicher und stetig anzulehnen. Dazu müssen allerdings Deine Hände ein von Deinen übrigen Körperbewegungen völlig unabhängiges Eigenleben führen, sie gehören, sobald Du im Sattel sitzt, voll und ganz Deinem Pferd! Sie gehen mit dessen Kopf, Hals und Maulbewegungen einfühlsam, jedoch mehr oder weniger unsichtbar mit, um die gleichmäßige Anlehnung zu erhalten oder sie begrenzen diese lediglich durch passives Gegenhalten, wirken aber niemals durch aktives Ziehen rückwärts. Sie versuchen auch n i e m a l s, durch Herummanipulieren oder gar Hin-und-Herriegeln den Pferdehals in eine bestimmte Form zu ziehen. Diese drei letzten Sätze sind lapidar ausgedrückt, beinhalten aber einen großen Teil der ganzen Reitkunst. Wenn Du bei Deinen Körperbewegungen auf dem Pferd in allen drei Grundgangarten nicht Herr über Deine Hände bist und diese nicht zu Instrumenten werden, die Du unabhängig von Deinen übrigen Körperbewegungen, fast wie getrennt von Deinem Körper einsetzen kannst, dann fehlt Dir eine wichtige Voraussetzung, um Dein Pferd sinnvoll ausbilden zu können. Der erste Schritt vor dem Antraben muss daher sein, dass Du das Wesen oder ‚Unwesen' Deiner Hände kontrollierst und entsprechend korrigierst.
| |