| | W. Popken im Fenster Selbstportrait 08/2004 | | | | Meine Meinung zu dem Buch: von › Gerd Hebrang
Das Thema Clickertraining ist in der Pferdezeitung bisher so gut wie gar nicht vorgekommen. Google findet nur 26 Einträge, 21 davon sind Termine. Ich selbst habe in Ausgabe 372 unter der Ãœberschrift › Führerschaft darüber berichtet, kenne die Methode aber nur vom Hörensagen.
Bekanntlich gibt es ja so viele Arten, mit Pferden umzugehen, wie es Menschen gibt, aber doch lässt sich eine grobe Unterscheidung treffen: Es gibt Leute, die meinen, dass Pferde durch Belohnungen schneller und leichter lernen, und es gibt andere, die der Meinung sind, dass die Pferde unter einander ja schließlich auch keine Belohnungen austeilen, sondern vielmehr treten und beißen, und dass deshalb die strenge Methode, also die Bestrafung, am ehesten zum Ziele führt. Möglicherweise ist das eine Frage des Menschenbildes, des Charakters, des Geschlechts, gar eine Frage der Herkunft, denn bekanntlich ist ein Wahlspruch der Schwaben: „Nicht geschimpft ist g'nug gelobt.“
Das Ziel ist bei beiden Parteien dasselbe: Das Pferd soll spuren, es soll genau das tun, was der Mensch möchte. Das Buch ist mit einer Klappenbroschur versehen, was relativ selten ist, dem Verlag aber Gelegenheit gibt, auf zwei zusätzlichen Seiten eine Übersicht zu geben. Wenn man das Buch auf klappt, fällt der Blick auf das Foto eines Pferdes und einer Frau, die das Pferd anscheinend mit einer Geste auf Abstand hält; in der anderen Hand hält sie einen kleinen grünen Gegenstand, den Clicker, der in vielen verschiedenen Varianten produziert wird, wie man auf dem Titelbild schon sehen kann. Der Text dazu lautet:
| | Die Scheckstute Kisa folgt mit ihrer Schulter der Hand wie magnetisch angezogen. Mit dem Clickertraining ist es relativ einfach, dem Pferd in kurzer Zeit mit Präzision und Spaß eine solche Aufgabe beizubringen. Denn wir erreichen mit dem Clicker eine Verständigung auf hohem Niveau. | | |
Sind Sie neugierig auf das Geheimnis eines guten Trainings? Dann klappen Sie auf... | | |
Klappen wir also auf: Wir sehen eine Doppelseite mit der Ãœberschrift:
| KAMKID - Das Geheimnis eines guten Trainings | | |
In sechs unterschiedlich farbig hinterlegten und bebilderten Zeilen werden die Schlagworte erläutert, aus deren Anfangsbuchstaben das Zauberwort gefahndet:
| Kleinste Trainingsschritte Damit Ihr Pferd wirklich verstehen kann, was Sie von ihm wollen, bauen Sie das Training in kleinste Trainingsschritte auf. So kann das Pferd in jeder Trainingssession dazulernen, hat Erfolge und damit Spaß bei der Arbeit. Ampeltraining Kommen Sie mit dem Pferd dann in jeder Trainingssession einen Schritt weiter, ist die Ampel auf Grün. So kann es weitergehen. Versteht Ihr Pferd hingegen nicht, was Sie wollen, dann sollte bei Ihnen die gelbe Lampe angehen. Was stimmt da nicht? Zu großer Trainingsschritt, Ablenkung, Zeit für Pause? Klappt eine Übung zwei- oder dreimal nicht, sollte die Ampel auf Rot gehen. Stopp! So nicht weiter trainieren! Die Übung muss erst noch einmal neu überdacht werden. Minutentraining Trainieren Sie in kurzen Trainingseinheiten. Das muss nicht exakt eine Minute sein, obwohl sich das für viele Übungen anbietet. Für die kurze Zeit können Sie und das Pferd sich bestens konzentrieren. Danach ist Zeit für Einträge ins Trainingstagebuch, bevor es weitergeht. Kritisch hinterfragen Fragen Sie sich immer wieder, ob Ihr Pferd auch das gelernt hat, was Sie von ihm möchten. Viel zu leicht kann es dann nämlich zu Missverständnissen kommen. Fragen Sie sich auch, ob das, was Sie trainieren wollen, jetzt wirklich ansteht, oder ob es wichtigere Dinge gibt, die Vorrang haben. Innere Einstellung Stellen Sie sich das Trainingsziel wirklich gut vor, wirklich bis ins kleinste Detail, bevor Sie anfangen, mit dem Pferd zu arbeiten. Haben Sie immer Geduld und Verständnis für das Pferd. Wenn Sie sich vorher genau überlegen, was Sie als nächstes tun werden, wird es Ihnen leicht fallen, souverän und gelassen zu wirken. Differenzierte Belohnung Über unterschiedliche Belohnungen können Sie dem Pferd eine ganze Menge an Information geben. Überraschen Sie es auch mal mit einer ganz besonderen Belohnung, wenn es etwas außergewöhnlich gut gemacht hat. Dann wird es immer mit Spaß bei der Sache sein. Es kommt zwischen Ihnen zu einer immer besseren Verständigung.
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Das Buch verspricht interessante Resultate:
| Sie werden die physiologischen Abläufe in der Bewegung Ihres Pferdes kennen und verbessern lernen, so dass das gezielte Training Gesundheit und Wohlbefinden nachhaltig zum Positiven verändert. Ihr Pferd bekommt mehr Freude an der Bewegung an sich und meistert die ihm gestellten Aufgaben mit mehr Leichtigkeit. Sie bekommen eine bessere Wahrnehmung für die Bewegungsabläufe und können so im Training, egal welcher Reitrichtung, egal ob Freizeit- oder Turnierreiten, Lern Fortschritte genauer erkennen und effektiver die eigenen Ziele erreichen.
a.a.O., Seite 10 | | |
Wunderbar: So wollen wir es haben! So verspricht es aber im Grunde jede Reitweise, jede Trainingsmethode, jeder Autor. Die Bilder zu diesem Text sind allerdings schon sehr beeindruckend. Da reitet jemand völlig ohne alles auf einem ziemlich versammelten Pferd, lediglich ein Strick ist lose um den Hals gelegt. Und wie wird das erreicht?
| Der Clicker ermöglicht eine klare Kommunikation mit dem Pferd, die schon sehr an die Vorstellung von Dr.Doolittle herankommt. Wie eine amerikanische Trainerin es so schön ausdrückt: The best whisper is the click!
Wünschen Sie sich schon immer ein Pferd, das freudig zur Arbeit kommt? Mit dem Clickertraining können Sie das erreichen. Die Pferde arbeiten aufmerksam und gerne mit, ohne zu betteln und konzentrieren sich auf ihre Aufgabe.
Wir werden In diesem Buch auch Ãœbungen vorstellen, die man gar nicht anders trainieren kann, weil man das Pferd als aktiv mitdenkenden Trainingspartner braucht.
Freuen Sie sich auf den Gesichtsausdruck Ihres Pferdes, wenn Sie das Gehirn förmlich rauchen sehen und dann entdecken, wie der Groschen bei ihm gefallen ist, es also »click« gemacht hat. Über diese Trainingsart ist es möglich, Pferde richtiggehend lächeln zu sehen.
a.a.O., Seite 11 | | |
Wiederum ist dieser Text mit überzeugenden Bildern illustriert, die beweisen, dass die Pferde wirklich gerne kommen, auch wenn die Weide groß und weit ist. Der Unterschied zur herkömmlichen Ausbildungsmethode kann kurz und knapp ausgedrückt werden:
| Bei den herkömmlichen Trainingsmethoden werden die Pferde touchiert, am Halfter oder Zügel gezogen, im Kreis gejagt oder es werden andere Dinge mit ihnen angestellt, die alle mehr oder weniger unangenehm sind und aus lerntheoretischer Sicht einen negativen Beigeschmack hinterlassen, der die Freude an der Arbeit mindert.
Clickertraining macht einfach Spaß, weil es den Tieren das Gefühl gibt, selber Entscheidungen zu treffen und immer Herr der Lage zu sein, so dass damit sogar die ach so »sturen« Esel gerne mitarbeiten.
Clickertraining ist viel mehr als nur das Arbeiten mit einem Knackfrosch. Es ist die Grundlage für das Lernen des Lernens. Man erreicht damit Dimensionen in der Kommunikation mit dem Pferd, die man sich vorher kaum vorstellen kann. Nicht umsonst heißt Karen Pryors neues Buch »Reaching the animals mind« (siehe Seite 159).
a.a.O., Seite 12 | | |
Sollten Sie jetzt noch nicht neugierig geworden sein, darf ich Ihnen verraten, dass Sie mit dem Clickertraining erreichen können, dass Pferde nicht nur zu Ihnen kommen, sondern sich beispielsweise im Gelände auch noch passend hinstellen, damit Sie von einem geeigneten höher gelegenen Ort, etwa einem Baumstamm oder einem kleinen Hügel, bequem aufsteigen können. Und das alles mit einem Pfennigartikel und der richtigen Anleitung, die wohlfeil zu haben ist.
Freilich müssen Sie das Buch durcharbeiten und eine Menge lernen, sie müssen diszipliniert genug sein und konsequent, aber dann sollten Probleme beim Verladen, mit dem Tierarzt, diversen gesundheitlichen Problemen, ganz allgemein mit der Kommunikation der Vergangenheit angehören. Ist das nicht eine wunderbare Aussicht?
Soeben habe ich noch einmal den erwähnten Abschnitt nachgelesen - es handelt sich um Zitate von » Marjorie Smith, über die ich 2006 eine ganze Serie geschrieben habe. Dieser Text von Marjorie hat mir so gut gefallen, dass ich ihn hier noch mal als Zitat in die Rezension aufnehmen möchte. Insbesondere das Zitat von » Tom Dorrance sollte zu denken geben:
| Wenn man ein guter Führer für sein Pferd werden will, muß man selbst an zwei Dingen arbeiten: Verbessern Sie Ihre Reaktion und verbessern Sie Ihren Anstand.
Es macht viel Spaß, die Reaktionsfähigkeit mit Hilfe des Clicker Training zu verbessern. Clicker Training wurde im Zusammenhang mit der Dressur von Delphinen erfunden. Es wird heute in großem Stil bei der Hundeerziehung eingesetzt. Pferdeleute sind gerade dabei, diese Technik für sich zu entdecken.
Der Clicker (oder irgendein anderes kurzes Geräuschsignal) wird eingesetzt, um das nachgefragte Verhalten, zum Beispiel die Bewegung eines Fußes in die gewünschte Richtung, durch eine Belohnung zu MARKIEREN, die das Pferd wiederum mit dem Geräusch verbindet. Einige Pferde interessieren sich nicht für Futter, also muß man etwas anderes finden, mit dem man das Pferd belohnen kann, etwas, das das Pferd genug mag, um etwas dafür zu tun. Es gibt z. B. Hunde, für die ein geworfener Frisbee eine größere Belohnung ist das Futter.
Die Lernbegeisterung meiner Pferde verbesserte sich um 100%, als ich das Clicker Training entdeckte. Sie lieben es, genau zu wissen, was ich will. Sie sind verrückt danach herauszufinden, wie sie "Marjorie zum Click bringen". Sie mögen es sehr, wenn wir einen "Spieltag" bei schlechten Wetter einlegen oder wenn ich keine Lust zum Reiten habe.
Mit dem Clicker habe ich sie zu allen möglichen Führungs- und Bodenarbeiten ohne Halfter anleiten, sie in besserer Haltung und Bewegung frei longieren können als es jemals mit der Doppellonge möglich war, und Zirkustricks wie Klettern auf einen Sockel (oder einen Stein auf der Weide) mit gerade genug Platz für alle vier Hufe provoziert, was ihr Gleichgewicht und ihr Vertrauen verbessert. [...]
Wir haben alle Probleme mit dem Anstand gegenüber unseren Pferden, weil unsere Kultur davon ausgeht, daß Menschen den Pferden überlegen sind, und daß es deshalb überhaupt nichts ausmacht, wenn wir Tieren gegenüber unsensibel und unhöflich sind. Einmal hat jemand Tom Dorrance, den großen Pferdemenschen und Lehrer, nach ein paar Worten gefragt, über die jedermann nachsinnen könnte, die seine Pferdekenntnis verbessern könnte.
Tom dachte eine Weile nach und sagte dann mit seiner gedehnten, leisen Sprechweise: "Der Mensch schaut auf das Pferd herab."
› Führerschaft | | |
Noch ein Zitat aus dem amerikanischen Wikipediaartikel über Tom Dorrance, auf den sich viele Pferdeflüsterer berufen:
| "The thing you are trying to help the horse do is to use his own mind. You are trying to present something and then let him figure out how to get there." - Tom Dorrance
Sie versuchen, dem Pferd zu helfen, seinen eigenen Verstand einzusetzen. Sie zeigen ihm etwas und überlassen es ihm, herauszufinden, wie es das hinkriegt.
» Tom Dorrance | | |
erschienen 05.06.11
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