| | | | Cool: Angriff mit der Flatterjacke | | | |
| Im Sommer 2001 holte ich meinen Ricardo zum Trainer. Da er bis dahin kaum Kontakt zu Menschen hatte, aber inzwischen zu einem gewaltigen Kerl geworden war, traute ich mir nicht zu, ihm einen vernünftigen Grundlehrgang zu verpassen. Selbst der Transport war eine schwierige Sache. Die Züchter hatten ihn schon eine Woche vorher aus der Herde geholt und am Haus aufgestallt - doch einfangen ging erst einmal nur mit Tricks. Danach sollte er, der nicht einmal einen Stall kannte, in einen Transporter einsteigen - auf gar keinen Fall. Dieses machte er uns auch ganz deutlich klar. Da ich das Pferd nicht sedieren wollte (man hatte mir so schreckliche Geschichten erzählt, das Pferd könnte einen Kreislaufzusammenbruch bekommen und gar nicht mehr aus dem Hänger steigen und ähnlich schlimme Geschichten), und auch sein Vertrauen nicht gleich am Anfang für alle Zeiten verlieren wollte, versuchten wir ihn drei Stunden lang aufzuladen. Als ich dann jedoch das vor Angst mit allen Beinen schlotternde Pferd im Hänger sah, setzen wir jedoch die Sedierung ein, um ihn den Weg so angenehm wie möglich zu machen. So wachte er erst ganz allmählich auf, als wir schon fuhren und stellte dabei fest, dass ihn bis dahin ja noch keiner gefressen hatte und so lange er sich ruhig verhielt, wohl auch keiner fressen würde. Außerdem war er inzwischen nach 3 Stunden Verladetraining bestimmt auch völlig kaputt. Jetzt gibt es sicher Leute, die sagen, wie kann man nur ein Pferd so unvorbereitet auf die Reise schicken, aber auf der anderen Seite wollte ich doch ein Pferd, von dem ich wusste, was es bis jetzt für Erfahrungen mit Menschen gemacht hat. Außerdem finde ich die Aufzucht in einer Herde viel wichtiger, denn der alte Deckhengst, der die Herde anführte, brachte den jungen Pferden schon die Grundregeln des Sozialverhaltens bei. Endlich beim Trainer angekommen, weigerte sich mein Pferd allerdings den Transporter wieder rückwärts zu verlassen. Auf gar keinen Fall wollte er nun rückwärts raus, wo er vorher auf keinen Fall hinein wollte. Gott sei Dank hatte der Transporter einen Vorderausstieg, so dass wir ihn doch noch ohne große Probleme abladen konnten. Nach einem Monat hatte mein Pferd seine Grundausbildung, an der ich so viel wie nur irgend möglich teilgenommen hatte, absolviert. Dieses hätte ich zu dem damaligen Zeitpunkt auf keine Fall so gut hinbekommen, denn dazu haben zweijährige Quarterhorses zuviel Kraft und ich zuviel Angst, irgend etwas zu verderben. Nach diesem einen Monat hatte mein Pferd Respekt vor Menschen, konnte geputzt werden und gab die Hufe. Außerdem kannte er Führen und leichte Bodenarbeit. Nun hatte ich ein halbes Jahr Zeit sein Vertrauen zu erringen, ihn mit vielen Dingen vertraut zu machen und ihn an den Sattel zu gewöhnen. Erst gingen wir viel spazieren, wobei ich sehr darauf achten musste, dass er mich nicht überholte. Dieses ließ sich nach Rücksprache mit dem Trainer allerdings gut mit einem kreisenden Seil und Konsequenz bewerkstelligen. Dabei lernte er Kühe (Mördertiere, die nichts anders vorhaben, als ihn zu fressen), Trecker, Spaziergänger und vieles mehr kennen. Natürlich gab es hämische Kommentare von Leuten, die meinten, ein Pferd sei zum Reiten da und nicht zum Spazierengehen, und wann ich denn das Pferd tragen wolle. Doch das Ganze störte mich nicht, denn ich wusste, alles, was ich ihm vom Boden aus schon zeigen konnte, machte mir die Sache vom Sattel aus viel einfacher. Oftmals standen wir auch an einer schönen Grasstelle - er fraß und ich klatschte ihm die Bremsen ab und freute mich einfach nur an seiner Gesellschaft und dass er mein Pferd war.
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