Als unsere Spaziergänge wegen der Bremsen zeitweise nicht möglich waren, suchte ich halt andere Dinge, die ich mit ihm tun konnte. So übten wir zum Beispiel ein Handtuch über ihn zu werfen, ohne dass er Angst hatte (nachher konnte ich ihm das sogar über den Kopf werfen und er blieb einfach ruhig stehen) und ich band ihm als Vorbereitung für den Sattel und Sattelgurt einen Deckengurt um. Nachdem dieser Deckengurt nichts wirklich Aufregendes mehr war, fing ich an ihn vorsichtig an den Sattel zu gewöhnen. Bald sah man mich mit dem gesattelten Pferd durch die Gegend ziehen. Wir krochen durch Büsche (und die Äste raschelten so schön über dem Sattel - huch, was war das?), zogen Abhänge rauf und runter, sprangen über kurze Gräben, gingen durch Pfützen - kurz gesagt, wir machten ziemlich alles, was vom Boden aus zu machen war. Das Anreiten selber war im wahrsten Sinne des Wortes ein Kinderspiel. Ich ging mit meiner Freundin, ihren zwei Kindern und ihrem Pferd spazieren. Da wir nur ein reitbares Pferd hatten, musste immer ein Kind laufen. Dieses brachte uns dann auf die Idee, komm wir probieren mal vorsichtig, was Ricardo macht, wenn wir ihm ein Kind auf den Rücken setzen. Gesagt, getan. Natürlich haben wir das Kind festgehalten und hätten es beim ersten Anzeichen von Unruhe sofort wieder vom Pferd genommen. Doch Ricardo fand das Ganze sehr interessant und die Leckerlis dafür viel wichtiger, als dass da oben irgendeiner saß. So gingen wir dann vorsichtig nach Hause und ich war so unendlich stolz auf mein Pferd. Nach einigen weiteren Spaziergängen mit Kindern, die so ganz nebenbei für seine Abhärtung sorgten, indem sie an hängenden Ästen rissen, jauchzten und sich halt so benahmen, wie sich Kinder benehmen - unruhig und quirlig, wagte ich mich ganz kurz und vorsichtig auf seinen Rücken. Ein Erwachsener hat ja nun ein ganz anderes Gewicht als ein Kind, aber auch dass störte ihn nicht. Ich strahlte wie ein Honigkuchenpferd über beide Backen, als ich das erste Mal auf meinem Pferd saß. Am Ende des Jahres wurden die Strecken, wo ein Erwachsener geführt auf ihm saß, länger und ich konnte meine Ungeduld, ihn endlich reiten zu können, nur sehr schwer bezwingen. Im neuen Jahr, als er dann offiziell drei Jahre war, ging es dann mit dem Einreiten los. Da ich in letzter Zeit so gut wie keine Reitstunden mehr gehabt hatte, traute ich mir auch dieses wieder nicht zu und bat den Trainer darum. Da mein Trainer auch Bodenarbeit mit dem Knotenhalter mit ihm gemacht hatte, fing er auch damit an, ihn einzureiten, indem eine Person am Boden die vertrauten Kommandos und Gesten gab, während eine zweite Person auf seinem Rücken die entsprechenden Hilfen gab, so dass er über die vertrauten Abläufe sehr schnell begriff, was der Reiter oben wollte. Wieder habe ich natürlich so oft wie möglich dabei sein wollen, doch dieses Mal gelang mir dieses nicht so häufig, da ich auch zu Hause sehr eingespannt war. Nachdem Ricardo 10 Stunden und die allernötigsten Grundbegriffe erhalten hatte, mussten der Trainer und ich feststellen, dass unsere menschlichen Beziehungen dort sehr weit auseinandergedriftet waren, so dass ich mich entschloss, mich von dem Trainer zu trennen. Da stand ich nun mit einem Pferd, das gerade die Grundbegriffe des Gerittenwerdens erfahren hatte, und mir, die leider viel zu wenige Reitstunden im Westernreiten erhalten hatte (Ich hatte sie meiner Tochter zugeschoben, die sich zu diesem Zeitpunkt auch fürs Reiten interessierte). Bis dahin hatte mein Pferd erst ein oder zweimal eine Trense im Maul gehabt, weil der Trainer plante, sie erst ab jetzt einzusetzen. Seine Meinung über gebissloses Reiten war, dass man dieses sehr gut in einer umzäunten Wiese machen könne, dieses aber im Gelände der reinste Selbstmord sei.
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