Leserbrief › 1909 zu Ausgabe › 327 04.07.05
Ein Gedanke zu Ihrem Artikel "Scharlatan oder Visionär?"
Hallo Herr Popken,
vielen Dank für diesen Artikel! Endlich nimmt mal jemand wahr, was aufmerksamen Lesern eigentlich schon in dem Buch "Mit Pferden tanzen" nicht hätte entgehen sollen: Da fragt Hempfling in den Einleitungssätzen zum Kapitel "Die Balance", ob das Pferd "überhaupt dafür geschaffen [sei], ohne Schaden einen Menschen zu tragen." Hempfling hatte damals schon (das Buch ist 1993 erschienen) ein fundiertes Wissen über die Anatomie des Pferdes und die möglicherweise fatalen Folgen des Reitens für das Pferd. Sie schildern eine Situation im Jahre 1998: " ... Dann warf Hempfling quasi nebenbei einen Blick auf Romy und stellte fest, daß dieses Pferd unreitbar sei, weil es starke Schmerzen habe. Es gehöre für zwei Monate auf die Weide." Für mich ist das nicht verwunderlich. Nicht bei einem Menschen, der in seinem Buch (auf S. 60) schrieb: "Könnten die Pferde doch sprechen oder weinen!"
Pferde haben bei chronischen Erkrankungen ein "Schmerzgesicht". Die meisten Menschen sehen es nicht. Ich kenne diesen Ausdruck infolge einer anderen Art von latent chronischer Erkrankung bei meiner Stute (inzwischen auskuriert, aber stets im Auge zu behalten), kann durch fast keinen Pferdestall mehr gehen ohne zu denken, wie laut es wäre, wenn dort alle Pferde, die Schmerzen haben, stöhnen oder schreien würden. Es gibt Tierärzte und Tierheilpraktiker, mit denen eine Unterhaltung über dieses Thema sehr interessant werden kann ... Da kann es schon passieren, dass man auf den vorsichtig geäußerten Verdacht, dass "artgerechte Pferdehaltung" eigentlich ein Widerspruch in sich ist, ein sehr betontes "So ist es!" zu hören bekommt. Realisten freuen sich dann, jemanden getroffen zu haben, der begriffen hat, beenden das Gespräch an dieser Stelle und nehmen sich, jeder für sich, einfach nur vor, weiterhin das Elend im Rahmen dessen, was in ihrer Macht steht, in ihrem eigenen Umfeld zu begrenzen ...
Vielleicht ist ja auch da ein Schlüssel für KFHs etwas seltsame Entwicklung und seinen irgendwie eigenwilligen Umgang mit Menschen zu suchen. Vielleicht zerbricht ein sensibler Mensch, ein Künstler, ... an dem Zwiespalt, dass er Menschen den Zugang zum Pferd erschließen, sie für das Miteinander mit dem Pferd begeistern kann, dadurch aber zwangsläufig zu etwas beiträgt, das er im Sinne der Pferde nicht gutheißen kann. Das ist jetzt nur eine Spekulation von mir, ich habe dazu auch nicht mehr anzumerken, aber vielleicht mögen Sie noch ein wenig in dieser Richtung weiterdenken.
Falls Sie zum Thema "Schmerzgesicht" etwas Genaueres hören wollen, rufen Sie gern an.
Viele Grüße
Anke Hoffmann
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