Leserbrief › 1468 zu Ausgabe › 327 04.07.05
"Phänomen Hempfling"
Lieber Herr Popken,
nach Ihren beiden ersten Teilen über Hempfling konnte ich nicht ganz glauben, dass Sie damit schon "fertig" sind! Danke erst einmal für den dritten Teil! (Ich war auch schon drauf und dran, Sie auf Frau Birmann zu verweisen! Schön, dass Sie den Weg zu ihr selbst gefunden haben!)
Wenn Sie jetzt noch "das Phänomen Hempfling" philosophisch verstehen wollen, dann empfehle ich Ihnen (diesmal nachdrücklicher denn je) das Buch von Heinrich Rombach: Welt und Gegenwelt. Umdenken über die Wirklichkeit. Die philosophische Hermetik. Es ist leider vergriffen, aber im Internet einzusehen. Ein "Rombachverehrer" hat sich die Mühe gemacht, es ins Netz zu stellen. Offensichtlich von Hand abgetippt! (Daher auch mit einigen Fehlern behaftet.) Mit vielen Bildern!
Der Schriftsteller Sten Nadolny hat sich mal folgendermassen darüber geäussert:
| Sie kennen das Märchen von der Frau Holle, zu der die kleine Goldmarie schließlich kommt. In der Grimmschen Fassung hat die Geschichte etwas sehr Moralisches und Betuliches: Marie ist folgsam und fleißig und wird dafür belohnt. Dem Würzburger Philosophen Heinrich Rombach verdanken wir eine entschlüsselnde Interpretation dieses zum Lob der Bravheit verfälschten Märchens. Marie ist keineswegs besonders fleißig, aber sie erkennt den "Willen der Dinge". Sie tut, was an der Zeit und am Platze ist. Sie antwortet auf die Stimmen der Umgebung. Sie geht den ganzen Weg und erkennt alles, was er von ihr verlangt. Sie antwortet auf die Situation, auf die Dinge, und wird - das Märchen geht ja weiter - belohnt mit dem Glück des Gelingens. Wie jeder, der eine Sache aus sich selbst heraus zu dem führt, wohin sie selber will. Da hier wie in den meisten Märchen am Ende von Reichtum und Goldstücken die Rede ist, sollte uns nicht von dem wunderbaren Fingerzeig ablenken, der darin steckt. Für mich ist gerade auch die Reduzierung interessant: Dieses Volksmärchen, ursprünglich eine Geschichte von der Gnade des Könnens für den, der zuhören und antworten kann ("Holle" ist nichts anderes als Huld, Gnade), wird zu einer Geschichte von Vermögensbildung durch Fleiß: Goldmarie und Pechmarie. Dabei steckt sogar in dem Wort "Vermögen" noch das Können: Da "vermag" jemand etwas (zu tun), im Wort ist das Gelingen noch greifbar. Für uns heute sind aber Besitz und Vermögen das Gleiche geworden - der Begriff "Vermögen" ist verarmt und erblindet. Ich muß Ihnen hier unbedingt Heinrich Rombachs Buch "Welt und Gegenwelt" empfehlen, dem die Märcheninterpretation entnommen ist - 1983 erschienen und längst vergriffen, ein Buch, für das man ganze Bibliotheken stehen lassen kann! Das ökologische Denken hätte sich dafür brennend interessieren müssen (aber auch Ökologen haben ihre Wahrnehmungstunnel) Sten Nadolny | | |
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Herzlichst
Norbert Balk Verónica-Argentinien
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