Leserbrief › 1730 zu Ausgabe › 360 20.02.06
Re: Pferdezeitung Ausgabe 360: Geht's auch ohne?
| Schon habe ich die superdünnen Bits der Westernreiter vor Augen, deren Stärke schon fast als Draht bezeichnet werden könnte. | | |
- Koennte man hier nicht wenigstens schreiben "mancher Westernreiter"? Ich finde es mittlerweile fast schon frech, wie man hierzulande allerheftigst daran zu arbeiten scheint, dass die schlimmen Vorurteile gegen das Westernreiten auch ja erhalten bleiben.
Ich bin ebenfalls Westernreiterin, Trainerin B EWU, mit Turnierambitionen, grossem Spass an der Reiterei, Achtung vor dem Partner Pferd und vielen netten Reitschuelern, denen ich mit viel Freude und Leidenschaft mein Wissen und meine Philosophie weiterzugeben versuche.
Ich hab im Leben noch kein drahtdünnes Gebiss verwendet und bin mir sicher, dass ich auch in Zukunft ohne auskommen werde. Solcherlei Gebisse sind Tierquälerei - unabhängig von der Reitweise. Und obwohl ich bereits in mehreren Profiställen Einblick hinter die Kulissen hatte ist mir z.B. ein sogenanntes "Twisted Wire" nur bei einer einzigen Trainerin aufgefallen und ich verurteile die Verwendung dieser Art Gebisse aufs heftigste - wie übrigens die meisten wirklichen Westernreiter!
Westernreiten in Perfektion ist Reiten über hauptsächlich Schenkel und Gewichtshilfen, einhändig am durchhängenden Zügel, mit mild wirkender Westernkandare, die im Grunde gar nicht zum Einsatz kommen soll. In vielen Shows demonstrieren die Reiter dies gerne immer wieder indem sie ihre Pferde auch mal ohne Kopfstück gekonnt durch Turnieraufgaben steuern.
Diese ewigen blöden Vorurteile über diese Reitweise - sorry, ich kann sie bald nicht mehr hören!
Was ist mit den Heerscharen von sogenannten Englischreitern, die ihren Pferden den Kopf in die gewünschte Position ziehen und starr am Zügel halten, ohne nennenswerte Schenkeltechnik? Oder sogenannte Freizeitreiter, die sich in Reitsportläden mit den abenteuerlichsten Kandaren ausstatten, weil sie meinen, ihre Pferde seien ja besonders schwierige Tiere, aber im Grunde überhaupt nicht reiten können und ihre Pferde meist nicht mal vom Boden aus kontrollieren können, weil sie schlichtweg keine Ahnung haben wie man ein Pferd eigentlich korrekt erzieht. Wenn solche Leute zufälligerweise einen Westernsattel auf ihrem Pferd liegen haben sollten dann hat das mit Westernreiten genausoweinig zu tun wie der zügelziehende Typ im Dressursattel mit Dressurreiten zu tun hat.
Es gibt nur gutes oder schlechtes Reiten, unabhängig von der Reitweise, der Ausrüstung oder der Pferderasse.
Als verantwortungsbewußte Ausbilderin und großer Fan feinen Reitens egal welcher Reitweise würde ich mir wünschen, dass dieses endlich mal in den Köpfen ALLER REITER ankommt.
Mit Aussagen wie der vorliegenden schüren Sie leider nur die Glut eines völlig überflüssigen wie schädlichen Feuers. Schade.
Mit freundlichen Grüßen P.W.Guten Tag Frau W.! Herzlichen Dank für Ihr Schreiben! Sehr gerne veröffentliche ich Ihren Leserbrief und korrigiere die bemängelte Passage! Wenn ich diese Formulierung bewußt gewählt hätte, würde ich mich noch mehr freuen, denn als Autor würde man schon gerne wissen, wie die Aussagen ankommen, und Widerspruch ist dabei durchaus willkommen. Natürlich habe ich mich inzwischen damit abgefunden, daß das Internet erwachsen geworden ist und die Rückmeldungen nach denselben Gesetzen erfolgen wie beim Radio, Fernsehen oder sonstigen öffentlichen Äußerungen. Mit anderen Worten: Normalerweise bekommt man kein Echo, gar kein Echo. Wenn man ein Echo bekommt, dann ist es ein Protest. Also wäre eine ziemlich erfolgversprechende Technik die, falscher oder provozierende Aussagen in den Text einzubauen. Wußten Sie, daß dieser Technik in der Werbeindustrie "erfunden" wurde? Und zwar unabsichtlich? In einer Kampagne ist unbemerkt ein Fehler unterlaufen, und diese war besonders erfolgreich. Man hat das dann auf den Fehler zurückführen können. Im übrigen ist eine bewußte Provokation eine durchaus ehrenwerte Technik, weil man durch die dadurch ausgelöste Diskussion Positionen klären kann, die sonst überhaupt nicht hätten zur Sprache gebracht werden können. Aber ich kann mich nicht damit brüsten, daß ich hier bewußt formuliert hätte. Insofern haben Sie durchaus recht in Ihrer Bestürzung, da sich offenbar gewisse Vorurteile in meinem Kopf so eingenistet haben, daß ich sie selbst gar nicht mehr bemerke. Auch dafür herzlichen Dank! Ansonsten muß man das Schweigen der Leser so werten, wie es naheliegend ist: Wenn alle einverstanden sind (oder sich nicht genug ärgern), gibt es keine Resonanz, die man folglich als Zustimmung werten könnte. Andererseits muß man froh sein, daß die Resonanz gering bleibt. Denn andernfalls käme man vermutlich nicht mehr zur regulären Arbeit. Ich habe mich in einem Fall bei einem Autor bedankt (einem pensionierten Schweizer Pädagogen), der sich dann bei mir beklagte; 65.000 Leute hätten in diesem Jahr schon seine Artikel gelesen, nicht einer habe sich gemeldet, ich sei der erste. Daraufhin habe ich ihn getröstet; eine Kommunikation mit 65.000 Leuten kann nur ein Alptraum sein. Mit freundlichen Grüßen Gerd Hebrang
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