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von Heidelinde Keppel

 Folge 10 · Folge 11


...Im Nu war Linda nun bei ihr und hörte - obwohl sie vieles schon aus ihren Pferdebüchern kannte - aufmerksam zu, als ihr die einzelnen Ausrüstungsgegenstände näher erläutert wurden.

"Dieses einem Halfter ähnlich sehende Kopfgestell aus Leder, das der Sylvester hier trägt, nennt man Kappzaum. Dieser wird eigens für das Longieren angefertigt. Damit schont man in der Grundausbildung das sensible Maul des Jungpferdes, falls es sich gegen die Einwirkungen des Longenführers wehren sollte, da es eben - anders als beim Trensenzaum - kein Gebiss trägt. So ein Kappzaum ist sehr stabil und sitzt fest auf dem Kopf, außerdem besitzt er viele Ösen auf dem Nasenteil zum Anbringen von Longierleine und diversen Hilfszügeln, allen voran die Ausbindezügel, wie du sie hier siehst.

Zur Befestigung der Hilfszügel trägt das Pferd in der Regel einen Longiergurt, der den Sattel beziehungsweise die Reiterhand ersetzen soll. Er ist an mehreren Stellen mit Ringen ausgestattet, sodass die Positionierung der Hilfszügel variiert werden kann, wodurch auch deren Wirkung entscheidend verändert wird. Eine nähere Erklärung würde für heute jedoch zu weit führen. Ist bis jetzt alles klar?"


Bettina Wegner sah ihre Schülerin fragend an, worauf diese zögernd nickte.

"Schon, allerdings hätte ich noch gern gewusst, wie lang die Ausbindezügel denn nun wirklich eingestellt werden sollen. Ich habe nämlich immer geglaubt, dass sie so kurz sein müssen, dass das Pferd seinen Hals wölbt und seine Nasenlinie eine Senkrechte bildet. Beim Sylvester hier sind sie aber so lang verschnallt, dass er den Kopf ziemlich frei bewegen kann."

"Das hast du gut beobachtet", stellte ihre Reitlehrerin anerkennend fest. "Wie so oft im Leben kann man aber auch hier keine allgemein gültige Regel aufstellen, sondern muss dabei auf die individuellen Bedürfnisse jedes einzelnen Pferdes Rücksicht nehmen.

Ältere, fertig ausgebildete Tiere kann man nach kurzer Lockerungsphase sofort in die richtige Stellung bringen, ohne ihnen damit zu schaden. Diese Pferde haben in jahrelanger Aufbauarbeit die benötigten Muskelpartien trainiert, sodass es ihnen möglich ist, auch längere Zeit in dieser so genannten versammelten Haltung problemlos zu gehen. Ganz anders verhält es sich mit Jungpferden.

Die Versammlung stellt nämlich eine eher ungewöhnliche und auch ziemlich anstrengende Bewegungsform dar. Nur Hengste und sehr dominante Stuten zeigen kurzfristig auch natürlicherweise dieses Verhalten, wenn sie anderen Artgenossen imponieren wollen."


"Warum zwingt man die Pferde dann eigentlich in diese Haltung? Etwa nur, weil es eleganter aussieht?", wunderte sich Linda.

"Nein, nicht nur deshalb. Es hat schon auch einen praktischen Grund. Bei der Versammlung wird nämlich vor allem die Rücken- und Hinterhandmuskulatur gekräftigt, sodass das Pferd in Folge einen Reiter tragen kann, ohne Schaden zu erleiden. Damit sich diese Muskeln jedoch optimal entwickeln können, darf es zu keiner Verspannung kommen, welche aber unweigerlich entsteht, falls man das Pferd zu früh in diese extreme Stellung zwingt.

Darum soll das junge Tier in der Anfangsphase seiner Ausbildung durch die eher lang verschnallten Ausbinder nur am Hochwerfen des Kopfes gehindert werden, denn dies würde das Durchdrücken des Rückens nach unten und eine Anspannung der Unterhalsmuskulatur fördern und damit genau das Gegenteil des gewünschten Effektes bewirken. Schmerzen und Verspannungen - vor allem, wenn das Pferd dann geritten wird - wären die Folge.

Durch die langen Ausbindezügel aber wird das Pferd sanft ermuntert, den Kopf nach vorwärts-abwärts zu strecken. Dabei wird die Muskulatur der Oberlinie gedehnt und die der Unterlinie völlig entspannt. Dies wirkt nicht nur beruhigend auf das ganze Tier, sondern schafft auch beste Grundbedingungen für die spätere Versammlung. Stück für Stück werden dann die Zügel im Laufe der Ausbildung verkürzt, bis das Pferd ohne Schwierigkeiten in der Versammlung gehen kann. Genauso verhält es sich auch mit der seitlichen Stellungskorrektur."


"Damit meinst du wohl, dass der Kopf des Pferdes immer leicht nach innen gebogen sein sollte?", unterbrach Linda die ausführlichen Erklärungen ihrer Reitlehrerin.

"Genau. Der Körper des gut gearbeiteten Pferdes weist dieselbe Biegung auf, wie die Linie, auf der er sich befindet. Das heißt, dass ein Pferd zum Beispiel beim Longieren - entsprechend der Kreisgröße, die von ihm verlangt wird - sowohl Kopf als auch Hinterhand mehr oder weniger nach innen biegen sollte. Dazu benötigt es bereits ein gutes Balancegefühl, denn natürlicherweise werfen sich vor allem junge, ungestüme Tiere bei schnelleren Gangarten mit nach außen gedrehtem Kopf förmlich in die Wendung. Der Oberkörper wird dabei nicht gerade gehalten, sondern entgegen der Fliehkraft nach innen gedrückt.

Erst ab einem bestimmten Ausbildungsgrad ist das Pferd in der Lage, auch enge Kreise und Wendungen korrekt gebogen und gestellt zu gehen. So, nun lass uns aber mit der Praxis beginnen, denn Sylvester ist schon sehr ungeduldig."
...

 Folge 12




 
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E-Mail   Heidelinde Keppel  
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