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| Mit den Augen der Pferde Teil 4 | | |
Die Bedürfnisse und Wünsche unserer Reitpferde
Im Rahmen meines dieswöchigen außergewöhnlichen Fachartikels, bei dem ich teilweise direkt aus der Sicht der Pferde erzähle, werde ich mich nochmals mit dem Reiten beschäftigen, aber diesmal einige Spezialbereiche ansprechen.
Gleich zu Beginn möchte ich eine Lobeshymne auf die für die Allgemeinheit besonders wertvollen Schulpferde anstimmen, die trotz ihrer enorm wichtigen Aufgabe so wenig anerkennende Beachtung finden. Fast jeder sieht es vielmehr als Selbstverständlichkeit, dass sie in vielen Jahren stiller Duldsamkeit unzähligen mehr oder weniger begabten Reitschülern die Möglichkeit bieten, auf ihren ebenso empfindsamen Rücken die Grundelemente des Reitens zu erlernen.
Dass dies nicht immer leicht ist, kann sich wohl jeder vorstellen, aber hören wie einmal, was ein bereits älterer Vertreter dieser Gruppe tatsächlich zu beklagen hat.
Klagen eines Schulpferdes
"Ach, ich kann es schon nicht mehr hören! Dieses ewige Gejammere der Privatpferde und die ständige Protzerei mit ihren vollbrachten Höchstleistungen gehen mir schrecklich auf die Nerven. Glauben diese eingebildeten Nobelpferdchen denn tatsächlich, dass nur sie sich anstrengen müssen? Dass ich nicht lache! Die haben ja gar keine Ahnung, was wirkliche Arbeit ist! Sie haben allesamt gute Reiter, die wissen, was sie tun, und bei sämtlichen Bewegungen geschmeidig mitgehen. Meine hingegen hüpfen oft auf meinem Rücken umher, als ginge es um Trampolinspringen und nicht um Reiten, oder sie hängen wie Mehlsäcke völlig passiv auf mir. Manche sitzen schief und unsicher, andere wiederum reißen grob an meinen Zügeln oder halten sich daran fest, ohne zu bedenken, was dies für mein empfindsames Maul bedeutet. Werde ich an der Longe im Kreis geritten, kann ich mich wenigstens an der Reitlehrerin orientieren, schlimmer ist es hingegen, wenn meine Reitschüler zum ersten Mal frei reiten sollen. Dann wird von mir erwartet, dass ich soetwas wie ein Hellseher bin, der mit untrüglichem Instinkt erkennen soll, welche Hilfen nun wirklich ernst gemeint sind und welche zwischendurch irrtümlicherweise �passieren�. Am Ende jedes langen Arbeitstages bin ich jedenfalls immer heilfroh, wenn ich meine schmerzenden Glieder ein wenig ausrasten kann, und habe ich einmal einen freien Tag, so will ich nur meine Ruhe, denn ich weiß ja, dass am nächsten Tag die ganze Schinderei wieder von vorne beginnt."
Nun, ich glaube, dazu ist nichts mehr hinzuzufügen! Nur noch eines � ein Lob auf diese Leistung!
Außerdem sollten wir uns vielleicht Gedanken darüber machen, wie wir den Schulpferden ihre Arbeit erleichtern könnten. Gebisslose Zäumungen haben sich bei meinem Reitunterricht sehr bewährt und werden von allen Pferden freudig angenommen, wobei ich allerdings gestehen muss, dass die Zügelhilfen des herkömmlichen englischen Reitstils damit nur schwer nachempfunden werden können.
Deshalb nehme ich auch nicht an, dass sich an der Situation unserer Schulpferde in naher Zukunft etwas Entscheidendes ändern wird.
Genausowenig möchte der Mensch ganz allgemein auf sein Vergnügen verzichten, weshalb auch die nicht ganz so große Gruppe der Show- und Stuntpferde nie völlig ausgerottet werden wird.
�Hut ab� vor Natalie Penquitt und allen anderen Menschen, die ihren Pferden auf sanfte Weise unter optimalsten Bedingungen Schritt für Schritt Tricks und Kunststücke beibringen, aber wir sollten nicht vergessen, dass der Prozentsatz all derer, die ihre Showpferde auf brutalste Art unterwerfen und ihnen diverse Lektionen gewaltsam abverlangen, traurigerweise immer noch bedeutend höher ist.
Ich weiß, wovon ich rede, denn ich habe vor nicht allzu langer Zeit bei einer Institution gearbeitet, die unter anderem Westernshows mit Stuntreiteinlagen veranstaltete. Obwohl ich von einigen Stuntreitern und ihren spektakulären Kunststücken hoch zu Ross höchst beeindruckt war, hat mich das Schicksal der Stuntpferde doch sehr betroffen gemacht.
Noch schlimmer als deren bemitleidenswerte Situation war allerdings die Tatsache, dass keiner der Zuschauer auch nur einen Gedanken daran verschwendete, wie sich die armen Tiere fühlen könnten. Direkt darauf angesprochen zeigten sich die meisten vielmehr sehr verständnislos und sogar ungehalten � niemand wollte sich die Show �vermiesen� lassen, keiner interessierte sich für die traurige, weil harte Realität.
Ich habe damals vor allem für eine schon ziemlich alte Fuchsstute große Sympathie empfunden und ihr zwischen ihren Auftritten viele Streicheleinheiten angedeihen lassen, die sie voller Dankbarkeit entgegennahm. Trotz ihrer jahrelangen Arbeit als Stuntpferd konnte man ihr nur körperlich die Routine ansehen, nervlich hingegen war sie ein völliges Wrack! Bei jedem Schuss zuckte sie zusammen (sie galt übrigens als absolut schussfest!), Explosionen ließen sie erschrocken zur Seite springen, und wenn ein Reiter auf sie zurannte, um in scheinbar federleichter Manier auf ihren Rücken zu springen, riss sie angstvoll die Augen auf. Wenn sie während dieser äußerst geräuschvollen Shows angebunden auf den nächsten Einsatz warten musste, ging ein beständiges leises Zittern durch ihren Körper, das mich zutiefst erschütterte.
Auf die Frage, wie diese Pferde ausgebildet werden, antwortete mir ihre Besitzerin, eine rassige Ungarin, mit herablassendem Blick:
"Das meiste muss man ihnen schon mit Gewalt beibringen. Wenn man ein Pferd zum ersten Mal zum Niederlegen bringen möchte, braucht man dazu schon 3-4 starke Männer, die das Tier mit Seilen niederwerfen. Mit der Zeit lernen die Pferde dann, dass es für sie angenehmer ist, wenn sie sich freiwillig (Man beachte bitte in diesem Zusammenhang die Bedeutung dieses Wortes!) niederlegen. In spätestens 3 Monaten hat man ihnen dann alles beigebracht, was sie brauchen. Wenn sie nicht parieren, muss man schon mal hart durchgreifen. Sollte sich ein Pferd wirklich nicht für Shows eignen, wird es eben verkauft, wir haben ja schließlich bei uns genug billiges Pferdematerial!"
Dass bei diesen Methoden auch so manche Verletzung nicht ausbleibt, und es auch hin und wieder einen Todesfall gibt, wird nicht unbedingt jedem auf die Nase gebunden, aber in einschlägigen Kreisen ist dies ein selbstverständlicher Fakt.
Doch lassen wir auch dazu das Pferd persönlich zu Wort kommen.
Erzählungen eines Stuntpferdes
"Meine Lehrzeit war hart, aber ich war klug genug, mich nicht so wie viele andere ständig zu widersetzen. Es bringt ja auch nicht viel. Dann kommen eben noch mehr Menschen mit Seilen und Peitschen, binden dir die Beine zusammen und werfen dich einfach um. Oder sie hetzen dich eine Strecke dreimal so oft hin und her, wenn du nicht folgsam schnurgerade auf der gewünschten Linie bleibst. Das Reiten wäre ja nicht weiter schlimm, man gewöhnt sich mit der Zeit schon an sämtliche Übungen, aber die dröhnende Begleitmusik tut richtig weh in den Ohren. Noch schrecklicher sind allerdings diese Westernshows, bei denen so sinnlos herumgeknallt wird. Bei jedem Schuss glaube ich, dass mein Schädel zerplatzt, und ganz arg sind diese Explosionen. Da ist nicht nur ein Höllenlärm, sondern auch noch ein fürchterlicher Gestank, der meine empfindliche Nase reizt. Ich weiß wirklich nicht, was die Menschen daran finden!"
Nun, aber ich weiß es! Man wird in einen geheimnisvollen Bann gezogen und verfällt geradezu in eine Gruppenhysterie, wie man sie auch auf Rodeo-Veranstaltungen in Amerika erleben kann.
Einerseits ein überwältigendes Erlebnis, ist es andererseits traurig, dass der Mensch sich offenbar nur auf Kosten anderer Lebewesen unterhalten kann. Ähnliches trifft ja auch z.B. auf Karussellpferde (welche ich als Kind selbstverständlich auch gerne aufgesucht habe) zu, ja sogar der berühmte Wiener Fiaker ist nicht unbedingt als sehr pferdefreundlich einzustufen.
Hier sollte endlich ein gewisses Umdenken erfolgen, doch wahrscheinlich ist die Zeit dafür noch nicht richtig reif. Möglicherweise kann ich mit diesem Artikel aber schon mal einen kleinen Denkanstoß diesbezüglich liefern....
Nächste Woche möchte ich dann unter anderem das brisante Thema �Reithengst� ansprechen....
Sollten Sie mir zum dieswöchigen Beitrag Ihre geschätzte Meinung sagen wollen, können Sie dies gerne wieder per E-mail › () tun.
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