| | Steht nicht an den Hilfen: Om El Assadik | | | |
| Freilich sind wir heute ernüchtert. In ihrem letzten Buch hat Kiki Kaltwasser, ehemalige Schülerin von Monty Roberts, aus ihrer Enttäuschung über die beschränkten Möglichkeiten der Pferdeflüsterer keinen Hehl gemacht (Rezension › Kaltwasser, Kiki: Vom Problempferd zum Verlasspferd). Sie folgt jetzt der klassischen Linie. Dabei ist Monty Roberts urspünglich zu Ansehen, Ruhm und Ehre gekommen, weil er Hilfestellung dort leisten konnte, wo die herkömmlichen Experten nicht mehr weiter wussten - so wie Neuhauser nach Arabien gerufen wurde, um sich dort an scheinbar unlösbaren Problemen zu versuchen.
Nun habe ich gerade den Gegensatz zwischen Monty Roberts und Hans-Jürgen Neuhauser herausgearbeitet (› Neuhauser und Monty Roberts: Ein Vergleich). Monty Roberts versteht und behandelt Pferde im Grunde nicht viel anders als alle anderen auch. Pferde sind vor allen Dingen Mittel zum Zweck, mit denen man sich besser fühlen, sich einen Namen machen, einen Haufen Geld verdienen, Macht, Prestige und Einfluss gewinnen kann. Das Schöne ist: Pferde kann man kaufen und verkaufen, es sind Objekte mit bestimmten Eigenschaften, die bewertet werden können, die man verhandeln, die man für sich einsetzen kann.
Das ist so offensichtlich und wohlbekannt, dass man sich darüber normalerweise gar keine Gedanken macht. Berühmte Reiter veredeln rohe Pferde und werden dafür gut bezahlt, veredelte Objekte werden zu hohen Preisen gehandelt und wiederum für die Zwecke des Käufers eingesetzt. Dabei ist dieses Geschehen nicht auf bestimmte Sportarten beschränkt; selbstverständlich nicht, denn dieselben Mechanismen gelten überall.
Ich weiß noch genau, wie verwundert ich war, als ich auf einem der ersten Pfingstturniere der Westernreiter einen Teilnehmer im Reining fotografierte, der so gar nicht in die Szene der jungen Sportler zu passen schien. Das war so der Typ Mann, der sich einen Porsche zulegt, wenn er auf die 60 zugeht. Der will es noch mal wissen, weil er spürt, dass seine beste Zeit zu Ende geht. Eines hat er den jungen Spunden voraus: Geld. Wenn einer von denen einen Porsche fährt, hat ihn vermutlich der Papa bezahlt. Er hingegen hat ihn sich selbst verdient und meint auch, dass er sich ein solches Fahrzeug nun gönnen darf, selbst wenn er damit keine Rennen fahren will (und vermutlich auch nicht kann).
Aber so ein gut ausgebildetes Reining-Pferd, fertig für Turniere der höchsten Klasse, das ist etwas anderes. Im Grunde muss man sich nur draufsetzen. Das Pferd ist konditioniert, eigentlich eine Maschine, die ihr Programm abspult. Der Reiter muss nur aufpassen, dass er nicht herunterfällt, da die Bewegungen doch ziemlich dynamisch und abrupt sind. Das traut sich der Mann noch zu - immerhin hat der Westernsattel ein schönes Horn. Will hier irgendjemand die Nase rümpfen?
Außerdem fällt mir dazu ein, dass die Westernszene Jahrzehnte dafür gearbeitet hat, die Gewinnsummen in ihrem Sport in die Höhe zu treiben, mindestens so hoch wie in den etablierten FEI-Disziplinen. Je höher die Summen, desto lukrativer das Geschäft für alle Beteiligten. Aus demselben Grund steigen die Summen auch anderswo ständig an.
Die Westernreiter erzeugen gerne den Eindruck, besonders pferdeschonend zu arbeiten. Davon kann gar keine Rede sein. Im Gegenteil, vermutlich werden die Pferde dort noch mehr geschunden als anderswo. Jemand, der als Insider zu gelten hat, hat mir einmal sein Entsetzen darüber gestanden, dass die Westernreiter noch kaltschnäuziger und verächtlicher über ihre Pferde reden als die klassischen Profis.
Wenn Sie meinen, dass meine Argumentation eine empfindliche Schwäche hat, weil die Gewinnsummen bei der Dressur vergleichsweise lächerlich sind, sehen Sie nur eine Seite der Medaille. Bei der Dressur wird das Geld nicht beim Turnier gemacht. Beim Springreiten riskiert der Reiter Leib und Leben, und zwar seins und das des Pferdes. Außerdem werden die Knochen, Gelenke, Sehnen und Bänder der Pferde extrem strapaziert, wodurch sich die Nutzungsdauer entsprechend verringert. Auch für den Reiter ist die körperliche Belastung sehr groß.
Bei der Dressur ist es ähnlich wie beim Westernsport. Wenn das Pferd gut ausgebildet ist, muss der Reiter nicht mehr viel können. Er muss nur das Geld hinlegen und schon kann er geeignete Turniere gewinnen. Ist das nicht prima? Wer einen Porsche fährt, ist einer unter vielen. Im Sport gewinnt immer nur einer. Wer also sein Ego pflegen möchte, ist mit einem teuren Sportpferd vermutlich besser bedient.
In einer noch exklusiveren Liga spielen allerdings die Gestütsbesitzer. Die haben es nicht nötig, sich aufs Pferd zu setzen und den kritischen Blick der Zuschauer auszuhalten; sie engagieren einen Gestütsleiter und entscheiden allenfalls über die Anpaarung - so auch der Emir von Schardscha, wie in der ZDF-Dokumentation ausdrücklich betont wird.
Der Umgang mit dem Pferd, die tägliche Arbeit und die Lösung von Problemen bleibt Angestellten überlassen, die die Forderungen des Besitzers umzusetzen haben und ihm gegebenenfalls erklären müssen, warum die Dinge nicht so laufen, wie er sich das vorstellt. Der Originalton mit der hektischen Stimme der Gestütsleiterin, die ihre Angestellten nervös dazu anstiftet, Karotten als Problemlöser einzusetzen, wird im Film wie folgt kommentiert:
| Sprecherin: Die Gestütsleiterin Julie Day und ihre Mannschaft versuchen "Om El Azadik" so gut wie möglich bei Laune zu halten. Um ihn möglichst nicht zu provozieren, wird er mit Karotten bestochen. Ohne diesen Trick ist es zu diesem Zeitpunkt nicht möglich ohne fremde Hilfe aufzusitzen, da der Hengst wild um sich beißt. Frei nach dem Motto "Lieber einen halben Sack Karotten, als ein Mann im Krankenhaus". Üblicherweise wird "Om El Azadik" auf diesem Platz nicht geritten, er steht nicht an den Hilfen und zeigt unter dem Sattel keinerlei Kooperationsbereitschaft. Zu diesem Zeitpunkt wartet viel Arbeit auf Hans-Jürgen Neuhauser. DVD HJN-Reiten, Gesamttext | | |
Nebenbei wird mit dieser Szene gezeigt, dass Neuhauser sich zunächst auf die Bedingungen der aktuellen Situation einlässt und den Stand der Dinge dokumentiert. Wie kommt man in dieser verfahrenen Situation weiter? Mit Karotten sicher nicht. Aber womit dann?
| |