Das ist genau die Art von Doppelbotschaft, die andere Leute verrückt werden lässt. Das ist genau das, worüber » Gregory Bateson und » Paul Watzlawick gearbeitet haben. Der Mensch spielt sich als Wohltäter des Pferdes auf, macht es aber vorher fix und fertig, und zwar ohne dass das Pferd eine Chance hätte. Stellen Sie sich bitte die ganze Szene bitte mal ausführlich mit Mutter und Kind (oder Vater und Kind) vor, um die ganze Ungeheuerlichkeit emotional zu erfassen! Das Kind wird so lange drangsaliert, ohne wirklich ausweichen zu können, bis es zu Kreuze kriecht, bis es vollkommen gebrochen ist und seinem Peiniger zu Füßen fällt, der ihm dann anschließend gnädig über den Schopf streicht. Widerwärtig! Der Vergleich mit Neuhauser zeigt zwar vordergründig dieselben Bedingungen, läuft aber völlig anders ab. Auch hier kann sich das Pferd durch Flucht nicht wirklich entziehen. Auch hier bewegt der Mensch das Pferd. Aber vorsichtig, nicht mit der Absicht, es zu unterwerfen. Er treibt das Pferd nicht so schnell wie möglich vor sich her, wirft schon gar nicht mit einem Seil nach ihm, sondern weicht teilweise auch zurück, um ihm Platz zu machen. Neuhauser respektiert die Stute mit all ihren Ängsten, weil er sich in sie hineinversetzt. Er lässt ihr Raum, damit sie sich sicher und wohl fühlen kann. Wenn er einen Schritt auf sie zu tut, ist das eher ein Angebot zur Kommunikation; genau so versucht er, sie zu stoppen. Es geht nicht um Kontrolle, sondern um Austausch. Etwa nach dem Motto: "Kann ich mit dir reden, hörst du mir zu, magst du mir antworten?" Er redet mit allem, was er zur Verfügung hat: Er benutzt seinen Körper, speziell seine Stimme, seine Hände, seine Beine, und dazu die kurze Peitsche, deren Schnur er aufgewickelt hat. Die benutzt er schließlich dazu, sie zu berühren, wobei er den Abstand, den er mit ihr ausgehandelt hat, peinlich genau einhält. Er wird sich hüten, ihr zu nahe zu kommen, und weicht sofort zurück, sobald er das Gefühl hat, zu weit gegangen zu sein. In dem Moment, wo er sich ihr noch mehr nähert, benutzt er seine Hand in derselben Weise wie die Peitsche: Er bleibt also so weit wie möglich von ihr entfernt und bietet ihr lediglich die Hand, damit sie daran schnuppern kann. So nehmen Pferde Kontakt auf, so sollten Menschen Kontakt mit Pferden aufnehmen. Wir wissen nicht, was Pferde über ihren Geruchssinn wahrnehmen; unser Geruchssinn ist vergleichsweise ziemlich verkümmert, aber wir wissen, dass wir zumindest in Extremfällen Emotionen auch über unsere Gerüche signalisieren. Angstschweiß ist geradezu sprichwörtlich. Sympathie und Antipathie wird zumindest sprichwörtlich auch über den Geruchssinn definiert (jemanden gut oder nicht riechen zu können), was im Zeitalter der allgegenwärtigen Deodorantien und Parfümorgien leicht in Vergessenheit gerät. Kann das Pferd womöglich unsere Absichten riechen? Wundern würde es mich nicht. In der nächsten Sequenz geht Neuhauser um die Stute herum; statt sie direkt zu bewegen, bewegt er sich selbst, und sie folgt seinen Bewegungen. Hält man das für möglich? Haben wir nicht gerade erst gelernt, dass nach der Pferdelogik führt, wer den anderen bewegt? Dass der Mensch also das Pferd bewegen muss? Neuhauser bewegt das Pferd auch, aber er treibt es nicht vor sich her, sondern veranlasst eine Vorhandwendung, indem er sich selbst um das Pferd herumbewegt und seine Aufmerksamkeit fordert. Natürlich muss die Stute auch verfolgen, was er macht, denn er könnte ja immer noch potentiell bedrohlich sein; aber sie scheint eher neugierig zu sein und sich zu wundern, was er wohl für einer ist. Sobald sie irritiert ist, weicht er zurück und entschuldigt sich sowohl verbal als auch körpersprachlich; sie scheint das sofort zu akzeptieren, denn anschließend kann er sich wieder auf sie zubewegen.
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