Schon sind wir wieder am Thema: Ein neuer Ansatz, mit dem auch ich erst warm werden mußte. Es herrscht die Meinung vor, daß - gemäß der beliebten linearen Kausalität - der bei Rehepferden gemessene überhöhte Eiweißgehalt im Blut auf reine Überfütterung zurückzuführen ist. Also: Boxenruhe, Rehebeschlag zur Entlastung und Diät sind angesagt, zumindestens bei der klassischen Behandlungsmethode. Die Lehre von Frau Dr. Strasser packt das Problem andersrum an: Sie sieht hier, wie oben beschrieben, keine Über-, sondern eine Unterfütterung, zumindest an bestimmten notwendigen Stoffen und/oder eine Vergiftung durch eigene, nicht ausgeschiedene Abfallprodukte. Giftstoffe entstehen aber zum Beispiel auch, wenn die 16m Pferdedarm nicht so viel wie in der Natur vorgesehen mit Verdauen (mit Rauhfutter) beschäftigt sind: Die Mikroorganismen im Darm sterben ab, wodurch giftige Endotoxine frei werden, die zu Entzündungen führen können - z.B. die der Lederhaut bei der Hufrehe. Die für Pferde notwendigen Substanzen sind nach Straßer besonders im ungequetschten Hafer und dort in leicht aufnehmbarer Form vorhanden. Die Ausscheidung von "Abfallprodukten" aus dem Organismus über die Hufe wird durch den physiologischen - der Vernunft der Natur entsprechenden - Schnitt und daraufhin durch Hufmechanismus unterstützt. Die Rehepferde bekommen also die Eisen runter, richtiges Ausschneiden mit Herstellen der richtigen Winkel und Entlasten der Zehe, Hafer und so viel Spaziergang auf festem Boden wie möglich und für das Pferd erträglich. Wenn die Rehe nicht hoffnungslos chronisch und das Hufbein nicht schon zu stark abgebaut und deformiert ist, werden die Pferde regelmäßig wieder vollkommen gesund. Uns wurde von einem Fall aus der USA erzählt, wo ein Pferd alle 4 Hufe ausgeschuht hat und nach einem Jahr wieder fit war. Daß das vor allem in der ersten Zeit nur mit großen Schmerzen geht, ist klar, aber Pferde gehen ganz anders damit um wie wir Menschen. Wie sie es schaffen, trotz körperlicher Schmerzen Lebensfreude auszustrahlen, sieht man vielleicht am Foto der über 30 Jahre alten Araberstute Arnella vom Karolinenhof, das ich bei meiner Tour mit Sabine Eichele gemacht habe. Sie hatte chronische Rehe und einen großen Nierentumor, lebte neben ihrem ebenfalls 30-jährigen Hengst Tabal und war gut gelaunt, drinnen und draußen auf der Weide. Vor kurzem ist sie an einer schweren Kolik gestorben. Tabal ging es dann eine Woche sehr schlecht, er hat nichts mehr gefressen, sich aber mittlerweile gefangen und wieder den Spaß am Leben, den er letzten Sommer nach seiner Umstellung auf Barhuf neu gefunden hatte. Pferde können trauern. Generell, glaube ich, können sie seelische Schmerzen viel schwerer ertragen als körperliche.
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