Für die Zeit nach dem Kriege war Gustav Rau zweifellos sehr wichtig. Er war aber kein Sportler, er war kein Züchter, er war kein Trainer. Die großartigen Erfolge, die kurze Zeit nach dem Kriege bereits wieder verzeichnet werden konnten und die Gustav Rau auch noch miterlebte, wurden von anderen Leuten vorbereitet und errungen.
| |  | Otto Lörke (Fanal, r.), Willi Schultheis (Pernod) |  |  |  |
| |  | Ida, Josef, Clemens, Georg v. Nagel |  |  |  |
| Vornholz - Wiege des Turniersports
Die eigentliche Wiedergeburt des deutschen Turniersports erfolgte jedoch nicht in Aachen, sondern in Westfalen. Der 1909 geborene Pferdezüchter Clemens Freiherr v. Nagel-Doornick, Hausherr der im 17. Jahrhundert errichteten Wasserburg Vornholz, einige Kilometer südlich von Warendorf, hatte die Kriegsjahre als Landstallmeister des polnischen Gestüts Racot erlebt. In die Heimat zurückgekehrt, verpflichtete er Willi Schultheis und Otto Lörke als Dressurausbilder.
Bereits 1946 knüpft v. Nagel Verbindungen zu den Offizieren der Besatzungsmächte. Mit diplomatischem Geschick ringt er den Briten die Erlaubnis für die Ausrichtung eines großen Turniers ab. Seine Pläne, den Pferdesport im Herzen Westfalens zu beleben, sprechen sich im Windeseile herum. Als im Herbst 1947 Schloßpark und Turniergelände ihre Pforten öffnen, kommen statt der erwarteten 8.000 Besucher über 20.000. Gemeinsam mit den Deutschen starben Offiziere aus Großbritannien, den Niederlanden, Polen, Belgien und Frankreich. Die Gräben, die der Krieg zwischen den Nationen gezogen hatte, werden im Pferdesport zu einem Gutteil in Vornholz geschlossen.
Dieses erste große internationale Turnier markiert den Beginn einer beispiellosen Entwicklung. Vornholz wird in kürzester Zeit Hochburg des Leistungssports. Nicht nur die Dressurerfolge der Reiter Otto Lörke, Willi Schultheis und Ida Freiin v. Nagel, Schwester des Hausherrn, ziehen die Aufmerksamkeit auf sich. Auch die Vornholzschen Zuchtprodukte zählen schon bald zu den besten der Welt. a.a.O., Seite 125 | | |
In diesem Zusammenhang muß der Angloaraber Ramzes unbedingt erwähnt werden:
| |  | Ramzes, bedeutender Linienbegründer |  |  |  |
| Der bildschöne Ramzes, der sein Springvermögen von seinem Vater Rittersporn xx geerbt hatte, welcher der polnischen Armee zahlreiche ausgezeichnete Turnierpferde lieferte, war bereits jahrelang als Beschäler eingesetzt worden, ehe er von 1945 bis 1947 in den Besitz der Besatzungsmächten gelangt und unter einem polnischen Kavallerie-Offizier Erfahrungen im Springsport sammelt.
1948 kann ihn Clemens v. Nagel erwerben. Mit sicherem Blick für die Qualität des Hengstes nicht nur in der Zucht, sondern auch im Sport stellt er den Hengst Hans-Heinrich Brinckmann zur Verfügung. Brinckmann, seit 1947 in Vornholz, gewinnt acht schwere Springen mit Ramzes und begründet einen kleinen Springstall. So erhält Vornholz als Dressurhochburg und Wiege der klassischen Reiterei ein weiteres leistungssportliches "Standbein". a.a.O., Seite 126/127 | | |
Der Alleingang v. Nagels ist ein ebensolcher Glücksfall für die deutsche Pferdezucht und den deutschen Pferdesport wie das Engagement Gustav Raus. Ansonsten sind die Verhältnisse verworren, wie man sich leicht denken kann. Überall bilden sich Initiativen, alle wursteln nebeneinander her und teilweise sogar gegeneinander. Es soll noch lange dauern, bis wir zur einheitlichen Organisation kommen, die jetzt das runde Jubiläum feiern konnte.
| Gustav Rau, der schon 1924 die Gründung der Vereinigung der ländlichen Reit- und Fahrvereine vorangetrieben hatte, setzt sich auch nach dem Krieg für die Ausbildung an der Basis sein. Diese hatte während der Kriegsjahre stark gelitten. Viele Reitlehrer versahen ihren Dienst an der Front, junge Männer wurden eingezogen, Wettbewerbe und Turniere fanden kaum statt. Um das Vereinsleben und den Turniersport zu aktivieren, gründet Gustav Rau Ende der 40er Jahre den "Gesamtausschuß der ländlichen Reit- und Fahrvereine". a.a.O., Seite 131 | | |
| |