Im Zweiten Weltkrieg spielten Pferde eine noch geringere Rolle als im Ersten; trotzdem kamen 1,3 Millionen Pferde im Krieg um. Allerdings war auch die Zucht stark angekurbelt worden. Deshalb gab es bei Kriegsende Pferde "beinahe im Überfluß". Angesichts der Ernährungsprobleme wundert es nicht, daß vor allen Dingen in den Städten Pferdefleisch ausnahmsweise begehrt war.
| | | |  | Pferdeeinsatz Ende der 40er Jahre |  |  |  |
| Zugleich steigt der Bedarf an Reit- und Zugtieren. Treibstoff ist bis Ende der 40er Jahre knapp, das öffentliche Verkehrsnetz zum Teil zerstört. Das Pferd wird besonders auf dem Lande zum wichtigsten Transportmittel.
Pferde sind wertvoller als Geld, sie werden gehortet und als Tauschobjekt benutzt. Die Pferdezucht hat Hochkonjunktur. Und dennoch werden Ende der 40er Jahre gewichtige Stimmen laut, die den Landwirten empfehlen, die Zucht zu verringern, da die Technisierung und Mechanisierung in allen Bereichen das Pferd als Reit- und Zugtieren schnell verdrängen werde.
Insbesondere der Direktor des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten der Bizone, Schlange-Schöningen, führe, so kritisiert Gustav Rau, einen " Feldzug gegen das Pferd", das den "Landwirt auffresse und durch den Trecker ersetzt werden müsse".
Auch der Kieler Landwirtschafts-Experte Prof. Dr. Bade erklärt in der Zeitung "Die Welt", daß die Trizone 500.000 Pferde zu viel habe, und deren Ersatz durch Traktoren die Ernährung von eineinhalb bis zwei Millionen Menschen sicherstellen würde.
Energisch und unerbittlich bemühen sich Gustav Rau und H. W. v. Warburg, Geschäftsführer des Zentralverbands für Zucht und Prüfung deutschen Warmbluts, in Zeitschriftenartikeln, jene "Gegner" des Pferdes zu widerlegen. Wie viele Pferdezüchter kann und will sich auch Rau nicht vorstellen, daß das Pferd seine Bedeutung verlieren wird. a.a.O., Seite 131 | | |
In dieser Hinsicht, so sollte sich in wenigen Jahren herausstellen, hat sich Gustav Rau grandios verrannt. Andererseits wissen wir heute, daß die Pferdezucht als solche wieder zu enormer Blüte gelangt ist. Und das ist unter anderem auch das Verdienst von Hans-Joachim Köhler.
| |  | Helga Köhler, Attaché, Köhler, Page |  |  |  |
| |  | Hans-Joachim Köhler, Helga, geb. Gohde |  |  |  |
| Als der 1917 in Rostock geborene Sohn des mecklenburgischen Landstallmeisters Hans Köhler im November 1949 die erste Reitpferde-Auktion der Nachkriegszeit in der Fachschule für Reit- und Fahrausbildung in Verden ausrichtet, ahnt wohl niemand, daß Verden der größte Warmblut-Auktionsplatz der Welt werden wird. Die Anfänge freilich sind eher bescheiden. Den Kaufinteressenten aus Deutschland und der Schweiz werden nur 28 Pferde vorgestellt, von denen 18 zu einem Durchschnittspreis von 1.900 Mark einen neuen Besitzer finden.
Aber schon einige Jahre später macht Köhler, der die erfolgreiche Springreiterin Helga Gohde heiratet, als freier Mitarbeiter des Hannoveraner Zuchtverbandes den Auktionsplatz Verden zu einem florierenden Absatzzentrum. Mit sicherem Instinkt für Marketing und Kundenbetreuung ausgestattet, weckt er das Interesse von Pferdekäufern aus der ganzen Welt. "Zwischen Nerz und Loden" wird zu seinem Otto. Köhler wird es in der Folgezeit hervorragend verstehen, die Interessen der bäuerlichen Aufzüchter mit denen des Spitzensports und des Kapitals zu verbinden.
Fünf Jahre nach der Premiere feiert die Verdener Versteigerung ein kleines Jubiläum. Zur zehnten Auktion strömen mehrere tausend Gäste, viele aus dem Ausland, in die festlich geschmückte Niedersachsenhalle. 61 Pferde werden zu einem Durchschnittspreis von 2.820 Mark veräußert. Die Preisspitze wechselt für 8.700 Mark in einen belgischen Dressurstall. a.a.O., Seite 133 | | |
Zwar war die Zucht im Osten praktisch zerstört, im Westen jedoch noch weitgehend intakt. Die heute noch florierenden "Marken" Hannoveraner, Oldenburger, Holsteiner, Westfalen, Württemberger produzieren ihre damals noch etwas unterschiedlicheren Reitpferde, Wirtschaftspferde und Wagenpferde; im Rheinland dominiert das Kaltblut, anderswo gibt es Warmblutzuchten auf Oldenburger und Holsteiner Basis. Die Ostfriesen züchten das schwerste deutsche Warmblut, das als Wagenpferd berühmt ist.
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