Leserbrief › 873 zu Ausgabe › 198 13.01.03
Lieber Werner Stürenburg,
jetzt muß ich aber für den 'Araber' eine Lanze brechen.
Ich habe selber einen recht temperamentvollen Vertreter seiner Rasse. Aber 'Unreitbarkeit' ist ein Begriff, der sehr gerne für die Araber benutzt wird, weil viele Leute, die von Arabern träumen und gerne einen besitzen, den Pferden einfach nicht gewachsen sind - zuviele Träume, zu wenig in der Realität! Viele von diesen Menschen hätten auch mit anderen Pferden Probleme. Es kommt immer auf die Erfahrung des einzelnen und auf das Zusammenspiel mit dem Pferd an. Ich mag Pauschalisierungen nicht.
Es gibt reine Araberturniere nicht aus dem Grund, weil die Araber nicht konkurrenzfähig sind. Niemand sagt das von Westernpferden und es gibt in der Westernwelt Turniere speziell für Appaloosas und Quarter Horses. Da sagt keiner die Appis seien den Quarters nicht gewachsen. Das ist eben so, daß es rassenspezifische Turniere und offene Turniere gibt. In der Westernturnierwelt nehmen übrigens gerade in Deutschland mehr und mehr Araber an den sog. Open teil.
Die klassischen Turniere sind wohl aus Tradition und aus der Zweckbestimmung mehr den Warmblutpferden gemäß. Im Grunde sind Araber Distanzpferde. Dafür wurden sie ursprünglich gezüchtet, um unter extremen Bedingungen mit möglichst wenig Futter lange Strecken zurückzulegen. Das ist ihre eigentliche Bestimmung und die hat mit den 'normalen Turnieren' (Springen, Dressur) nicht viel zu tun. Bei Distanzrennen finden sich die meisten Araber. Und die treten da auch gegen Vollblüter, Achal Tekkiner und andere Distanzrassen an. Also nicht nur Araber gegen Araber.
Unten auszugsweise ein Bericht über einen hervorragenden Vertreter seiner Rasse, der sich gegen Großpferde 'durchsetzen' konnte (Ich nenne den Namen nicht, weil ich nicht weiß, wie das mit dem Copyright des Berichtes ist):.... er wurde 1985 in Darmstadt Kranichstein gekört und im Jahr darauf Top Ten Hengst auf dem ASIL Cup. Seine Hengstleistungsprüfung legte er 1987 mit hervorragender Bewertung auf der für Deutschland schwersten aller Hengstleistungsprüfungen in Medingen unter einem Pulk von Trakehnerhengsten ab! 1989 konnte er das internationale Championat von Baden Baden gewinnen, auch ein vierter Platz auf dem Worldchampionat in Paris soll nicht unerwähnt bleiben! Er ist ein hervorragendes Reitpferd und western sowie englisch geritten...... usw ...... und er ist nicht der einzige, der sowohl Reit- als auch Schaupferd ist!!!!
Vergessen wir nicht die 'Reitpferdevariante', den Shagya-Araber. Ich darf ab und zu die Shagya-Stute einer Freundin reiten und bin ganz begeistert von dem ruhigen Trab, wie der 'Jog' eines Westernpferdes, superbequem. Aaaber, von dieser Stute würde manch einer sagen: unreitbar! Sie läßt nicht jeden auf sich sitzen :o)) (Aber gibt's da nicht auch bei anderen Rassen schwierige Zeitgenossen, die nur für gewisse Menschen Sympathie empfinden ... s.h. Dein Bericht über Bella !! ) Auf dem Hengst meiner Freundin habe ich so manche Logenstunde absolviert. Er ist nicht so bequem wie seine o.a. erwähnte Tochter, aber trotz allem ein nervenstarkes Pferd, mit dem die Tochter meiner Freundin als 13-jährige ins Gelände gegangen ist.
Wenn ich hier loslegen würde, müßte ich einen eigenen Bericht schreiben. Will ich aber nicht. Ich möchte nur, daß Du weißt, daß diese 'Langhalsgazellen', wie sie derzeit vielfach in Mode sind, nicht für 'den Araber schlechthin' stehen. Auch in der Züchterwelt gibt es da Kontroversen! Es ist eben Entscheidung der Züchter, deren Geschmack und deren Vorstellung bzw. Sichtweise, wie sie den Araber sehen und worauf sie Wert legen. Ich könnte parallel dazu andere Züchter nennen, die näher an den Wurzeln des arabischen Pferdes stehen und weiterhin im 'alten Typ' züchten. (Für diesen Satz, würden mich die Züchter, die die Modezucht propagieren, lynchen.) Leider ist auch die Pferdezucht der Werbung/Mode/Einstellungen unterworfen. >> Schneller, besser, höher, weiter, 'schöner' << macht auch vor der Zucht nicht halt. Ich vgl. mit Katzen und Hunden .... Du kannst Dir denken, was ich meine ....
In der Januarausgabe des Araber Journals gibt es einen Bericht über Mode- vs Erhaltungszucht. - Unbedingt lesenswert!!
Viele Grüße Jutta Kaiser
PS: Ich bin ganz begeistert von Merles Berichten!! Ihre Art zu schreiben ist fesselnd, die Geschichten ganz klasse. Die Schilderung der Fahrten auf die Insel ... cool! Übrigens: ich wäre froh gewesen, wenn meine Eltern spez. mein Vater nur ein Viertel so engagiert gewesen wäre!!!!Liebe Jutta Kaiser! Der Satz von der Unreitbarkeit stammt aus dem zitierten Interview mit Dr. Nagel; die spitze Bemerkung in Bezug auf die Araber-Turniere stammt von mir, weil mir die Formulierung zu sehr nach Marketing roch. Mit freundlichen Grüßen Werner Stürenburg
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