| | W. Popken im Fenster Selbstportrait 08/2004 | | | | Meine Meinung zu dem Buch: von › Gerd Hebrang
Dieses Buch spannt einen gewaltigen Bogen über 2000 Jahre und 5 Kontinente. Es muss also im einzelnen knapp sein.
Gleich zu Anfang wird man erschlagen von gewaltigen Gemälden, die Arabische Pferde im Kampf zeigen, im Titel ganzseitig "Kampf zwischen Giaour und Pascha" von Eugène Delacroix, 1835.
Der Christ reitet einen bereits lädierten Schimmel, der von dem Braunen des Rechtgläubigen derbe in die Brust gebissen wird - die Projektion menschlicher Kämpfe auf das Tier haben wir bereits bei Leonardo bewundern können.
Der Pascha ist denn auch gerade im Begriff, dem Ungläubigen, der bereits deutlich vom Tode gezeichnet ist, sein langes Messer in die Brust zu stoßen.
Damit macht das Buch auf und springt mitten ins Thema. Diese Pferde sind der Stolz einer kriegerischen Rasse, die sonst wenig hatte. Heute hat das schwarze Gold zumindest einen Teil der Leute in der Wüste unglaublich reich gemacht.
Zwar braucht man die Pferde dort ebensowenig wie bei uns, aber zur nationalen Identifikation sind sie natürlich gut geeignet, und deshalb werden sie heute auch da wieder gepflegt, mit anderen Worten: man importiert gute Pferde aus aller Welt zurück in die Stammlande.
Die Autoren haben verständlicherweise etwas Probleme, diesen Sachverhalt darzustellen. Zwischen den Zeilen scheint die Wahrheit auf. Ein Beispiel (Seite 156):
| Seit jeher hat Marokko eine enge Verbindung zum arabischen Pferd, und es war durch die maurische Invasion in Spanien im 7. Jahrhundert an der Einführung der Rasse auf der iberischen Halbinsel mitbeteiligt. Die königlichen Ställe in Bouznika, einem Paradebeispiel moderner islamischer Architektur in der arabischen Welt, haben Pferde aus Frankreich und Spanien importiert, in den letzten Jahren jedoch hauptsächlich aus den USA. Die alten Blutlinien sind dennoch erhalten geblieben. | | |
Aha. Alles klar. Gut. Ja, und umgekehrt ist es unausweichlich für den Freund arabischer Pferde im Ausland, sich mit den Wurzeln zu beschäftigen, wozu sich dieses Buch vorzüglich eignet.
Das verwundert nicht, denn das ist mit anderen Pferderassen genauso. Wer Kabardiner sagt, beschäftigt sich mit dem Kaukasus, wer Quarter Horses liebt, schielt nach Amerika und der Cowboy-Kultur, betet die Farben der Pferde auf amerikanisch herunter.
Im Index kann man die acht Farben des arabischen Pferdes nach Geschlechtern lernen, denn nur bei einer Farbe ist die Bezeichnung identisch, bei den anderen werden die Buchstaben etwas geschüttelt: z. B. Schimmel = asfar (m.) / safra (w.), oder Rot = abrash (m.) / barsha (w.) usw.
Einige der arabischen Fachausdrücke kannte ich schon, zum Beispiel Abd, Abu, Ibn, Jebel, Pascha, Scheich, Sultan, aber hojjah = Pedigree war mir neu, denn das kommt bei Karl May, der Quelle meines Wissens, nicht vor. Dort sind die Pferde (und Kamele) auch immer hochedel.
Die Stämme des arabischen Pferdes nehmen eine ganze Seite ein, aber mir ist unklar, ob diese Liste erschöpfend ist oder sich nur auf die "arabischen" Arabischen Pferde bezieht, denn immerhin werden die Pferde schon lange weltweit gezüchtet.
Die "bedeutendsten Pferde züchtenden Stämme Arabiens" werden aufgezählt, für mich eine Liste wilder Namen, die ich mir nicht merken kann und deren Charakterisierung mich verwirrt.
Manche Stämme sind anscheinend so zurückgezogen, dass man gar nichts über sie sagen kann, ansonsten ist "ein alter Stamm" oder "ein großer und mächtiger Stamm" geeignet, uns Westlern Schauer der Ehrfurcht über den Rücken laufen zu lassen. Mit "Stamm" und "Züchter" sind selbstredend Männer gemeint, denn die Frau spielt in der Öffentlichkeit normalerweise keine Rolle.
Darum geht es in dem ganzen Buch: die Ehrfurcht vor dem herrlichen arabischen Pferd zu schüren. Mit Superlativen wird nicht gespart, was die Lektüre auf die Dauer etwas ermüdend macht. Nach einer Weile fragt man sich, ob nicht andere Mütter ebenfalls schöne Töchter haben. Außerdem scheinen sich diese Pferde nur in der Welt der Superreichen zu bewegen.
Oder sollten sich die Superreichen umgekehrt mit diesen Pferden schmücken? Schön sind sie ja, und wer viel Geld hat, will normalerweise seine Knochen nicht im Spitzensport riskieren. Wozu dann also Hochleistungspferde kaufen, die nicht so schick und aufregend sind wie die hochgezüchteten Araber?
Auf Seite 73, im Kapitel "Sie erobern die Welt", wird "Khemosabi, berühmter Repräsentant der modernen Araberzucht in Amerika" vorgestellt, merkwürdigerweise in einem kleinen Schwarzweißfoto, aber selbst ein Laie wie ich erkennt sofort: dies ist ein Araber.
Auf Seite 69 ein Schwarzweißfoto "König Fuad von Ägypten (sitzend, mit Fez) mit Lady Wentworth 1929 auf Gestüt Crabbet Park", das eine Gruppe von beleibten und betagten Menschen zeigt, die einen Reiter begutachten, der auf Statue macht. Hier hätte ich nicht unbedingt auf einen Araber getippt.
Auf Seite 37 schließlich "Mesaoud, einer der Stempelhengste der Rasse, gezogen auf dem berühmten Gestüt von Ali Pascha Sherif in Ägypten. Dieses Photo wurde 1891 auf Gestüt Crabbet Park aufgenommen, nachdem die Blunts ihn 1889 gekauft hatten." In meinen Augen könnte dieser gut als Hannoveraner durchgehen.
Nun sind in die Hannoveraner wie in die meisten Rassen reihenweise Araber eingemixt worden (auch meine Hannoveranerin Aphrodite selig hatte Araberblut, selbst wenn man es ihr nicht unbedingt ansah).
Angeblich sind die Araber die Veredler schlechthin, die man unbedenklich in jede Rasse einrühren kann. Die modernen Biologen wissen es etwas besser, und auch die Haflinger-Züchter sind inzwischen klüger geworden.
Zweifellos haben die Araber neben ihrer Schönheit auch sportliche Tugenden. Auf Seite 83 wird dies damit belegt, dass ein bestimmter Distanzritt in den USA, der seit 1955 ausgetragen wird, seit 1969 jedes Jahr von einem arabischen Pferd gewonnen wurde.
Mag sein. Eine Erfolgsgarantie ist die Rasse nicht, wie man sich denken kann. Selbst die Araber sind Taktiker genug, auf das bessere Pferd zu setzen, um zu gewinnen, selbst wenn die Rassezugehörigkeit unklar ist. Im Spitzensport zählt eben nur die Leistung. Das englische Vollblut hätte man nicht züchten müssen, wenn das arabische Vollblut nicht hätte verbessert werden können.
Die oben angeführte Reihe von Fotos macht deutlich, dass Zucht auch Politik ist. Und in diesem Fall englische Politik, denn um die Jahrhundertwende stand Ägypten unter englischem Einfluss, und englisches Geld hat Einfluss auf die Zucht genommen, genauso wie heute die Millionäre auf der ganzen Welt sich nicht nur schmücken wollen.
Da nun die meisten Rassen dieser Welt ein hoffnungsloses Durcheinander darstellen, erscheint es schon sinnvoll und erstrebenswert, eine der wenigen Rassen zu erhalten, die mehr oder weniger als rein gezogen gelten können. Das aber erklärt nicht die Begeisterung für diese Pferde und deren Prestigewert. Es muss sich also doch um die Schönheit handeln.
Womit ich endlich bei den Fotos angelangt bin, die natürlich absolut spitzenmäßig sind. Dabei fällt mir die Bemerkung einer Fotografin über eine Kollegin ein, deren Ruhm sich auf Fotos von Arabern in einem ägyptischen Gestüt gründet. "Das ist keine Kunst. Man muss die Araber nur vor eine Wand stellen, dann kommt ganz von allein ein aufregendes Foto heraus."
Ganz so einfach scheint es nicht zu sein, denn die Fotografen tricksen durchaus. Sehr gern werden die Pferde freigestellt, und wenn die natürliche Umgebung das nicht hergibt, wird auch schon mal kräftig retuschiert. Von den Amerikanern weiß man, dass sie sich ebenfalls nicht auf die natürliche Schönheit verlassen und ihre Pferde kräftig schminken.
Ob und auf welche Pferde in diesem Buch das zutrifft, kann ich nicht beurteilen. Aufgefallen ist mir aber, dass die Fotos in der Fülle durchaus monoton wirken. Ob sich die Araber in Australien, Schweden, England, Deutschland, Polen, Nord- oder Südamerika oder sonstwo präsentieren, die Haltungen gleichen sich auffallend. Und sie sehen heute alle so ausnehmend arabisch aus.
Einen nicht arabisch aussehenden Araber findet man anscheinend nur in Arabien, dort, wo wirklich noch reine Linien gezogen werden. Auf Seite 120 etwa:
| Die Emire von Bahrain unterhalten seit Hunderten von Jahren ein Arabergestüt, wo sie so seltene Stutestämme wie Jellabieh und Kray bewahrt haben. Die Pferde auf den Gestüten des Kronprinzen und auf Amiri sind einzigartig, denn sie führen nur reines Wüstenblut und kein importiertes Blut. | | |
Schick sieht dieses reingezogene Pferd überhaupt nicht aus, schon eher hässlich. Woran man sieht, dass der heutige Araber eine ganz gezielte Züchtung ist, die vielleicht mit dem Originalaraber nicht so viel zu tun hat wie die Liebhaber gern hätten.
Was der Sache aber keinen Abbruch tut. Zucht ist Zucht, da beißt die Maus keinen Faden ab. Schönheit ist in der Natur meist kein Selektionskriterium. Das ist ein menschlicher Begriff. Ob eine Kröte für eine Kröte schön aussieht, wissen wir nicht. Für die meisten Menschen wird ein Araber unzweifelhaft schöner sein, nicht nur als eine Kröte, sondern auch als die meisten anderen Pferde.
Zum Abschluss eines der vielen Gedichte oder Gedichtfragmente, die das Buch schmücken:
| Die Schimmelstute, die vielgerühmte, es gibt keine vergleichbare auf der Welt, Trocken ist ihr Haupt und hager, ihre Ohren ganz gespitzt, Ihr Schopf ist ein Netz, ihre Stirn ein leuchtendes Licht, Das den Stamm erhellt, ihr Hals gebogen wie ein Palmenzweig, Ihr Widerrist klar und ausgeprägt... Ihre Vorhand wie Zwillingslanzen, Ihre Hufe fliegen schneller vorwärts als der Wirbelwind, Ihre Schweifrübe hoch tragend wischen die Schweifhaare dennoch über den Boden. Aus abu-Zeyds Roman "Der Diebstahl der Stute" | | |
Liebhaber des Arabers müssen dieses Buch selbstredend besitzen. Eine der wunderbaren Produktionen der englischen Buchkultur, die so gerne von den deutschen Verlagen übernommen werden. Passiert das umgekehrt auch?
erschienen 25.05.02
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