Wie der Zufall so will, hat Sylvia mich heute Nachmittag in ein Café eingeladen, versteckt in irgend einem Tal in Lippe. Die Gänse liefen auf der Straße herum, das Café war gemütlich, der Kuchen und der Kakao schmeckten gut. Es lagen auch ein paar Bücher herum, eigentlich sogar ziemlich viele, und ich nutzte die Gelegenheit und durchblätterte zunächst ein Buch über das alte Rom.
Dann schaute ich in ein Buch über die Werbung der Jahre 1950 bis 1965. Ich war sehr erstaunt, auf eine Marlboro-Werbung zu stoßen, die zwei Pärchen beim Doppelkopf zeigte, wie sie sich die Bude vollqualmen. Dieses Beispiel zeigte im Verein mit anderen, wie man damals das Thema Geselligkeit für das Marketing ausnutzte.
Das leuchtet zum Thema Rauchen durchaus ein. Wieso die Marlboro-Leute später auf den Cowboy gestoßen sind und warum sie mit diesem Bild ausgerechnet bei den Rauchern Erfolg hatten und immer noch haben, wurde natürlich nicht erläutert, weil es das damals noch nicht gab.
Bis hierher habe ich nun viele Worte gemacht, aber auf das Bild selbst keinerlei Energien verschwendet, denn alles verstand sich auf den ersten Blick, und auf den zweiten Blick ergab sich immer noch nichts Neues.
Nun wollte ich es genauer wissen und bemühte das Internet, genauer gesagt Google. Als Suchbegriff habe ich den Vornamen und Nachnamen unseres Künstlers verwendet. Wie zu erwarten, wurden auch andere William Welch gefunden: zunächst die Abteilung einer universitären Medizin-Bibliothek, die offenbar die Stiftung oder den Nachlaß eines William Welch besitzt, dann ein Mediziner, der ebenfalls an einer Universität tätig ist, und als drittes dann unseren gesuchten Künstler! Wer hätte das gedacht - so einfach ist das.
Unser Künstler hat mehrere Web-Seiten, offenbar zunächst als Unterseiten angelegt - schließlich hat er sich seinen eigenen Domain geholt: www.williamwelchgallery.com, denn er betreibt in seiner Heimatstadt auch eine Galerie, in der er seine Werke anbietet.
Natürlich zeigt er auch im Internet seine Arbeiten, die sämtlich sehr ähnlich sind, fast ausschließlich Außenansichten von Häusern und Straßen, natürlich immer im Sommer bei Sonnenschein um die Mittagszeit, mit vielen Blumen drumherum, in zarten Pastelltönen, alles leicht angegammelt, mit anderen Worten: der ganz große Kitsch verkauft sich wohl am besten.
Das Bild am Anfang unseres Abschnittes ist natürlich auch von ihm und nicht etwa eine Ansicht des Cafes.
Kein einziges Bild, was sich auch nur entfernt mit unserem Cowboy vergleichen ließe. Es bleibt rätselhaft, wie die Herausgeberin des Buches auf dieses Bild gestoßen ist und aus welchem Anlaß und mit welchem Zweck unser Künstler das Bild gefertigt hat. Vermutlich brauchen wir auch gar keine Antwort auf diese Fragen, denn Welch arbeitet anscheinend nur des Geldes wegen und hat ansonsten nichts zu sagen.
|