Leonard Missbach, Deutschland Das Königspaar fährt aus, Zeichnung, Ausschnitt 29,6x21 cm (A4), Farbstift auf Papier, 18.6.03 Gastgeschenk, Signatur auf der Rückseite: Leonard 18.6. 03
In der letzten Woche habe ich in dieser Serie erstmals eine Kinderzeichnung gebracht: › Die Prinzessin reitet aus, eine Zeichnung meiner Nichte Luisa, zwei Jahre jünger als ihr Bruder Leonard, der in diesem Jahr auf das Gymnasium kam.
Luisa hatte das Blatt vollständig bedeckt, was bekanntlich mit Buntstiften ziemlich viel Arbeit macht. Leonard hat sich auf das Wesentliche konzentriert: das Pferd und die Kutsche schweben im luftleeren Raum.
Immerhin ist das Pferd mit der Kutsche verbunden, aber auf sehr merkwürdige Weise. Der Kutscher sitzt einsam oben auf seinem Bock und hat zur Einwirkung auf das Pferd lediglich eine kurze Peitsche zur Verfügung.
Kommentar · 05.10.2003 Von › Werner Popken
Je länger ich mich mit diesem Bild beschäftige, desto merkwürdiger kommt es mir vor. Die Schwester hatte die zentralen Figuren zielsicher auf dem Blatt positioniert. Bei diesem Bild ist die Kutsche hinten abgeschnitten, das Hinterrad ist genau zur Hälfte abgebildet. Dabei wäre doch genug Platz gewesen, denn vor dem Pferd ist noch reichlich Raum.
Ein paar Hilfslinien klären uns genauer auf: sowohl die ansteigende Diagonale als auch die waagerechte Halbierende teilen das Blatt jeweils in eine im wesentlichen leere und eine bearbeitete Fläche auf. Lediglich der Hut des Kutschers ragt in die obere Bildhälfte und der Pferdekopf in das linke Bilddreieck.
Die Kutsche schließt genau mit der Halbierenden ab, das Pferd befindet sich in der linken Bildhälfte, die Kutsche in der rechten, der Schweif berührt genau die senkrechte Halbierende.
Wir sehen also, daß das Auge durchaus wieder zuverlässig gearbeitet hat. Allerdings sind die Bildelemente nicht zentral und harmonisch auf das Blatt gesetzt worden, sondern so, daß das Auge unbefriedigt bleibt. Man hat den Eindruck, der Künstler habe nicht genug Zeit gehabt, um das Blatt zu vollenden. Vermutlich hätten noch eine ganze Reihe von Einzelheiten hinzugesetzt werden sollen, die die vermißte Harmonie wieder hergestellt hätten.
Nun habe ich nicht nachgefragt; er hat auch keinerlei Hinweise in dieser Richtung gegeben. Ich muß also annehmen, daß das Bild für Leonard fertig war. Ich erinnere mich an frühere Zeichnungen von Ritterburgen, die das ganze Blatt ausgenutzt haben. Daraus schließe ich, daß Leonard durchaus flächenfüllend arbeiten kann.
Wenn ich jetzt mehr Zeichnungen aus dieser Zeit von ihm zur Verfügung hätte, könnte ich vielleicht weitergehende Schlüsse ziehen. So muß ich die Sache erst einmal auf sich beruhen lassen. Die Färbung des Hintergrunds, die der Scanner sehr klar und deutlich gezeichnet hat, ist dessen eigene Erfindung und Zutat. In Wirklichkeit ist das gesamte Blatt blütenweiß.
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