Ilon Wikland, Schweden Lia wird gemolken Ausschnitt der Illustration auf Seite 168 Astrid Lindgren: Ronja Räubertochter, Einband und Illustrationen von Ilon Wikland Hamburg 1982, Verlag Friedrich Oetinger
Das Buch Ronja Räubertochter ist wunderbar, und die Illustrationen tragen sehr dazu bei, die düstere und kalte Atmosphäre im Wald und auf der Räuberburg zu erzeugen. Da ich nun in der letzten Woche mit Michel aus Lönneberga eine der berühmten Figuren von Astrid Lindgren besprochen habe, weil dort Pferde vorkommen, liegt es nahe, auch einmal Ronja näher zu beleuchten, denn dort kommen ebenfalls Pferde vor.
Ich war sehr überrascht, als ich entdeckte, daß Ilon Wikland dieses Buch illustriert hat. Den Namen kannte ich, er war mir vertraut, und dann fand ich auch heraus, warum: Ilon Wikland hat die wunderbaren Bücher über Lotta und Madita, die Kinder aus Bullerbü, Mio, mein Mio und die Brüder Löwenherz illustriert. Die beiden letzten Bücher sind auch "schwere" Bücher, im Gegensatz zu den lustigen und heiteren über Lotta, Madita und die anderen.
Die Schwere kommt unter anderem durch die Technik zustande: einfache Strichzeichnungen, viel Schwarz, harte Striche, sperrig wie verrosteter Draht. Im Gegensatz dazu die freundlichen Farben und Formen, wenn eine liebliche Stimmung erzeugt werden soll. Ich hatte Ilon Wikland einen solchen Stil gar nicht zugetraut.
| | | | Titel "Lotta kann fast alles", Ausschnitt | | | |
| Ilon Wikland, 1930 in Estland geboren, kam als 14-jähriger Flüchtling nach Schweden. Sie studierte an der Kunsthochschule und in Signe Barths Malerschule. 1954 bekam sie den Auftrag, Mio, mein Mio zu illustrieren. Seitdem hat sie die meisten Bücher von Astrid Lindgren illustriert, aber u.a. auch die Bücher von Hans Peterson über Matthias.
Ilon Wikland arbeitet mit unglaublicher Sorgfalt alle Details des Milieus aus. Sie will sichergehen, dass sie die Charaktere der Personen exakt einfängt. Und das gelingt ihr auch immer. Ihre eigenen Kinder waren die Inspiration zu den Bullerbü-Kindern und viele andere stupsnasige Kinder mit runden Wangen.
Bei Karlsson auf dem Dach war das schwieriger. Das Vorbild für ihn fand sie schließlich in den damaligen Hallen ("Les Halles") in Paris: einen kleinen, dicken, pfiffigen alten Mann mit Trollgesicht und borstigen Haaren. Die Räuber in Ronja Räubertochter haben alle vorm Schnapsladen Schlange gestanden!
Ilon Wikland ist eine vielseitige Künstlerin. Ihr Register reicht von der harmonischen Idylle in der Krachmacherstraße bis hin zu den schwindelerregenden schwarzen Abgründen am Karmafall in den Brüdern Löwenherz. Sie hat viele Preise und Auszeichnungen bekommen, 1969 wurde sie mit der Elsa-Beskow-Plakette für ihr Gesamtwerk ausgezeichnet.
Kommentar · 19.01.2003 Von Werner Stürenburg
Ronja Räubertochter ist natürlich verfilmt worden; vermutlich habe ich den Film einmal gesehen, aber ich kann mich kaum daran erinnern. Vielleicht habe ich auch nur die ersten Szenen gesehen, die Ronjas Geburt schildern. Merle sagte mir jedenfalls, daß die Pferde im Film Isländer sind. Das könnte auch auf die Illustrationen zutreffen; die Pferde sind jedenfalls nicht besonders groß, für die Kinder gerade angemessen, die zehn oder elf Jahre alt sind.
Ronja ist nämlich nicht allein; auf diesem Bild melkt sie gerade eine Stute, deren Kopf von Birk gehalten wird. Birk ist blond und glatthaarig, Ronja ist dunkelhaarig und hat lange Haare mit kleinen Locken, einen richtigen Afro-Look, wie er Anfang der achtziger Jahre Mode war. Ich habe mir damals auch so einen Lockenkopf machen lassen.
Die Räuber im Mattiswald haben natürlich keine Dauerwelle, keinen Friseur, kein fließendes Wasser, überhaupt keinen Komfort: sie sind sehr arm dran. Zwar leben sie auf einer Burg, aber diese Burg ist kalt und karg und überdies noch halb zerstört. Die Räuber fristen ein erbärmliches Leben. Der einzige Lichtblick ist Ronja und ihre Mutter Lovis, die einzigen weiblichen Wesen inmitten einer Horde von wilden Burschen, die wie verwahrloste Säufer aussehen und es wahrscheinlich auch sind.
Der zivilisierteste unter ihnen ist Mattis, ihr Anführer, Ehemann von Lovis und Vater von Ronja. Mattis ist in der Blüte seiner Jahre, was man von seinen Mannen nicht unbedingt behaupten kann. Die haben offensichtlich kein Familienleben, sie haben vermutlich auch kein Eigentum, sie leben von der Hand in den Mund und von anderer Leute Arbeit, denn als Räuber machen sie es sich leicht: sie lauern Reisenden und Kaufleuten im Mattiswald auf und nehmen ihnen alles, was sie haben.
Sie sind nicht die einzigen, die sich so aufführen: es gibt Konkurrenz, und diese Konkurrenz sieht zum Verwechseln ähnlich aus. Der Anführer Borka hat eine Frau namens Undis und einen gleichaltrigen Sohn, eben jenen Birk, sowie eine Räubertruppe, die der anderen gleicht wie eine Fußballmannschaft der nächsten.
Die beiden Kinder sind merkwürdigerweise Einzelkinder und wachsen natürlich entsprechend einsam auf. Zwar sind sie auf ihren jeweiligen Burgen Hahn im Korb, aber Kinder wollen doch lieber mit Kindern spielen als mit alten Saufköppen. Und so kommt es denn, wie es kommen muß: auf ihren Streifzügen durch die Wälder begegnen sich die beiden und gewinnen sich lieb.
|