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Editorial zu Ausgabe 476

 
W. Popken im Fenster
Selbstportrait 08/2004
 
 
11.05.2008

Pfingstwetter

Was für ein Wetter zu Pfingsten! Schöner kann es doch nicht sein, oder? Davon profitierte natürlich auch das Turnier in Bad Salzuflen, auf das ich in der letzten Woche hinwies ( Dressur Special: Pfingsten in Salzuflen). Obwohl dessen Slogan "Die Besten kommen" zu Recht gemünzt wurde, hielt sich der Zuschauerandrang doch einigermaßen in Grenzen - keine Vergleich mit  Kasselmann. Die ersten Fotos zeige ich in dieser Ausgabe als Poster, nämlich sechsmal  Nadine Capellmann, Vorjahressiegerin und auch in diesem Jahr Siegerin des "Grand Prix de Dressage", einer 4-Sterne-Prüfung der schweren Klasse.

Die Crème de la Crème war gewissermaßen unter sich; 17 Nennungen von 14 Reitern, Jonny Hilberath, ehemaliger deutscher Meister der Berufsreiter, Klaus Husenbeth, Mannschaftswelt- und Europameister und Hubertus Schmidt, Mannschaftsolympiasieger, stellten je zwei Pferde vor. Schmidt verritt sich und mußte dafür Punktabzug hinnehmen; die leitende Richterin konnte es nicht fassen, er war bereits der dritte, dem dies passierte. Ob das am Wetter lag? Im letzten Jahr war das Wetter zu Pfingsten übrigens saumäßig (» Zum Teil heftige Unwetter).



Halsband

In dieser Woche setzt Rechtsanwalt Richter seine Serie über Telereizgeräte fort. Obwohl man munkelt, daß solche Methoden auch im Reitsport eingesetzt werden, geht es hier um ein Urteil, das sich auf Hunde bezieht. Für Hunde sind direkte Zwangsmaßnahmen zwar auch nicht unbekannt, werden aber nur in seltenen Fällen eingesetzt, etwa Stachelhalsbänder oder Würgehalsbänder; da ich mich nicht auskenne, habe ich mich kurzerhand informiert:

Buchen-Waldhausen  Rüdt von Collenberg · © 2008  
» Buchen-Waldhausen » Rüdt von Collenberg
Dadurch, das (sic!) der Druck der Leine auf die Kehle übertragen werden kann ist ein Hund gut zu kontrollieren bzw. zu steuern. Überdies wird ein Halsband von Hunden üblicherweise als weit weniger störend empfunden als ein Geschirr das den Torso des Tieres umschließt.

Hundehalsbänder sind teilweise auch in mit Stacheln versehenen Ausführungen, bzw. als beschränkte oder unbeschränkte Würgehalsbänder auf dem Markt. Gegen Stachelhalsbänder und unbeschränkte Würger bestehen erhebliche Bedenken aufgrund des Tierschutzes.

» Halsband

Merkwürdigerweise sind Stachelhalsbänder häufig in Wappen vertreten, dort allerdings nach außen gekehrt. Die tierschützerischen Bedenken sind offenbar neueren Datums:



Koralle

Korallenhalsband · © 2008  
» Korallenhalsband
Die Koralle ist ein Halsband, das in der Hundeerziehung benutzt wird. Aus tierschutzrechtlichen Gründen ist die Verwendung verboten, da damit dem Tier nicht unerhebliche Schmerzen zugefügt werden können. Die beiden Abbildungen sind aus: Max von Stephanitz, Die Erziehung und Abrichtung des Hundes, Berlin 1934

Seite 27: "Die einfachste Schulhalsung ist ein breites Lederwürgehalsband mit Stacheln, (Stachelhalsband Abb. 9). Das Korallenhalsband (Abb. 9) besteht aus einer Reihe mit Stacheln besetzte Holzeier; es wirkt schärfer, kann aber auch bei schnellem Zugreifen die Hände des Herrn beschädigen; jedenfalls darf das Korallenhalsband nur der Abrichtung dienen, während das Stachelhalsband einen stürmischen, schlecht leinenführigen Hund zu allen Gängen angelegt werden kann. Die Schulhalsung "Torquatus" (Gliederhalsband was heute noch gebräuchlich ist ...) ein mit Stiften versehener, vernickelter Kettenwürger, hat sich gut bewährt; sie kann während des Tragens umgedreht werden, so dass die Stacheln dann dem Hund gegenüber außer Wirksamkeit treten (...). Selbstverständlich müssen alle Stacheln abgestumpft sein, so dass sie nur durch Druck, nicht durch scharfen Stich ins Fleisch wirken; mit spitzen Stacheln versehene Schulhalsungen sind keine solchen sondern Tierquälerei. (...)"

» Koralle

Eine übliche Taktik ist es, umstrittene Methoden und Geräte mit harmlosen oder unverständlichen Begriffen zu bezeichnen. Wissen Sie, was Starkzwang heißen soll?



Starkzwang

Starkzwang in der Hundeausbildung ist sehr umstritten. In vielen Ländern ist der Einsatz von Stachelhalsband oder Telereizgerät verboten. In den meisten Sporthundeverbänden, und somit auf den Hundeplätzen, ist der Gebrauch auch nicht erlaubt.

» Starkzwang

So weit ist die Sache in Ordnung, man kann das nachvollziehen. Aber wie das so ist, wenn man recherchiert, man stößt auf Unerwartetes. In diesem Fall über » Halsband auf » BDSM, wo Menschen Halsbänder angelegt werden, um auf diese etwas umständliche Weise Lustgewinn zu erzielen, wobei dort zwischen sogenannten O- und D-Ringen unterschieden wird. Nanu, was soll ich mir denn darunter vorstellen?

Das Stichwort » O-Ring führt zum "klassischen BDSM-Roman" Geschichte der O:

Nach dem Abschluss ihrer Ausbildung stimmt sie der Bitte Renés zu, als weiterer Liebesbeweis vorübergehend bei seinem väterlichen Freund Sir Stephen zu wohnen und sich dessen Wünschen bedingungslos zu fügen. Sir Stephen erweist sich als noch dominanter als René, daher verliebt sich O in ihn. Als finalen Beweis ihrer Liebe unterzieht sie sich einer weiteren, noch strengeren Ausbildung in einem ausschließlich von Frauen bewohnten und geleiteten Anwesen namens Samois. Dort willigt sie ein, ein Branding und ein Schamlippenpiercing in Form von Ringen als endgültiges Zeichen ihrer Unterwürfigkeit zu erhalten.

» Geschichte der O

Vor 50 Jahren war dies hochskandalös, heute ist es alltäglich. Jedenfalls bei uns auf dem Lande; Kassiererinnen sowohl beim nächsten Penny als auch bei Marktkauf sind stark gepierct - im Gesicht ntürlich, was unter der Kleidung verborgen ist, kann ich nicht wissen. Gerade erst hat ein neues Tattoo-Studio in der Nähe aufgemacht, als Existenzgründung öffentlich gefördert.

Ach ja, "Emma Peel" darf in diesem kulturgeschichtlichen Zusammenhang nicht fehlen:

Der Name Emma Peel steht für einen besonders starken und emanzipierten Typ Frau, der sich in den späteren 1960er-Jahren in Europa entwickelte. [...] Emma Peel ist eine Agentin, die jedem Mann gewachsen ist und sogar Kampfsport beherrscht. [...]

Die Mode, die Diana Rigg in der Serie trug, [...] setzte modische Trends. Ihre Anzüge sind Legenden der Filmgeschichte. Eine Lederkorsage mit Stachelhalsband in Sado-Maso-Optik in Folge 99 "Die Nacht der Sünder" (A Touch Of Brimstone) führte sogar dazu, dass die entsprechende Folge in vielen Ländern nicht ausgestrahlt werden durfte. Ebenfalls nicht ohne Reiz waren ein Vinylanzug in "H2O � tödliches Nass" (A Surfeit Of H2O), eine Schlangenlederjacke in "Der Club der schwarzen Rose" (The Danger Makers) und ein Goldlamé-Anzug in "Club der Hirne" (The Master Minds). Als eine Art Hommage an die (Leder)Kollektion der Emma Peel wurden in den 1990er-Jahren die hautengen ledernen Catsuits mitsamt der Overknee-Stiefel wiederaufgelegt.

» Mit Schirm, Charme und Melone



Verhaltensstörungen

Zurück zum Hund: Telereizgeräte und schmerzzufügende Halsbänder sind hier und anderswo verboten. Das Gericht argumentiert unter anderem mit zu beobachtenden Verhaltensstörungen der Hunde, an denen man die schädliche Wirkung dieser Mittel ablesen könne. Ich muß dabei immer an entsprechende Mittel beim Pferd denken; ob es Rechtsanwalt Richter als Reiter und Vereinsmitglied auch so geht?

Ich habe noch nie davon gehört, daß irgend jemand irgendwo auf der Welt Gebisse verboten hat, dieser Gedanke scheint noch niemandem gekommen zu sein. Dabei kann die Argumentation, die von den Richtern in Bezug auf Hunde entwickelt worden ist, unmittelbar auf Pferde übertragen werden. Wenn Pferde stark "an die Kandarre genommen" werden und ihren Unmut deutlich durch Kopfschlagen oder ähnliche Verhaltensweisen äußern, kann man schlechterdings nicht so tun, als würde man die Pferde nicht quälen.

Das ist natürlich nur meine private Meinung; auf dem Turnier sprach ich mit einem Richter und brachte die "Rollkur" zur Sprache. Er sah da kein Problem; das Thema sei modisch, viele Leute würden sich äußern, die keine Ahnung hätten. Tja, den Schuh muß ich mir wohl anziehen. Ich gehöre sicher nicht zu den Leuten, die Ahnung haben. Was die Hundeerziehung betrifft, so gibt es Hoffnung:



Jan Nijboer

Nijboer war ursprünglich im sozial-pädagogischen Bereich schwer erziehbare Menschen tätig. [...]

Die von ihm entwickelte Philosophie nimmt für sich in Anspruch, einen ganzheitlichen Ansatz zu finden zur artgerechten Erziehung, unter Berücksichtigung der natürlichen Bedürfnissen des Hundes. [...] Dies impliziert, dass v.a. der Mensch in der Beziehung vieles lernen muss, da der Hund begrenztere sprachliche Möglichkeiten hat und wir als Mensch uns ein Hund zulegen, nicht andersherum. Nicht artgerechte Gewaltanwendung (Schreck eingeschlossen) ist tabu. Darunter fallen Prügel, Tritte, Peitsche, Stachel-, Spray- und Würgehalsbänder, Teletakt, Zwille, Wurfkette, Diskscheiben und vieles mehr.

» Jan Nijboer

Im Pferdebereich gibt es ja viele lobenswerte Ansätze; was die Frage der Gebisse angeht, allerdings sehr wenig. Das Buch  Eisen im Pferdemaul ist nach meiner Kenntnis ohne Resonanz geblieben. Mit welcher Kraft die Dressurreiter den Pferden im Maul hängen, kann man sich kaum vorstellen.

 
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