| | W. Popken im Fenster Selbstportrait 08/2004 | | | | 27.04.2008
Erfolg
Oh der Erfolg! Wie sind sie glücklich, die Erfolgreichen! Was sie anfassen, gelingt, alle Welt jubelt ihnen zu, die Welt liebt sie, sie sind reich, schön und glücklich! Na ja, vielleicht nicht ganz, aber im Prinzip ist das schon richtig. Der Erfolg ist der Beweis, daß der Ansatz richtig war, der Mißerfolg zeigt unwiderlegbar, daß das Scheitern schon vorprogrammiert sein mußte. Um den Erfolgreichen scharen sich die Menschen, weil sie am Erfolg teilhaben wollen, weil sie hoffen, daß der Erfolg auf sie abfärbt, während alle Welt um den Erfolglosen einen großen Bogen macht, aus denselben Gründen, denn man möchte sich ja nicht mit der Erfolglosigkeit infizieren. Der Mißerfolg stinkt, der Erfolg duftet wunderbar. Deshalb darf man auch nie über einen Mißerfolg sprechen, es sei denn, man schminkt ihn in einen Erfolg um. Und wenn der Erfolg nicht ganz vollständig war oder mit Mühe erarbeitet wurde, so verschweige man diese Umstände am besten, als handele es sich um einen üblen Makel. Mehr noch, alle Einzelheiten des Erfolgs, die unbedarften Mitmenschen unverständlich, mißverständlich oder gar anrüchig erscheinen, müssen ebenfalls wegretuschiert werden. Der Erfolg ist absolut, er ist makellos, er schwitzt nicht, er ist nie müde oder durstig, er ist einfach überwirklich. Geschäfte Im Hauptartikel dieser Woche habe ich knapp über die große Veranstaltung "Horses & Dreams" berichtet, die auf dem Hof Kasselmann in der Nähe von Osnabrück stattfand. Kasselmann ist nicht allein. Er arbeitet Schulter an Schulter mit Schockemöhle, Paul Schockemöhle, der sich selbst ebenfalls als Geschäftsmann bezeichnet. Der Sport ist Mittel zum Zweck. Mit den Pferden und dem Sport macht man Geschäfte. Ein Ende der Entwicklung ist noch gar nicht abzusehen. Beide haben viele Ideen und setzen diese konsequent um. Wenn die bei der Bundesliga riesige Summen umsetzen, warum sollte man das nicht auch im Reitsport hinbekommen, werden die sich gesagt haben. Und wenn wir es nicht machen, macht es jemand anders. Also ist es besser, wir machen es. PSI Ullrich Kasselmann war über 18 Jahre lang Auktionsreiter bei Hans-Joachim Köhler in Verden, der immer betont als "anerkannter Hippologe" bezeichnet wird, als müsse man das extra herausstreichen. Das ist zwar schön und gut, aber ein Erfolg ist das nicht. Erfolgreiche Leute sind nicht 18 Jahre lang Auktionsreiter bei wem auch immer. Im November 1981 haben Paul Schockemöhle und Ullrich Kasselmann das Prinzip der Verdener Auktion nach Amerika übertragen, wie im 100-seitigen Begleitbuch zur Veranstaltung "Horse & Dreams 2008" auf Seite 36 berichtet wird, und ihre erste eigene "P.S.I."-Auktion in Newport, Rhode Island, abgehalten. P.S.I. steht für "Performance Sales International". Und gleich die erste Auktion wurde ein voller Erfolg. Sechzig Pferde wurden verkauft. Paul hatte die Idee. Wie das Ganze realisiert werden konnte, wird nicht verraten. Immerhin mußte eigens ein Flugzeug gechartert werden. Und da alle sechzig Pferde ihnen gehörten, mußten die beiden schon ein bißchen Kleingeld in der Tasche gehabt haben. Wie sagt man das in der Industrie? Man nimmt ein bißchen Geld in die Hand. | Selbst die Farbe Blau war ganz bewußt gewählt worden: In England und in den USA ist Blau die Farbe der Sieger. Und Sieger wollten Paul Schockemöhle und Ullrich Kasselmann natürlich sein. a.a.O. | | | Im Februar 1982 haben die beiden in Florida noch einmal rund sechzig Pferde versteigert und wollten im Herbst dasselbe Kunststück in Hollywood wiederholen - aber daraus wurde nichts. Also doch ein Mißerfolg? Sieht so aus. Man kann es nicht schönreden. Der Aufwand war wohl doch zu groß, und nur beim erstenmal wurde gut verdient. Also hat man sich überlegt, daß es viel intelligenter ist, die Kunden herzuholen als die Pferde hinzubringen. Die bezahlen ihren Flug und die Unterkunft ja schließlich selbst! So fand die erste PSI-Auktion im November 1982 in Ankum statt. Das Kalkül ging auf, denn eins der Pferde wurde für 230.000 Mark verkauft. Man muß also glauben, daß die ganze Aktion ein Erfolg war, daß die Kunden tatsächlich aus der ganzen Welt nach Ankum gekommen sind, um Ullrich Kasselmann und Paul Schockemöhle aus der Hand zu fressen. Großartig! Bin ich neidisch? Ich glaube nicht. Ich möchte nicht tauschen. Aber trotzdem lasse ich mir gern solche Erfolgsgeschichten erzählen. Sie sind doch gar zu schön! Und wenn sie nicht wahr sind, so sind sie doch gut gelogen. | | Chefredakteur und Herausgeber | | | |
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