| | Damensitz und Herrensitz für Damen | | | |
| | | | Übungen im korrekten Kostüm | | | |
|
Die barocke Reiterei, von ihren Anhängern Reitkunst genannt, gewinnt immer mehr Freunde und ist aus unserer Reitkultur nicht mehr wegzudenken. Dabei ist nicht zu übersehen, dass sich zwar alle Reiter letztlich auf dieselben Vorbilder berufen, aber im Laufe der späteren Generationen doch verschiedene Schulen unterschiedliche Schlüsse gezogen haben, was teilweise zu Grabenkämpfen führte.
Viele finden die Barockreiterei auch ein bisschen affig, weil die Vorführungen üblicherweise in aufwendigen Kostümen dargeboten werden. Dabei nimmt kaum jemand Anstoß daran, dass auch die Westernreiter und die modernen Sportreiter kostümiert auftreten, von den Vertretern anderer Reitkulturen ganz zu schweigen, etwa den spanischen Hirtenreitern oder den Liebhabern peruanischer Gangpferde.
Bei den Westernreitern ist es sogar so, dass die Kostümierung sich von der Geschichte weitgehend gelöst hat; die Cowboys werden mit Sicherheit nicht so geputzt aufgetreten sein wie die Teilnehmer moderner Westernturniere. Aber schon an dieser Stelle wird deutlich, wie schwierig simple Fragen wie die richtige Bekleidung werden können: Kaum jemand hat überliefert, wie das tägliche Leben eines Cowboys tatsächlich aussah.
So muss man sich fragen, was wir wirklich über die Barockreiterei wissen. Christin Krischke, Direktorin der Fürstlichen Hofreitschule Bückeburg, spricht einen ganz wesentlichen Punkt in der zweiten DVD der Fürstlichen Hofreitschule Bückeburg, die ich in dieser Woche vorgestellt habe (siehe › Schulen und Touren der barocken Reitkunst), an, wenn sie feststellt, dass insbesondere Sachverhalte, die unproblematisch, nicht der Rede wert waren, natürlich auch nicht überliefert worden sind. Für Selbstverständlichkeiten verschwendet man kein Papier.
Um eine Zeit wirklich verstehen zu können, muss man das gesamte Umfeld berücksichtigen. Und wenn man es anderen vermitteln will, sollte so viel wie möglich stimmen. So verlangt Christin Krischke ganz kategorisch, dass Kostüme entweder insgesamt stimmen müssen oder lieber gar nicht kostümiert geritten werden soll - eine Mischung, etwa einen stilgerechten Rock und moderne Reitstiefel, lehnt sie ab.
Aber warum soll man sich überhaupt mit der Geschichte befassen? Wir leben doch heute, was geht uns die Vergangenheit an? Dazu kann man verschiedene Antworten geben.
Wir Menschen leben ja nicht im luftleeren Raum, wir sind keine Insel, unabhängig von anderen Menschen und unserer Geschichte, sondern leben in einer Kultur wie der Fisch im Wasser - Menschen sind ohne Kultur gar nicht denkbar, egal wie rudimentär diese Kultur sein mag. Kultur wiederum ist eine Leistung aller Menschen, die vor uns gelebt haben, die aber ihrerseits die Kultur nicht erfunden, sondern von ihren Vorgängern geerbt haben. Die Anfänge der Kultur liegen vollkommen im Dunkeln.
Das betrifft auch den Umgang mit dem Pferd. Wir wissen nicht, wann und wie die Symbiose zwischen Pferd und Mensch begonnen hat. Im Hauptartikel › Symbiose der Ausgabe 504 habe ich in Abschnitt › Auf den Hund gekommen - Ãœber Dominanz, soziale Gefühle und Evolution über die These geschrieben, dass Hunde und Menschen wechselseitig eine Symbiose eingegangen sind zum gegenseitigen Vorteil, dass wir Menschen von den Hunden gelernt haben und unser Menschsein und unsere Kultur zu einem großen Teil den Hunden verdanken.
Das ist ein überraschender Gedanke, und es liegt nahe zu fragen, wie das denn mit den Pferden aussieht? Wann hat die Symbiose zwischen Pferd und Mensch begonnen und was verdanken wir Menschen den Pferden? Man darf natürlich auch umgekehrt fragen: Was verdanken Hunde und Pferde uns?
Hunde und Pferde sind allerdings in der Lage, vollkommen selbstständig in der Welt zurechtzukommen, wenn man sie in der Wildnis aussetzt. Beim Menschen darf man das bezweifeln. Insbesondere wird der Mensch seine Kultur verlieren, die anders als bei Tieren auf Überlieferung beruht. Wenn einmal etwas verloren gegangen ist, kann es möglicherweise nie wieder rekonstruiert werden.
| |