| | Der Held macht sein Pferd fertig. | | | |
| | | Nachtritt durch die Wüste. | | | |
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Der Film » 700 Meilen westwärts, über den ich mich in der letzten Woche ausgelassen habe, ist typisch insofern, als er sich mit der amerikanischen Geschichte auseinandersetzt. Es ist ein amerikanischer Film.
Was dort geschildert wird, konnte nirgendwo anders passieren. Was dort behandelt wird, kann andere Völker eigentlich nicht interessieren. Es ist eben nicht ihre Geschichte, die in Westernfilmen geschildert und verarbeitet wird, es sind nicht ihre Helden, die dort groß rauskommen.
Insofern darf man sich fragen, warum » Western überall in der ganzen Welt so beliebt sind. Es müssen also mit diesem Western auch Themen angesprochen werden, die nicht unbedingt mit der Geschichte der Nation zu tun haben.
Als erstes fällt natürlich ins Auge, daß das allgemeine Thema des Guten und Bösen auch ein Thema des Western ist. Dieses Thema kommt in jedem Märchen vor, es ist ein allgemeinmenschliches Thema. Wir alle müssen uns mit gut und böse, Recht und Unrecht, Handeln und Nichthandeln, Schuld und Gewissen auseinandersetzen. Das kann man mit jedem beliebigen Thema durchspielen, dazu braucht man nicht unbedingt einen Western. Krimis beispielsweise sind ebenso gut geeignet, aber auch Familiendramen, eigentlich jedes Thema. Was ist das Besondere an Western?
Natürlich die Pferde: Kein Western ohne Pferde. Pferde sind aber im Western eigentlich mehr Mittel zum Zweck, irgendwie eine andere Art Fahrrad. Pferde werden zur sofortigen Wiederverwendung abgestellt, man besteigt sie und reitet unmittelbar im Galopp los, wann immer man sie braucht, sie müssen nicht fressen und nicht saufen, sie brauchen keine Pflege und sie ermüden nie.
Pferde im Film sind in der Regel unverwüstlich, und insofern ist dieser Film etwas Besonderes. In diesen Film sterben einige Pferde, das Leiden der Pferde wird thematisiert, es wird klar, daß die Pferde hier Mittel zum Zweck sind und gnadenlos ausgenutzt werden. Aber trotzdem sind die Pferde nur Staffage, Zutat, so wie der Westernhut oder die Eisenbahn. Im Zentrum des Geschehens stehen die Beziehungen der Hauptdarsteller zueinander und deren Entwicklung.
Naturgemäß sind es die Teilnehmer am Rennen, die zu den Hauptdarstellern gezählt werden müssen, wobei einige eher eine Nebenrolle spielen, andere die Handlung und die Hauptthemen vorantreiben. Der Mexikaner, den ich in der vergangenen Woche schon angesprochen habe und der Vorwand für den amerikanischen Titel » Bite the Bullet (Beiß' die Kugel) ist, gibt dem Haupthelden Sam Clayton, gespielt von » Gene Hackman, mehrfach Gelegenheit, sich als Gutmensch zu profilieren. Ansonsten leidet er an Zahnweh und darf den Rassismus der Weißen herausfordern.
Der englische Gentleman Sir Harry Norfolk, der aus einem Spleen heraus dieses Rennen mitmacht, entwickelt sich ebenfalls nicht wirklich. Er bekommt eine Lektion, das ist auch alles. In einem Wortwechsel verrät er, daß er die Sache sportlich sieht - die Kriegsveteranen Sam Clayton und Luke Matthews, dargestellt von » James Coburn, haben für eine solche Sichtweise überhaupt nichts übrig. Für sie ist dieses Rennen ein Krieg, der gewonnen werden muß.
Die Dramaturgie des Films sieht vor, daß Luke Matthews gerade des Weges kommt, als der Engländer total verdreckt und deprimiert, im wahrsten Sinne gestoppt am Boden sitzt und ungläubig sein Pferd betrachtet, das auf drei Beinen um einen Baumstumpf herumhumpelt. Beim Durchqueren eines etwas größeren Baches hat es seinen Reiter abgeworfen und sich ein Bein gebrochen. So schnell kann es gehen - aber eigentlich ist das nicht besonders überraschend, das sollte man wissen, auch als adliger Engländer.
Der Engländer wird natürlich als verfeinerter Zivilisationsmensch charakterisiert, der sich sorgfältig ausdrückt und fein kleidet und überhaupt weiß, was sich gehört. Natürlich zeichnet er sich nicht durch besondere Pferdeschinderei aus; er lernt an der Episode allerdings, daß dieser sportliche Wettbewerb mit Leben und Tod zu tun hat, wie seine Konkurrenten ihm auf den Kopf zugesagt haben.
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