Ich möchte Sie auf einen Artikel aufmerksam machen, der in einer Fachzeitschrift erschienen ist, die vermutlich nur wenigen zugänglich ist: Vanselow, R. (2010) Grasendophyten in Lolium und Festuca - Gifte, Symptome und Gegenmaßnahmen. Pferdespiegel, 3: 129-133. Sie können diesen Artikel bei Bedarf » auch online für 14 € herunterladen. Das 56 Nummern umfassende » Literaturverzeichnis ist als PDF kostenlos zugänglich.
Einige der dort aufgeführten Quellen sind auch online verfügbar. Ich habe mir willkürlich eine davon ausgesucht und angeschaut:
» Schultz CL, Bush LP. The potential role of ergot alkaloids in mare reproductive loss syndrome. In: Williams N. Session 5: MRLS and associated syndromes: toxicological hypotheses. Lexington: University of Kentucky; 2003; 60–63. (MRLS = Mare Reproductive Loss Syndrome - hiermit wird also beschrieben, dass Trächtigkeiten Probleme bereiten bis hin zum Verlust des Fohlens.)
Für einen Laien wie mich ist so etwas natürlich schwere Kost. Man bekommt aber zumindest ein Gefühl dafür, wie viel Arbeit hinter diesen Untersuchungen und in einem solchen Übersichtsartikel steckt, der ja eine Übersicht über mehrere Dutzend solcher Artikel gibt.
Der Übersichtsartikel selber ist ebenfalls nicht für Laien geschrieben. Mein Bericht soll Sie also nicht etwa dazu verleiten, den Artikel selbst zu lesen, sondern allenfalls Ihrem Tierarzt einen Hinweis zu geben, falls Sie Probleme dieser Art beobachten und dieser mit seinem Latein am Ende ist. Mir ist so etwas passiert; das ist nun schon fast 15 Jahre her, steht mir aber noch immer deutlich vor Augen. Die Geschichte ist schnell erzählt und taugt gut als Illustration, wenn auch die Ursache vermutlich eine ganz andere war.
Morgens war die Welt noch in Ordnung, abends unser bestes Pferd totkrank und unter entsetzlichen Mühen in eine sehr renommierte Pferdeklinik verbracht, am nächsten Morgen wurde die Stute dort getötet. Die Ärzte wussten nicht, was mit ihr los war. Anscheinend war sie vergiftet. Alle anderen Pferde hatten keine Probleme, alle hatten auf derselben Weide gestanden, dasselbe Heu zugefüttert bekommen. Das Heu dieses Tages konnte es nicht gewesen sein, denn davon hatte die Stute schon nicht mehr gefressen, aber das unterschied sich ja ohnehin nicht von dem des Vortages. Kein anderes Pferd erkrankte.
Von diesen Dramen handeln die wissenschaftlichen Arbeiten, auf die sich die Autorin bezieht, natürlich nicht; die scheinen nur kurz als Anlass der Untersuchungen auf. Anfang dieses Jahrtausends hatte es insbesondere in Kentucky sehr viele Verluste bei Fohlen und Stuten gegeben, so dass neue Begriffe geprägt wurden: MRLS beispielsweise. Aber nicht nur aus Amerika wurden solche Fälle berichtet, auch aus Australien. Daraufhin beschäftigte sich die Wissenschaft mit dem Problem. In den Berichten der Wissenschaftler ist auch kaum von den Schwierigkeiten die Rede, die solche Untersuchungen bereiten. Ergebnisse sollen sie bringen, möglichst schnell und einfach. Wissenschaftler sind aber vorsichtig, aus Erfahrung, denn es ist nur allzu leicht, falsche Schlüsse zu ziehen.
In dem von mir untersuchten Originalartikel, der als wissenschaftliche Arbeit glücklicherweise kostenfrei von jedermann einzusehen ist, hüten sich die Autoren des ersten Artikels beispielsweise, aus der auffälligen Parallelität zwischen der Belastung durch Giftstoffe und den gesundheitlichen Problemen der Pferde eine ursächliche Verbindung herzustellen. Eine solche wurde nämlich nicht nachgewiesen. Es wurde lediglich festgestellt, dass die Futterproben auf der einen Weide erheblich von denen der anderen abwichen, was wiederum verglichen wurde mit den Verlusten (8 von 11 beziehungsweise 0 von 11). Der Laie würde nun messerscharf schließen, dass das eine mit dem anderen zu tun hat. Das mag sein, aber eine Korrelation ist noch kein ursächlicher Nachweis, sondern lediglich eine statistische Korrelation.
Deshalb sind auch andere Möglichkeiten in Betracht gezogen worden, die in dem Übersichtsartikel keine Erwähnung finden; so hat man untersucht, oder zumindest zu untersuchen versucht, welche Auswirkungen Raupen auf die Gesundheit und insbesondere das Tragverhalten von Pferden haben. Eine Raupe besteht ja nun ihrerseits wiederum aus sehr vielen verschiedenen Stoffen, und viele Raupen schützen sich durch Giftstoffe vor Fressfeinden. Es könnte also auch sein, dass der Zusammenhang wesentlich komplizierter ist, jedenfalls ist das der Schluss des von mir überflogenen Übersichtsartikels der Universität Kentucky.
Nun stammt dieser schon aus dem Jahre 2003 und ich verstehe überhaupt nichts von der Sache, die Autorin dafür desto mehr, und sie hat nicht nur diesen einen Artikel durchgearbeitet, sondern mindestens alle die, die im Literaturverzeichnis aufgeführt worden sind. Man bekommt nach der Lektüre eines Originalartikels einen kleinen Eindruck vom Aufwand, der getrieben werden muss, bis man einen solchen Artikel schreiben kann. Sofern diese Quellen im Internet verfügbar sind, ist die Recherche ja noch einfach. Die meisten dieser Artikel sind aber in wissenschaftlichen Journalen oder in Tagungsbänden erschienen, die in der Regel so kostspielig sind, dass man noch nicht einmal davon ausgehen kann, dass alle universitären Spezialbibliotheken darüber verfügen.
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