Wenn ich die ganze Geschichte richtig verstehe, handelt es sich genau darum. Zunächst einmal ein Zitat aus der Einleitung:
| Die bedeutsamsten Wirtschaftsgräser weltweit gehören zum Festuca-Lolium-Komplex mit den wichtigsten Gräsern Deutsches Weidelgras, Welsches Weidelgras, Wiesen- und Rohrschwingel. Gräser leben oft in Gemeinschaft mit Endophyten, also (pilzlichen) Mikroorganismen, die unsichtbar im Pflanzenkörper wachsen. Endophyten der Gattung Neotyphodium sind in der Resistenzzüchtung der Gräser des Festuca-Lolium-Komplexes von besonderem Interesse. Ihre Wirkstoffe sind teilweise im Bereich von parts per billion (=ppb; 10-9) giftig.
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Mit anderen Worten: Schon extrem geringe Anteile dieser Gifte können erhebliche Wirkungen zeigen. Die Verbindung Pflanze/Pilz ist nicht ungewöhnlich und normalerweise von außen nicht sichtbar. Daher der Name » Endophyt von griechisch endo = innerhalb, phyto = Pflanze. Eine Gruppe dieser Pilze, » Neotyphodium, gehört zur weiteren Verwandtschaft der Mutterkornpilze, die bis vor gar nicht allzu langer Zeit auch die Menschheit plagte und durch LSD in der Neuzeit berühmt wurde, weil diese Substanz daraus isoliert wurde:
| Mit Mutterkorn verunreinigtes Getreide hat Kriege entschieden. Peter der Große soll bei der Vorbereitung eines Feldzugs gegen die Türken in Südrussland innerhalb weniger Tage allein 80 % seiner Kavalleriepferde durch Ergotismus verloren haben.[34]
a.a.O., Seite 129 (» Literaturverzeichnis) | | |
Das Endophyte Service Laboratory (Corvallis/USA) hat das Deutsche Weidelgras und den Rohrschwingel für den pazifischen Nordwesten der USA auf eine Stufe mit den Jakobs-Kreuzkraut gestellt (siehe auch › Hilfe! Schlechte Leberwerte! Muß es immer Jakobs-Kreuzkraut sein? Ungeklärte Vergiftungen sowie › Gifte in Gräsern auf Pferdeweiden. Wie kommt das Gift ins Gras? Was tun? von derselben Autorin).
Die ganze Angelegenheit ist hochkompliziert, die Autorin unterscheidet alleine fünf verschiedene Giftstoffklassen, die ihrerseits wiederum in viele Unterklassen zerfallen. Entsprechend vielfältig ist die Symptomatik, die von der Autorin in aller Kürze aufgelistet wird. Interessant ist, dass Pferde auf einen Teil dieser Gifte sehr viel empfindlicher reagieren als etwa Rinder oder Schafe. Für die Pflanze ist ein solches Gift unter Umständen sehr nützlich, da es Insekten abschreckt.
| Häufig produzieren diese endophytischen Pilze Alkaloide, welche Pflanze und Pilz vor Fraßfeinden schützen. Daneben kann die Besiedelung mit dem Pilz die Wirtspflanze robuster gegen Umweltfaktoren wie Trockenheit machen, wobei die zu Grunde liegenden Mechanismen dieses Schutzes noch weitgehend unbekannt sind.
Ein bekanntes Beispiel ist der Rohr-Schwingel (Festuca arundinacea), der von dem Schlauchpilz Neotyphodium coenophialum besiedelt wird.[1] Während nicht-infiziertes Gras ein gutes Weidefutter darstellt, zeigt Vieh, das infiziertes Gras frisst eine Reihe von Krankheitssymptomen, die von Lethargie über vermindertes Wachstum und geringere Fruchtbarkeit bis zu Gangrän reichen. Die von N. coenophialum produzierten Alkaloide, wie z.B. Ergovalin, sind sehr eng mit den Mutterkorn-Alkaloiden (z.B. Ergotamin) verwandt, die in Claviceps purpurea, einem an Getreide parasitierenden Pilz, vorkommen.
Mögliche Anwendungen für endophytische Pilze, die erforscht werden, sind die Nutzung zur Erzeugung einer erhöhten Toleranz in Nutzpflanzen gegen Insektenfraß und Trockenheit, möglichst bei erhaltener Eignung der Pflanze als Tierfutter.
» Endophyt | | |
Sofern es für Weidetiere unbedenklich ist, wäre also allen geholfen, außer den Insekten natürlich. Manche Insekten sind allerdings ihrerseits resistent und einige nehmen sogar gezielt die Gifte der Endophyten auf, um sich ihrerseits vor Fressfeinden zu schützen.[2] Ist die Natur nicht unglaublich einfallsreich?
[1] Clay, K, Schardl, C: Evolutionary origins and ecological consequences of endophyte symbiosis with grasses. In: American Naturalist. Vol. 160, Nr. Suppl 4, Februar 2002, S. S99-S127. [2] Dobrindt L, Alkhedir H, Hahn H, Vida S. Do aphids serve as vectors for systemic grass endophytes? Göttingen: Tagung der Deutschen Gesellschaft für allgemeine und angewandte Entomologie, Georg-August-Universität; 16.–19.03.2009
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