Noch überraschender finde ich, dass die Wissenschaftler all diese Mechanismen zweifelsfrei aufgeklärt haben. Diese existieren aber zweifellos schon sehr lange, vermutlich viel länger als es Menschen gibt. Warum ergeben sich neuerdings Probleme? | Pflanzenzucht, Patente, Tierzucht In der Zucht von Rasen- und Futtergräsern spiegeln Resistenzen gegen Dürre, Nährstoffenmangel, Überweidung oder Insektenfraß eine große Rolle [7,28]. Diese gewünschten Resistenzen sind häufig Folge sekundärer Pflanzenstoffe, zu denen auch die giftigen Wirkstoffe der Gräserendophyten gehören. In natürlichen Grasländern findet sich ein unglaubliche genetische Vielfalt nicht nur zwischen den Arten, sondern auch innerhalb einer Grasart und ihren Endophyten. Indem jedes Individuum anders ist und anders reagiert, bleiben derart artenreiche Wildweiden in der Summe des Aufwuchses ungiftig [8,35] - solange keine einseitige Selektion z.B. durch gnadenlose Überweidung bei Dürre einsetzt. Zuchtgrünland Ganz anders sieht es im artenarmen Zuchtgrünland aus. Hier finden sich unter bestimmtem Weidemanagement besonders ertragreiche Zuchtsorten mit sehr einheitlicher Genetik und ebenso einheitlichen Endophyten. Im Gegensatz zu Wildgräsern, die durch ihre Endophyten oft geschwächt oder geschädigt werden, kann die Beziehung zwischen Zuchtgras und (Zucht-)Endophyt meist klar als Symbiose definiert werden [8,35]. In einer Monokultur besteht keine Elastizität mehr in der Reaktion auf äußere Einflüsse: Alle Individuen reagieren in ähnlicher Weise in die gleiche Richtung. Dadurch können erhebliche Giftgehalt dem Aufbruchs entstehen. Die Pflanzenzucht hat versucht hierauf zu reagieren, indem sie weltweit nach wilden Endophyten suchte, die zwar erwünschte Resistenzen, nicht aber Vergiftungen erwarten ließen. Diese sog. "freundlichen" beziehungsweise "neuen" Endophyten [sieben] wurden patentiert, ebenso wie das Infektionsverfahren (z.B. U.S. Patent 6815591 vom 9.11.2004) nicht infizierter Zuchtgräser. Bei dem ausgesäten Zuchtgras, das in Australien die Lolin-Vergiftung (equine fescue oedema, [6]) verursachte, handelte es sich um mediterrane Zucht-Rohrschwingel [sieben], die mit dem Endophyten Max P (Neotyphodium coenophialum AR452, Trademark von Grasslanz Technology-PGG-Wrightson Seeds, U.S: Patent Nr. 6111170 vom 29.8.2000 - der ursprüngliche Wild-Endophyt stammt aus Marokko) infiziert worden waren. a.a.O., Seite 132 (» Literaturverzeichnis) | | | Tja, so entwickelt sich der Fortschritt: Man probiert etwas, es hat Nebenwirkungen, also korrigiert man, und wenn man Glück hat, klappt es eines Tages so, wie man es möchte. So überträgt man Endophyten auf andere Wirtspflanzen, um zu überprüfen, ob man damit Fortschritte erzielen kann. Man könnte natürlich auch am anderen Ende anfangen, und genau das hat man auch getan, nämlich Impfungen für Weidetiere entwickelt, damit diese die Gifte vertragen können. Selbstverständlich wurden auch diese Ergebnisse patentiert, aber, wie die Autorin vermutet, nicht angewendet. Statt dessen versucht man mit herkömmlicher Zuchtselektion Tiere zu erzeugen, die mit dem Giftgehalten der Monokulturen auskommen können. Irgendwie wird man die Sache wohl in den Griff bekommen, irgendwann. Bis dahin muss man damit rechnen, dass weiterhin Tiere erkranken und Tierärzte sich mit dieser Problematik auseinandersetzen müssen. Die Biologie der Pflanzen gehört nun aber nicht gerade zu deren Studienfach. Umso wichtiger ist es, dass eine Biologin, die ihrerseits Bezug insbesondere zu Pferden hat, sich als Vermittlerin engagiert. Nicht nur sind die Mechanismen außerordentlich kompliziert, sie sind auch keineswegs gleichmäßig, sondern im Gegenteil sehr abhängig von den Wachstumszyklen und der Nutzung. Ein Beispiel aus dem Aufsatz in Bezug auf eine der genannten fünf Giftklassen soll dies illustrieren: | Lolitreme "Im basalen Teil der Graspflanze, in den Blattscheiden, finden sich die höchsten Konzentrationen an Lolitrem B (Gallagher et al. 1987; van Heeswijck u. McDonald 1992). Aus diesem Grunde ist "ryegrass staggers" (Anm. d. Autorin: Weidelgrastaumelkrankheit) auch eine typische Erkrankung auf intensiv genutzten L.-perenne- Weiden. Niedrig geschnittene und/oder intensiv beweidete Weiden sind wesentlich toxischer als hochgewachsene (Cheeke 1995)" (Zitat aus [44]). Die höchsten Lolitrem-Gehalte finden sich witterungsbedingt zu Beginn des Herbstes mit einem Maximum häufig im August, der Höchstwert kann aber auch z.B. Im Oktober liegen [44]. Bei geringer Nutzung des Grünlands wird der Lolitrem-Gehalt durch Stickstoffdünger erhöht, bei sehr intensiver Nutzung wirkt Stickstoff Dünger dagegen erniedrigend auf den Lolitrem-Gehalt [44]. Die Vergiftungsgefahr ist in den ersten Regen reichen Tagen nach langer Dürre, wenn zuvor kurz genagte Gräser das Wachstum wieder aufnehmen, offenbar besonders hoch [9]. a.a.O., Seite 132 (» Literaturverzeichnis) | | |
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