Aus 1895
| Die Mode fordert, daß der Schwanz bei allen nicht zu dem russischen oder orientalischen Typus gehörenden Gebrauchspferden ganz kurz verschnitten werde. Der Tierfreund kann diese Methode natürlich nicht unbedingt gutheißen, denn die auf der Kruppe des Pferdes sitzenden Fliegen vertreibt der wedelnde Schweif sicher. Mit der Mode läßt sich aber nicht parlamentieren, und so sei's denn der Vollständigkeit halber erwähnt. [...]
Das in früheren Zeiten sehr beliebte Anglisiren oder Englisiren, eine Operation, welche im Durchschneiden gewisser Schweifmuskeln besteht und den Zweck hat, den Schweif höher tragen zu machen, wodurch das Tier ein edleres, lebhafteres Aussehen bekommt ist jetzt beinahe ganz abgekommen. Es muß dies als ein großes Glück für das Pferdegeschlecht betrachtet werden, denn genannte Operation war ebenso schmerzlich als gefährlich und führte dahin, daß das Pferd seinen Schweif überhaupt nicht mehr herunterbringen konnte, sondern denselben wie eine Wetterfahne über den Rücken tragen mußte. M.A.Lampe, Das Pferd, ein Handbuch in zwei Bänden, 3. Auflage, 1.Bd. der allgemeine Teil, Leipzig 1908, S. 67 und 69-70 | | |
Aus 1908 13 Jahre später beschäftigt sich ein anderer Autor über vier Seiten mit dem Pferde-Schweif (Auszug):
| Die Schweifrübe soll gehörig fest und stark sein, damit sie ein schönes Tragen des Schweifes, der eine Zierde des Pferdes bildet, ermöglicht. Hängt derselbe schlaff herunter, so hat man darin ein Zeichen der Schwäche zu sehen.
Wird der Schweif niedrig getragen, so heißt er Hammelschweif. Manchmal hängt der Schweif auch nach einer Seite und hat dann kein schönes Aussehen... [...]
Der Rattenschweif hat eine dünne, kurz und wenig dicht behaarte Rübe, ist häßlich und soll erblich sein. | | |
An anderer Stelle nennt er diesen Schweif auch "Rattenschwanz".
Um das Pferd dem bestehenden Schönheits-Ideal anzupassen und fehlende Qualität vorzutäuschen, griff man auch zu Beginn des 20.Jahrhunderts immer noch zu folgenden Hilfsmaßnahmen:
| Um ein schönes, gerades Tragen des Schweifes zu erzielen, werden manche Kunstmittel versucht; die bekanntesten sind: das Englisieren oder Kerben und das Pfeffern. Beim Englisieren werden die unteren Schweifmuskeln quer durchschnitten oder zum Teil überhaupt rausgenommen. Die Wundränder werden nach diesem Vorgehen dadurch vor dem abermaligen Zusammenwachsen bewahrt, daß man den Schweif in Rollen aufgehängt tragen läßt. Doch hat diese ganze Operation nur Zweck, wenn der Schweif schon von Natur etwas höher angesetzt ist.
Sehr oft werden hier auch Betrügereien vorgenommen, indem manche Pferdehändler das Kerben, und zwar oft ganz unvollkommen, vornehmen, um schlechten Gang u.s.w. dadurch zu verbergen. Auch das Pfeffern (das Einstecken einiger Pfefferkörner oder etwas Ingwer in den After) hat das Hochtragen des Schweifes zum Zwecke und wird von betrügerischen Händlern angewendet... Graf C.G.Wrangel, a.a.O., 1895, S.82-83 | | |
Das "Kupieren" eine ungemein schmerzhafte Prozedur Bei den meisten Zug- bzw. Arbeitspferden wurde diese schmerzhafte Tortur bis nach dem zweiten Weltkrieg vorgenommen. Fohlen, aber auch ältere Tiere mussten diesen Eingriff von Menschen-Hand über sich ergehen lassen. Das Kupieren wurde in der Regel durch Tierärzte vorgenommen.
Um Kosten zu sparen, erledig(t)en aber auch "kundige" Bauern/Züchter diese blutige Arbeit selbst. Die schmerzhafte Prozedur wurde u.a. mit dem "Leinenwischen" (dem Verheddern der Schweif-Haare in den Leinen, an der Deichsel oder an den Schwengeln) begründet.
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