| | Ostfriesisches Pferdetandem | | | |
| | | | | Freiwillige Feuerwehr Norden | | | |
| Der Leybucht-Kunde mit der weitesten Entfernung muß genau 804 km fahren, von der tschechischen Grenze bis nach Ostfriesland. "Der kauft immer wieder bei uns, wir kennen uns inzwischen sehr gut. Neulich hat er uns einen Trabbi besorgt, ein Feuerwehrauto." Dann zeigte er auf die Fotos an der Wand hinter uns: ein Polizeitrabbi, ein Feuerwehrtrabbi, jeweils drei Welsh-A davor.
"Diese Trabbis sind für uns ganz wichtig. Wir haben damit zwei Shows entwickelt, die unheimlich gut ankommen. Bei der Feuerwehrshow setzen wir in die Mitte des Platzes ein Haus und zünden dort eine Rauchbombe. Dann kommen wir mit dem Feuerwehrauto und Blaulicht und haben eine 20 Liter-Spritze dabei. Das Blaulicht hat uns die Stadt Norden spendiert. Die ganze Sache ist ein Riesengaudi!"
Das kann ich mir vorstellen. "Man muß sich etwas einfallen lassen! Sie kennen doch eine Mistkarre - wir haben eine Schere drangebastelt und bekamen dadurch eine Art Sulky. Durch das eine Rad ist die Sache natürlich ziemlich kippelig. Wenn man das Pferd nicht umschmeißt, fällt man nicht um, aber ein mulmiges Gefühl hat man schon. Die Sache ist ungefährlich und macht einen riesigen Spaß. Oder unser fliegender Teppich! Oder der springende Sulky! Mit solchen Sachen werden Sie viel bekannter als mit Zuchterfolgen."
Aber auch bei der reinen Zucht verschmäht Enno Siemers den Showeffekt nicht. Bei der Fohlenschau hatte ich fotografisch dokumentieren können, wie Enno Siemers mit seiner hergerichteten Peitsche zusätzliche Signale gab, damit die Pferde und Fohlen sich möglichst vorteilhaft präsentierten.
Sein Umbau ist übrigens sehr einfach: eine Plastiktüte bzw. ein Plastikstreifen wurde so an das Ende einer normalen Peitsche montiert, daß man das Kunststoffzeug gut dirigieren kann. Die Irritation der Pferde ist dadurch größer, die Einwirkung kann präziser erfolgen.
In Tannenhausen hatte man nichts dagegen, daß er seinen Sohn bei der Präsentation auf diese Weise unterstützte. Anläßlich einer Show in Vechta, auf der englische Richter das Sagen hatten, wurde er deswegen des Platzes verwiesen. Die Engländer hielten diese Einwirkung für unzulässig.
Mit diesem Skandal machte er Schlagzeilen: "Züchter des Platzes verwiesen!" war am nächsten Tag in der Zeitung zu lesen. Enno Siemers hatte wieder seinen Spaß: er wurde namentlich genannt, die anderen Züchter nicht.
Das ist Marketing: Auf jeden Fall im Gespräch sein - der Anlaß ist zweitrangig. Wenn dann die Leistung auch noch stimmt, desto besser! Aber einfach nur gut sein, das ist zu langweilig. Spaß muß sein! Und auf Spaß versteht sich Enno Siemers.
Einladungen für seine Shows hat er von überall, aber das Problem sind die Kosten. "Wir müssen ja alles transportieren und brauchen viele Leute. Wenn das finanziert werden kann, kommen wir gerne." Ideen für Spektakel hat er genug. Deshalb bin ich sicher, daß Enno Siemers immer seinen Spaß haben wird, auch wenn sein Leben genauso kompliziert und schwierig ist wie das aller Leute.
Die Zukunft ist nicht nur wegen der Landwirtschaftspolitik ungewiß (siehe Diskussion in Käfighaltung). Ostfriesland ist wirtschaftlich gesehen sehr unterentwickelt, es gibt wenig Arbeitsplätze, die Jugend muß daher meistens in andere Bundesländer auswandern.
Seit Jahren ist die Situation in Ostfriesland besorgniserregend. Viele Ostfriesen arbeiten zum Beispiel in Baden-Württemberg bei Daimler, und pendeln am Wochenende aus dem Schwabenland heim ins geliebte Ostfriesland - die Strecke Norddeich-Sindelfingen ist 785 Kilometer lang, ein ziemlicher Ritt.
Allein die Tourismusindustrie blüht und gedeiht in Ostfriesland. Wäre das nicht etwas für den Hof? Warum gibt es keine Ferienwohnungen bei Siemers?
"Wenn Sie heute etwas Neues aufbauen wollen, können Sie es nicht bezahlen. Die Auflagen sind zu hoch, und Zuschüsse gibt es nicht. In welchen Zeiträumen soll sich das amortisieren? Außerdem ist die Lage hier in Leybuchtpolder schlecht für die Touristen. Auf dem Störtebekerdeich dürfen Sie nicht mal laufen, gleich ist die » NABU da. Feriengäste bringen vielleicht Hunde mit, aber die sind auch verboten."
Bezüglich der NABU wollte ich nicht nachfragen; ich konnte mir schon vorstellen, daß die Biologen und Naturschützer keinerlei Verständnis für die Nöte eines Polderbauern aufbringen (siehe dazu den einschlägigen Bericht Spenden für die Pferde aus Ausgabe 274).
"Wenn Sie eine Ferienwohnung einrichten wollen, muß das heute praktisch eine komplett eingerichtete Wohnung nach neuestem Standard sein, nur etwas kleiner als zu Hause. Wie wollen Sie das finanzieren?"
Eine gute Frage. Aber was bleibt der nächsten Generation eigentlich übrig?
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