| | | Innenansicht mit eingefalteter Postkarte | | | |
| | | Wenn Sie, liebe Leser, die Artikel dieser Serie aufmerksam gelesen haben, erkennen Sie unschwer, daß die Ziele des Wildbahnprojektes so nicht formuliert werden können, ganz abgesehen davon, daß die Realität völlig anders aussieht.
Das ist Marketingdeutsch, reiner Honig um das Maul des potentiellen Buchkäufers, der nebenbei auch noch zum Spender für das Projekt gemacht werden soll. Insofern ist der Prospekt auch innen perfekt gestaltet. So geht man mit zukünftigen Geldgebern um.
Neben diesem Text, der zunächst zur Hälfte von der Bestellpostkarte verdeckt ist, die Abbildung einer Blüte mit einer Biene darauf und dem darunter stehenden Text "Kleines Habichtskraut mit Hosenbiene". Darunter als Relief über der nebelhaft verschwindenden Heide das Brandzeichen der Senner, unter dem Text ein Käferpärchen: "Kupferbrauner Sandlaufkäfer".
Mir wird als Leser sofort klar, daß ich von Naturschutz und den wahren Verhältnissen da draußen nichts verstehe - weder habe ich jemals von einem Habichtskraut gehört noch weiß ich, was eine Hosenbiene ist.
Die psychologischen Mechanismen kenne ich. Eine solche Einsicht erzeugt ein Schuldbewußtsein, das wiederum die Spendenbereitschaft erhöht. Wenn ich schon nichts davon verstehe, kann ich wenigstens finanziell dazu beitragen. Merke: Auch hier geht es nicht um das Buch. Die Werbung für das Buch beschränkt sich auf die Postkarte, genauer gesagt: auf den oberen Teil der Postkarte.
Die Senner Pferde kommen interessanterweise auf der aufgeklappten Innenseite gar nicht vor, sondern werden lediglich repräsentiert durch das Brandzeichen, das jeder hier in Ostwestfalen-Lippe sofort mit der lippischen Rose assoziiert, dem Wappen des ehemaligen Freistaats Lippe und Wappen des Regierungsbezirks Lippe im Bundesland Nordrhein-Westfalen.
Auch im Text wird nur sparsam auf die Senner Bezug genommen. Er steigert sich von Satz zu Satz und findet seinen Höhepunkt im letzten, der von emotionsgeladenen Worten nur so strotzt: älteste, deutsche, Pferderasse, Aussterben, bewahren, freies, naturnahes, Leben, ermöglichen.
Nach diesem Text muß man glauben, daß die Landschaft der Senne nur durch die Beweidung durch die Senner Pferde erhalten werden kann. Wer will sich diesen Zielen verschließen? Über allem schwebt das Brandzeichen, ein verkapptes Hoheitszeichen, Symbol der Heimat. Es ist übrigens leicht gegen die Senkrechte verdreht, was für das Auge eine Irritation darstellt und deshalb die Aufmerksamkeit besonders auf sich zieht.
Was aber sind die wahren Verhältnisse, die durch diese geschickten Formulierungen verschleiert werden? Das Wildbahnprojekt, so hatten wir gesehen, kann die Rasse Senner aus vielen Gründen nicht vor dem Aussterben bewahren. Wenn diese Absicht wirklich bestünde, müßten sich die Verantwortlichen zum Beispiel ernsthaft mit Pferden beschäftigen und sachkundig machen und ihre Verantwortung wahrnehmen. Das ist aber in all den Jahren nachweislich nicht geschehen.
Es ist aber auch gar nicht nötig, die Rasse der Senner vor dem Aussterben zu bewahren, denn den Sennern geht es längst wieder gut. Das ist fast ausschließlich dem zielstrebigen Einsatz von Karl-Ludwig Lackner und seiner Frau Dorothee zu verdanken, die es in langjähriger und mühseliger Kleinarbeit geschafft haben, daß die Senner wieder als Rasse anerkannt und stutbuchmäßig geführt werden.
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