Tina und ich waren während der Ferien an den meisten Abenden für das Programm zuständig. Tina hatte auf dem Dachboden ihrer Eltern eine äusserst praktische Spiele-Karteikarten-Sammlung gefunden, die wir zuvor nach Brauchbarem durchsucht hatten.
Einige Spiele kannten wir auch noch aus unserem Studium (wir hatten zum Beispiel ein Seminar zum Thema "Spiele als freizeitpädagogische Grundkategorie" besucht) oder unserer eigenen Kindheit (die ja noch nicht allzu lange zurückliegt). Als Höhepunkt des Abendprogramm inszenierten wir mit den Mädchen unseren eigenen Wetten-Dass-Abend (mit von den Kindern selbst erfundenen Wetten und Einsätzen, die sich auf praktische Arbeiten auf dem Hof bezogen).
Einmal in der Woche wurde auch ein Lagerfeuer entzündet. Zum Hof gehören mehrere Seen. Am Ufer des einen steht ein großes Wigwam, ein Marterpfahl und ein Bootssteg. Dieser Platz eignet sich hervorragend zum Stockbrot backen, plaudern und singen (wenn einem denn danach ist).
Eine Gruppe von Mädchen kam schon seit etlichen Jahren immer in den Ferien, teilweise sogar für zwei Wochen am Stück. Zwei von ihnen waren mittlerweile um die 18 Jahre alt. Die Besitzer des Sonnenhofs warnten uns anfangs vor ihren prüfenden Blicken. Die meisten der Spiele, die bis jetzt im Abendprogramm gespielt worden waren, kannten sie schon in- und auswendig und ließen sich nicht mehr so leicht animieren.
Wir verstanden uns jedoch sehr gut mit ihnen. Die meiste Zeit wollten sie ihre Ruhe haben (sie kannten sich auf dem Hof ja auch wesentlich besser aus als wir). Abends ließen sie sich jedoch leicht von unserer Begeisterung anstecken und spielten mit.
In der ersten Ferienwoche betreuten Tina und ich gemeinsam die Anfängergruppe der Reiter, in der zweiten hatte jeder seine eigene. Wir brachten allen die Grundbegiffe des Reitens bei und achteten darauf, auch genügend spielerische Sequenzen mit einzubauen. Denn das Reiten soll ja vor allem eines: Spaß machen.
Bei allen Mädchen konnte ich während der Zeit auf dem Hof eine deutliche Veränderung in ihrem Verhalten beobachten. Sie wurden offener, mutiger, zufriedener und ausgeglichener. Die Arbeit auf dem Hof, der Umgang mit den Isländern und die Atmosphäre des Gestüts taten offensichtlich nicht nur mir, sondern jedem Einzelnen unwahrscheinlich gut.
Unsere Aufgaben begannen morgens mit dem Stalldienst, der von Kindern und Betreuern gemeinsam verrichtet wird. Die Pferde wurden gefüttert, der Stall wurde eingestreut und die Stallgasse gefegt.
Den Kindern, die noch keine Dauergäste des Sonnenhofs waren, mussten die Pflichten erklärt werden, zu denen das Einstreuen der Ställe mit Stroh, das Verteilen von Silage, das Füttern mit Pellets und das Fegen der Stallgasse gehören. Zum Urlaub auf dem Reiterhof gehört eben auch eine gute Portion Stallarbeit. Mit der richtigen Einstellung macht die Arbeit jedoch ausschließlich Spaß.
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