Angebot für Kalenderwoche 06-30
| Vertrauen � kostbares Gut, das leicht zerbricht Teil 28 | | |
Der nächste Punkt auf meiner eingangs aufgestellten Liste ist die einmalige extrem starke oder ständige Überforderung, welche selbstverständlich auch dazu führt, dass das Pferd das Vertrauen in seinen Besitzer bzw. Reiter verliert. Mitunter kann dies zu verheerenden Folgen führen, wie Sie aus dem nachfolgenden Ausschnitt meines Pferderomanes �Arabische Träume� ersehen können.
| �"Es muss also wohl oder übel eine andere Ursache für diesen verhängnisvollen Unfall geben � und ich denke, ich weiß auch schon welche!"
Richard hatte den letzten Satz mit sehr viel Nachdruck gesprochen, und Belinda sah, wie der andere Mann plötzlich ganz blass wurde.
"Wovon sprichst du eigentlich?", erkundigte sie sich neugierig.
"Davon, dass dieses Tier gequält und im wahrsten Sinne des Wortes zu Höchstleistungen angespornt wurde, die es aufgrund seines Trainings- und Gesundheitszustandes auf keinen Fall leisten konnte!", erhielt sie sogleich die schockierende Antwort.
"Was wollen Sie damit sagen? Ich bin der Trainer dieses Pferdes. Wollen Sie mir etwa unterstellen, dass ich die Stute misshandelt und überfordert habe?"
Linda schauderte entsetzt bei dem Gedanken daran, dass dieser gefühllose, grobschlächtige Mensch der Trainer von so edlen und sensiblen Vollblütern sein sollte.
"Ob Sie es waren oder die Besitzerin selbst, oder ob Sie beide einfach hervorragend zusammengearbeitet haben, weiß ich natürlich nicht", erwiderte der junge Tierarzt mit beißendem Zynismus, "aber alles andere lässt sich mit handfesten Beweisen jederzeit belegen. Die Beine der Stute sind heiß und geschwollen, und sie hat blutende Wunden im unteren Brust- und Bauchbereich, die eindeutig von zu heftigen Sporenstichen stammen. Es ist wirklich eine Schande, dass man solche Dinge in einem Gestüt mit Rang und Namen finden kann!"
"Ich jedenfalls habe die Stute nicht blutig sporniert!", verteidigte sich der unsympathische Typ sofort heftigst. "Ich habe ganz im Gegenteil der Besitzerin empfohlen, Nirwana in den nächsten Tagen ein wenig zu schonen, da ich natürlich sehr wohl bemerkt habe, dass sie sich beim letzten Training etwas überanstrengt hatte. Doch die junge Dame hat sich nicht daran gehalten."
"Wann haben Sie denn zum letzten Mal mit ihr gearbeitet?", wollte nun Linda wissen.
"Das war am Donnerstag. Ich habe Nirwana nach dem Reiten die Beine abgespritzt und dem Fräulein Rösler, die beim Training anwesend war, geraten, ihr bis Montag eine Ruhepause zu gönnen. Sie hat sich auch zuerst einverstanden erklärt, aber als ich Freitagnachmittag nach der Stute sehen wollte, war sie nicht in ihrem Stall. Einige Zeit später kam sie schweißgebadet mit der jungen Dame von einem Ausritt zurück.
Ich habe diese daraufhin höflich zur Rede gestellt, doch sie hat mich nur wie einen dummen Schuljungen heruntergeputzt. Sie erklärte mir, dass nur sie selbst bestimme, wann und wie lange sie ihr Pferd reite, und dass ein Araber dies schon aushalten müsste, denn schließlich hätte ihr Verlobter ja nicht umsonst so viel Geld dafür bezahlt.
Glauben Sie mir, es war nicht leicht mit dem Fräulein Rösler auszukommen, denn sie wusste prinzipiell immer alles besser, obwohl sie eigentlich nicht die geringste Ahnung von Pferden hatte."
"Und das sollen wir Ihnen so einfach glauben? Da die Besitzerin im Spital liegt, können Sie mir natürlich problemlos jedes Märchen hier auftischen!", meinte Richard aufgebracht.
"Aber es ist die Wahrheit! Ich würde mir doch nie erlauben, einem Pferd dieses Gestüts irgendeinen Schaden zuzufügen. Mein Chef würde mich doch sofort feuern!", beteuerte der Beschuldigte verzweifelt.
Linda hatte nun beinahe Mitleid mit dem Mann, der sich sichtlich in seiner Existenz bedroht sah. Die Vorstellung, dass sich ihre ehemalige Schulfreundin in ein egoistisches und herzloses Monster verwandelt haben sollte, erschien ihr zwar grauenhaft, aber aufgrund der Beobachtungen, die sie selbst in letzter Zeit gemacht hatte, durchaus im Bereich des Möglichen liegend.
"Lass es gut sein, Richard!", bremste sie deshalb ihren Arbeitgeber und guten Freund ein. "Ich denke, die Geschichte dieses Mannes stimmt. Ich weiß zwar nicht wieso, aber Lisi hat sich � wie ich dir ja bereits erzählt habe � seit ein paar Monaten tatsächlich sehr verändert � leider zum Negativen. Außerdem hat Nirwana sicher nicht grundlos ein solches Hassgefühl gegen sie entwickelt. Ich verstehe nur nicht, wie es Lisi überhaupt geschafft hat, ihre Stute nochmals zu reiten. Als ich mit ihr am Samstag hier war, ließ sich diese von ihr ja noch nicht einmal aufhalftern."
"Naja, das ist leicht erklärt. Ich habe Nirwana heute gesattelt und war dem Fräulein Rösler auch beim Aufsteigen behilflich. Sie wollte ursprünglich, dass ich die Stute reite und ihr wieder Manieren beibringe, aber als ich die immer noch stark geschwollenen Beine gesehen habe, habe ich mich geweigert. Ich sagte, dass man das Pferd schonen sollte, da es sich sonst bei der Arbeit einen bleibenden Sehnenschaden zuziehen könnte.
Die junge Dame hat mich aber bloß ausgelacht und gemeint, dass dies nur eine Ausrede sei, weil ich das bockige Tier nicht reiten wolle. Dann erklärte sie, dass sie sich vor der kleinen Bestie nicht fürchten, sondern diese eben alleine zähmen würde. Sie forderte mich auf, ihr wenigstens beim Satteln und Aufsteigen behilflich zu sein, was ich letztendlich auch getan habe. Dafür kann man mich aber nun wirklich nicht zur Verantwortung ziehen, denn schließlich ist es allein ihre Sache, was sie mit ihrem Pferd macht, und es ist meine Pflicht, ihr zu helfen, wenn sie es wünscht."
"Ihre Pflicht als braver Angestellter vielleicht, ihre Pflicht als Pferdefreund wäre wohl etwas anderes gewesen, aber das werden wir später klären. Nun gehe ich das arme Tier erlösen, denn es hat wahrhaftig genug gelitten in seinem kurzen Leben!"
Ohne einen weiteren Widerspruch abzuwarten, drehte sich der wütende Veterinärmediziner abrupt um und ging zu seiner Arzttasche.
Wie in Trance beobachtete Linda, wie er die todbringende Flüssigkeit in eine große Spritze aufzog und damit auf Nirwana zusteuerte. Immer noch erschien es ihr unvorstellbar, dass das Leben dieses edlen, ehemals wunderschönen Tieres in wenigen Augenblicken beendet sein würde.
Schließlich ein letztes kurzes Aufbäumen � dann war alles vorbei. Und Nirwana, deren Name die buddhistische Bezeichnung für das Jenseits war, fand ihre ewige Ruhe�. | | |
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