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| Vertrauen � kostbares Gut, das leicht zerbricht Teil 6 | | |
Nachdem ich mich seit meiner Kindheit schon in vielen verschiedenen Reitställen umgesehen habe, kann ich sagen, dass es mich eigentlich nicht verwundert, wenn es in den meisten Reiter-Pferd-Beziehungen kriselt. Vielmehr ist es meiner Ansicht nach erstaunlich, was Pferde so alles erdulden � dies betrifft Freizeitpferde leider genauso wie Turniercracks � ohne allzu sehr aufzubegehren, denn schon mein erster prüfender Blick auf ein Pferd, der immer dessen Rücken gilt, zeigt mir deutlich, ob und wieviele Qualen ein Tier allein durch das Tragen eines schlecht sitzenden Sattels bzw. Reiters erlitten hat.
Einzige Ausnahme sind reinweiße Schimmel, bei denen man ein etwas geübteres Auge benötigt, doch bei allen anderen Pferden ist das Vorhandensein von weißen Haarstellen oder auch mehr oder weniger zahlreich eingestreuten weißen Haaren auf dem andersfarbigen Fell ein unübersehbares Zeichen für abgeheilten, akuten oder auch latent vorhandenen, chronischen Satteldruck. Stellenweiser Haarbruch bzw. �spliss oder auch vereinzelte kahle Bereiche auf der Wirbelsäule, zwischen den Schulterblättern und/oder in der vorderen Nierengegend deuten ebenfalls auf ein Sattelproblem hin.
Auch wenn das Pferd keine für den Reiter deutlich ersichtlichen Anzeichen eines Satteldruckes zeigt, sollte der Ursache dieser Haarveränderungen unbedingt nachgegangen werden, um bedeutend schlimmere Spätfolgen noch rechtzeitig vermeiden zu können. Denn nicht nur der akute Satteldruck, der auch für Laien an den wundgescheuerten Hautstellen erkennbar ist, sollte unbedingt vermieden werden. Viel nachhaltigere Auswirkungen hat bisweilen ein chronischer Satteldruck, der unter anderem zu starken Muskelverspannungen, Problemen mit der Wirbelsäule bis hin zu Neuralgien und Lähmungen führen kann.
Dass solche Beschwerden dann nicht besonders vertrauensfördernd sind, ist wohl verständlich, weshalb eben auch bereits auf kleinste Anzeichen eines beginnenden oder bestehenden Satteldruckes geachtet werden sollte. Weiße Haare zeigen, dass eine solche Problematik schon längere Zeit besteht, doch als verantwortungsvoller Reiter sollte man seinem Pferd eigentlich tagtäglich soviel Aufmerksamkeit zuteilwerden lassen, dass solche Probleme gar nicht erst entstehen oder schon im Keim erstickt werden können.
Eine besonders wichtige Maßnahme in diesem Zusammenhang ist die genaue Begutachtung des Pferderückens nach dem Reiten. Einfach absatteln und das Pferd mit oder ohne Decke in den Stall oder auf die Koppel bringen, ist keine ausreichende Nachbetreuung nach dem Training oder einem Ausritt. Auch wenn es dabei keinerlei Schwierigkeiten gab, sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass nach dem Absatteln mit der Hand prüfend über die Sattellage gestrichen und dabei auch etwas Druck ausgeübt wird.
Dabei sollte auf die Temperatur des Rückens, auf die Schweißbildung und besonders auf die Druckempfindlichkeit geachtet werden. Bedenklich ist es, wenn der Rücken stellenweise extrem warme (heiße) oder auch kalte Bereiche im Vergleich zur übrigen Rückenfläche aufweist oder die Schweißbildung an einigen Stellen besonders ausgeprägt ist. Dies sind Problemzonen, die unbedingt in den nächsten Tagen näher begutachtet werden sollten, vor allem dann, wenn sich dort auch noch eine vermehrte Druckempfindlichkeit zeigt.
Diese lässt sich an verschiedenen Symptomen erkennen. Bisweilen gibt der Rücken bereits auf leichten Fingerdruck nach unten nach oder das Pferd weicht zur Seite aus, manche Tiere teilen uns ihren Schmerz aber auch durch ein mehr oder weniger lautes Stöhnen mit oder sie versuchen, die untersuchende Person zu beißen oder zu schlagen. Dass das Pferd für solche �Mitteilungen� natürlich nicht bestraft werden darf, sollte jedem einigermaßen einfühlsamen Menschen eigentlich klar sein, doch ich möchte es gerade hier nochmals erwähnen, weil eben solche Missverständnisse sehr häufig und sehr rasch zu einem gewaltigen Vertrauensverlust zwischen Pferd und Mensch führen.
Meist ist es nämlich auch ein chronischer Satteldruck mit begleitenden Muskelschmerzen, der das Pferd dazu veranlasst, beim nächsten Putzen und/oder Satteln nach dem schmerzzufügenden Menschen zu beißen oder zu treten, was von diesem aber oft nur als grobe Widersetzlichkeit oder freches Verhalten gedeutet und dementsprechend mehr oder weniger resolut bestraft wird. Das missverstandene Pferd, welches mit seiner Geste ja nur auf seine Schmerzen aufmerksam machen wollte, fühlt sich verständlicherweise ungerecht behandelt und reagiert darauf je nach Charakter mit noch aggressiverem oder auch depressivem Verhalten, wodurch ein richtiger Teufelskreis beginnt, der schließlich nur noch schwer zu durchbrechen ist.
Deshalb würde ich jedem Reiter empfehlen, mehr auf sein Pferd zu hören und schon den allerersten Anzeichen nachzugehen. Neben dem wirklich gründlichen Putzen vor dem Reiten sollte eine genaue Kontrolle von Sattel und auch Satteldecke in gewissen Zeitabständen zur reiterlichen Routine gehören, denn wer ein Pferd nutzt, sollte auch an dessen Wohlbefinden interessiert sein.
Wobei ich in diesem Zusammenhang noch erwähnen möchte, dass auch ein verschwitztes bzw. von eingetrocknetem Schweiß völlig verklebtes Sattelpad dem Pferderücken arge Probleme bereiten kann. Vor allem die sensible Haut von Vollblütern reagiert darauf mitunter mit Pustelbildung oder der Entstehung von Wundstellen in Bereichen, wo es zu vermehrter Reibung bzw. Beanspruchung kommt. Unangenehm ist es jedenfalls für alle Pferde, außerdem leidet darunter auch die Hautatmung, Hautjucken ist noch die harmloseste Folge davon, weshalb auf eine gewisse Hygiene auch in diesem Bereich unbedingt Wert gelegt werden sollte.
Natürlich kann auch einseitige bzw. generell falsche Sitzbelastung durch den Reiter einen Satteldruck hervorrufen oder zumindest begünstigen, aber darüber werden wir zu einem späteren Zeitpunkt noch ausführlicher sprechen. Nächste Woche wollen wir uns dann nochmals mit Zaumzeugen und deren richtiger Verwendung näher befassen.
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