| ...Lindas Herz pochte laut, als sie kurz darauf die Unterkunft von Firebird erreichte, doch ihre Erwartungen wurden leider nicht erfüllt. Das schöne Tier stand � genüsslich Heu kauend � in seiner Box, jedoch von Alexander fehlte jede Spur.
Enttäuscht wollte sich das Mädchen wieder abwenden, als der Hengst auf einmal den Kopf hob und sie schnaubend willkommen hieß.
"Hallo, Firebird! Wie geht es dir?", erwiderte Belinda den Gruß und betrachtete versonnen den prachtvollen Rotfuchs.
Vorsichtig trat sie näher heran und streichelte sanft seine schneeweiße, breite Blesse, was ihr einen forschen Nasenstüber des kraftstrotzenden Pferdes einbrachte.
"Nicht so stürmisch, mein Lieber! Ich habe leider keine Karotten mehr eingesteckt, aber das nächste Mal nehme ich dir etwas mit, denn anscheinend vernachlässigt dich dein Herrchen genauso wie mich!"
"Könntest du den letzten Satz, bitte, noch einmal wiederholen?", ertönte da plötzlich eine melodische Stimme aus dem Hintergrund.
Linda erstarrte fast zur Salzsäule und brachte keinen Laut über ihre Lippen. Nur ihr Herz begann wie verrückt zu rasen, als sich eine dunkle Gestalt aus der hintersten Ecke des Stalles erhob und � sich bedächtig einige Strohhalme aus der Kleidung klopfend � langsam nähertrat. Mit dem üblichen unverschämten Grinsen auf dem markanten Gesicht pflanzte sich Alexander Schatz nun in voller Größe vor Linda auf.
"Könntest du den letzten Satz, bitte, noch einmal wiederholen?"
Der beinahe flüsternde, aber doch eindringliche Unterton in seiner Stimme ließ das Mädchen ungewollt erschauern.
Am liebsten wäre Linda einfach davongerannt, doch ihre Beine gehorchten ihr nicht mehr. Nicht einmal ihren Blick konnte sie abwenden, denn seine hypnotischen Augen hielten die ihren unwiderstehlich fest. Auch als Alex ihr eine zerzauste Haarlocke sachte aus dem Gesicht strich, zeigte sie keinerlei Abwehr, denn sie erlebte diese beinahe intime Berührung fast wie in Trance.
Erst als er sich über sie beugte und sie sanft küsste, erwachte Linda aus ihrem traumähnlichen Zustand und wollte reflexartig die Flucht ergreifen. Doch der junge Mann erkannte sofort die veränderte Situation und hielt das scheue Mädchen blitzschnell an den Schultern fest.
"Hey! Du willst doch jetzt wohl nicht weglaufen? Gerade erst hast du dich bei meinem Pferd beschwert, dass ich mich zu wenig um dich kümmere, und kaum entspreche ich deinen Wünschen, passt dir das auch wieder nicht!"
"Aber das hast du missverstanden!", verteidigte sich Linda nun entrüstet. "Ich wollte doch nur etwas mehr .... Beachtung � rein freundschaftlich natürlich!"
Stotternd brachte das überrumpelte und noch etwas verwirrte Mädchen eine halbwegs harmlose Erklärung zustande, was Alex aber anscheinend nur amüsierte, denn er brach unvermittelt in schallendes Gelächter aus. Dies allerdings beeinträchtigte seine Aufmerksamkeit, was Belinda sogleich nutzte, um sich beherzt aus seinem Griff zu lösen und davonzulaufen.
Leise fluchend wandte sich der junge Mann wieder seinem Pferd zu.
"Jetzt haben wir sie wohl endgültig vertrieben, mein Junge. Aber wenn wir unseren Charme spielen lassen, holen wir sie sicher wieder zurück. Sie ist doch wirklich süß, findest du nicht auch?"
An der Frage seines Herrn nicht sonderlich interessiert, aber dafür umso mehr von Fliegen geplagt, schüttelte der Hengst heftig den Kopf, was von seinem Besitzer völlig falsch interpretiert wurde.
"Ach, du hast ja noch keine Ahnung von Frauen, mein Lieber! Aber ich sage dir, diese Linda ist etwas ganz Besonderes, und darum will ich sie auch ganz für mich allein."
Während Alexander nun krampfhaft überlegte, womit er seine Angebetete versöhnen könnte, suchte diese verzweifelt nach einem geeigneten Versteck vor ihm. Am liebsten wäre sie sofort nach Hause gefahren und hätte sich vor lauter Scham unter ihrer Bettdecke verkrochen, aber sie hatte Bettina versprochen, heute ausnahmsweise die Abendfütterung der Pferde zu übernehmen, da diese ihren Pferdepfleger, der sich unglücklicherweise mit der Mistgabel verletzt hatte, ins Spital bringen musste.
Linda hatte sofort zugesagt, in diesem Notfall auch an ihrem freien Tag auszuhelfen. Jetzt allerdings bereute sie ihren spontanen Entschluss doch ein wenig, denn nun musste sie bis zur Fütterung noch eine volle Stunde warten, was ihr auf ihrer Flucht vor Alexander schier unendlich vorkam. Sie hatte Angst, er könnte sie erneut zur Rede stellen oder � noch schlimmer � nochmals zu küssen versuchen.
Wenn sie es sich genauer überlegte, kam ihr ihr eigenes Verhalten doch recht dumm und kindisch vor, denn ein Kuss war eigentlich nichts Schlimmes, aber irgendwie hatte sich Linda ihren ersten Kuss sehr viel romantischer vorgestellt. Außerdem fand sie es zutiefst beschämend, dass sich Alex derart über sie lustig gemacht hatte. Enttäuschung und Zorn trieben ihr Tränen in die Augen, wenn sie an den peinlichen Vorfall zurückdachte.
Nie wieder wollte sie etwas mit diesem gemeinen Kerl zu tun haben, der sie wahrscheinlich nur als unterhaltsame Episode in seinem Leben betrachtete. Rasch verscheuchte das sensible Mädchen diesen unerträglichen Gedanken wieder und versuchte stattdessen, eine Lösung für das jetzige, dringliche Problem zu finden.
Plötzlich kam Belinda auch schon der rettende Einfall. Sie würde einfach eine Fleißaufgabe machen und die Sättel und Zaumzeuge der Schulpferde einer Generalreinigung unterziehen. Damit würde sie nicht nur ihrer Reitlehrerin eine große Freude bereiten, sondern gleichzeitig auch eine Begegnung mit Alexander vermeiden. Da er seine Sachen in der Sattelkammer für Privatpferde untergebracht hatte, war auch nicht zu erwarten, dass er ihr bei dieser Tätigkeit rein zufällig über den Weg laufen würde.... | | |
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