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Chef oder Freund �
das leidige Dominanzproblem in Mensch-Pferd-Beziehungen
Teil 4





Der dieswöchige Beitrag dieser Artikelreihe soll sich ganz mit dem Thema �Chef-Sein�, und zwar in seiner dominantesten Form, beschäftigen. Ich verstehe darunter, dass nur der Reiter, Pferdebesitzer bzw. Trainer das Sagen hat, wodurch dem Pferd jegliche Handlungsfreiheit genommen wird und es sich bedingungslos unterzuordnen hat. Absoluter Gehorsam wird dabei zur Selbstverständlichkeit.

Viele von Ihnen werden nun vielleicht denken, dass wir damit wieder beim brutalen Brechen des Pferdewillens angelangt wären, doch dies muss nicht der Fall sein. Erziehung zu völligem Gehorsam kann auf verschiedenste Arten erfolgen und muss auch keineswegs schädlich für das Pferd sein, wenn sie nach idealen Bedingungen abläuft und sowohl Mensch als auch Pferd für diese Arbeitsweise geeignet sind.



Im Turniersport ist es ja eigentlich gang und gäbe, dass der Reiter bzw. Trainer bestimmt, was und wie etwas getan wird, denn jegliche freie Selbstbestimmung des Pferdes könnte in diesem Bereich äußerst fatale Folgen haben und Siege würden solche Paare wohl nur in den seltensten Fällen einheimsen. Je nach Talent und Charakter des Pferdes aber auch des Reiters bekommt der Zuseher solcher Veranstaltungen meist mehr oder weniger schöne und bisweilen sogar perfekt anmutende Bilder präsentiert, wie allerdings diese Leistungen antrainiert wurden und ob diese Reiter-Pferd-Paare auch außerhalb des Turnierplatzes ein gutes Team sind, ist sogar für Profis nicht immer leicht zu erkennen.

Erst wenn es zu nicht erwarteten Zwischenfällen kommt und das Pferd doch einmal aus irgendeinem Grund mit Ungehorsam reagiert, kann man am Verhalten des Reiters deutlich erkennen, welcher Typ von Chef er ist und wieviel Harmonie tatsächlich zwischen ihm und seinem Pferd herrscht.

Reagiert er mit Gelassenheit und Gleichmut, und sind seine Korrekturmaßnahmen von ruhiger Bestimmtheit, die immer noch seine Feinfühligkeit erkennen lassen, dann handelt es sich zweifelsohne um einen sehr guten Chef, der von seinem Pferd sicherlich auch geschätzt wird, was besonders in solch schwierigen Situationen deutlich sichtbar wird. Meist finden solcherart trainierte Tiere sehr rasch wieder zu ihrer ursprünglichen Form zurück, sodass bereits wenige Augenblicke später von dieser vorübergehenden Unstimmigkeit nichts mehr zu bemerken ist.

Lassen sich jedoch vermehrte Nervosität und/oder Aggression bei Reiter und Pferd bemerken, und dauert es eine gewisse Zeit, bis sich beide wieder gefangen habe, oder kommt es gar zu richtigen Machtkämpfen, dann ist in diesen Beziehungen eindeutig der Wurm drin. Welche Gründe dafür verantwortlich gemacht werden können, ist von Fall zu Fall verschieden. Möglicherweise liegt es an ungeeigneten Trainingsmethoden oder an einem noch nicht völlig festgelegten Rollenverhältnis, sehr oft aber ist die Ursache für häufige Unstimmigkeiten darin zu finden, dass der Reiter keine Chefqualitäten vorzuweisen hat und somit vom Pferd nicht als solcher akzeptiert wird.



Was also macht einen guten Chef aus und welche Eigenschaften sind notwendig, um ein Pferd zu überzeugen, dass es zu gehorchen hat? Und noch eine wichtige Frage: Kann sich diese Eigenschaften jeder Mensch ohne weiteres aneignen?

Meine Meinung dazu: Nein, nicht jeder Mensch eignet sich zum Chef, und auch wenn sich manche Verhaltensweisen über kurz oder lang antrainieren lassen, an der Ausstrahlung eines Menschen ändert dies meist nicht viel und auch die grundsätzliche Einstellung dem Pferd gegenüber bleibt meist die Gleiche, obwohl ich selbstverständlich niemandem seine natürlicherweise vorhandene Lernfähigkeit absprechen möchte.

Wer allerdings keine angeborenen Chefqualitäten besitzt, wird sich diese nur aneignen können, wenn er zu tiefgreifenden Umdenkprozessen und konsequenter Arbeit an sich selbst bereit ist. Das beginnt damit, dass man sich seiner üblichen Denk- und Handlungsweise voll bewusst wird, denn nur dann kann man auch gravierende Veränderungen daran vornehmen. Genauso wichtig ist es aber auch, die wahren Bedürfnisse des eigenen Pferdes zu erkennen und zu respektieren, denn Respekt bzw. Respektlosigkeit beruhen fast immer auf Gegenseitigkeit.

Dies ist auch der �Trick� vieler wirklich guter Pferdeexperten. Sie akzeptieren und respektieren jedes Pferd mit all seinen Eigenheiten und finden auf diese Weise zu fast allen Tieren sehr rasch den richtigen Draht. Mit verständnisvollem Vorgehen erreichen sie, dass sich die Pferde bei ihnen geborgen und beschützt fühlen und sich ihnen somit gerne freiwillig anschließen bzw. unterwerfen, wie sie es auch innerhalb einer Herde gegenüber der Leitstute tun würden.

Auch eine Leitstute wird von der Herde nur dann geachtet, wenn sie beweisen kann, dass sie aufgrund ihrer Intelligenz, ihrer Erfahrung und ihrer Fürsorge geeignet ist, die richtigen Entscheidungen zum Wohle aller Herdenmitglieder zu treffen und diese bestmöglich zu leiten und vor Gefahren in Sicherheit zu bringen. Sie agiert meist sehr dominant und streng, aber gerecht und zeigt sich gegenüber dem Nachwuchs sehr nachsichtig und mütterlich besorgt. Dafür wird sie auch von allen � abgesehen von anderen ranghohen Tieren, die selbst gerne die Führung übernehmen würden - geliebt und respektiert.

Ähnlich muss sich auch der Mensch verhalten, um den Respekt seines Pferdes zu gewinnen. Einfach nur mit brutaler Gewalt, Feldwebelstimme und strenger Konsequenz seinen Willen durchsetzen zu wollen, zeugt nicht von besonderer geistiger Reife und Eignung zum Chef. Gute Chefs sind immer � dies trifft ja auch für den zwischenmenschlichen Bereich zu � um das Wohlergehen ihrer Untergebenen genauso besorgt wie um das eigene. Sie wollen Erfolge sehen, aber nicht um jeden Preis! Wer über Leichen geht, wird vielleicht gefürchtet, aber sicher nicht hoch geachtet! Diese Tatsache lässt sich auch gut auf Mensch-Pferd-Beziehungen übertragen.

Wer als dominanter Chef seinem Pferd das Recht abspricht, Gefühle und Wünsche zu äußern, und von ihm immer und überall bedingungslosen Gehorsam erwartet, dem muss also auch klar sein, welche Verantwortung er damit übernimmt. Nur wenn man über genug Pferdeverstand und Einfühlungsvermögen verfügt, um zu wissen, wieviel man von seinem Pferd fordern kann, ohne dass es Schaden erleidet, und nur wenn man sich absolut sicher ist, niemals die selbständige Hilfe seines Pferdes zu benötigen, nur dann kann man es wagen, der uneingeschränkte Chef seines Pferdes sein zu wollen.

Für eine gut funktionierende dominante Mensch-Pferd-Beziehung ist aber auch eine gewisse Ausstrahlung und eine gehörige Portion Durchsetzungsvermögen des Reiters erforderlich. Souveräne Ruhe und eine nur schwer zu beschreibende Bestimmtheit bei sämtlichen Anweisungen, welche jeglichen Widerspruch schon im Keim ersticken, reduzieren etwaige Machtkämpfe in jeder Stufe der Pferdeausbildung auf ein erträgliches Minimum, sodass man auch bei solchen Paaren durchaus von harmonischer Zusammenarbeit sprechen kann, selbst wenn z.B. so mancher Freizeitreiter sich von seiner Ideologie her nicht mit solcher Dominanz anfreunden kann.



Um ein guter Chef sein zu können, ist aber auch ein geeigneter Untergebener vonnöten. Welcher Typ Pferd sich für diese Rolle eignet und bei welchen Tieren man als Chef sehr schnell an seine Grenzen stößt, möchte ich dann nächste Woche näher behandeln.


Kontakt
Heidelinde Keppel  
Hauptstr. 67A A-2723 Muthmannsdorf
E-Mail   Heidelinde Keppel  
Tel. +43 2638/88023 Mobil 0664/4992935





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